Newsflix.at Logo
Was tun?

So gefährlich ist Trumps Zoll-Drohung für EU und Österreich

30 Prozent auf sämtliche Importe: Mit dieser Botschaft hat US-Präsident Donald Trump Europa aufgeschreckt. Was das für die Wirtschaft bedeutet, um wie viel Geld es dabei geht, und ob die EU nun Härte zeigt – Finanz-Expertin Monika Rosen analysiert.

Salutiert die EU nun vor Trump auf? Oder salutiert sie ab?
Salutiert die EU nun vor Trump auf? Oder salutiert sie ab?Reuters
Monika Rosen
Akt. 14.07.2025 22:56 Uhr

"TACO" – diesen Begriff hört man derzeit dies- wie jenseits des Atlantiks sehr häufig. TACO steht für "Trump Always Chickens Out", was so viel bedeutet wie "Trump macht jedes Mal einen Rückzieher". Auch diesmal?

Fakt ist: Die Zoll-Saga von US-Präsident Trump geht in die nächste Runde. Nun kündigte er Extrazölle von 30 Prozent auf alle Importe aus der EU (und aus Mexiko) an und erwischte die Verhandlungspartner wieder einmal auf dem falschen Fuß. Die Gespräche mit den Amerikanern seien auf einem guten Weg gewesen, war vor Kurzem noch aus der EU zu hören. Die Mitteilung, dass ab 1. August ein Zoll von 30 Prozent auf alle Exporte in die USA fällig seien, kam aus heiterem Himmel.

Trump mag seine Vorgangsweise als Verhandlungsstrategie betrachten, der Rest der Welt sieht sie zunehmend als Bedrohung. Nur einer bleibt relativ cool, und das ist der Finanzmarkt. Die Börse zeigt sich im Verhältnis zu den auf dem Spiel stehenden Summen weitgehend unbeeindruckt und geht davon aus, dass am Ende ein guter, oder zumindest ein verkraftbarer Deal zustande kommen wird. Ist das berechtigter Optimismus oder Übermut? Monika Rosen hat Zahlen, Fakten und Leitlinien für Ihre Investmentstrategie:

Vorab: Worum geht es beim aktuellen Konflikt zwischen den USA und der EU eigentlich?
Bevor wir uns die Zahlen anschauen, eine wichtige Präzisierung. Es geht nicht nur um den Handel mit Waren, sondern auch um jenen mit Dienstleistungen.

börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
Helmut Graf

Warum ist das relevant?
Die EU exportiert zwar mehr Waren in die USA als umgekehrt. An diesem Faktum stößt sich Trump immer. Allerdings importieren wir aus den USA viel mehr Dienstleistungen als umgekehrt, vor allem auf dem Gebiet der Technologie (Cloud-Dienste, Software, etc). Wenn man beides zusammenzählt, ist unser Überhang gegenüber den USA zwar vorhanden, aber keinesfalls als riesig zu bezeichnen.

Okay, also wie sehen die Zahlen aus?
Laut EU-Kommission belief sich das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU 2023 (das letzte Jahr, für das abschließende Zahlen vorliegen) auf 1,6 Billionen Euro, Waren und Dienstleistungen zusammen gezählt. Der Überschuss der EU gegenüber den USA betrug dabei knapp 50 Milliarden Euro, das sind nur 3 Prozent des Gesamtvolumens. Bei den Direktinvestitionen beläuft sich das gemeinsame Volumen auf 4,7 Billionen Euro.

Auf einen Nenner gebracht?
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der EU sind die wichtigsten und am stärksten verflochtenen der Welt!

Gibt es schon Schätzungen, welchen Effekt die Zölle auf die europäische Konjunktur haben könnten?
Ja, die gibt es natürlich, wobei man betonen muss, dass nicht alle Mitgliedsländer im gleichen Ausmaß betroffen wären.

Nämlich?
Deutschland gilt als besonders verwundbar, da fast ein Viertel der Exporte unseres Nachbarlandes in die USA gehen. Langfristige Schätzungen gehen davon aus, dass die Zölle das deutsche Wachstum um 0,4 Prozent dämpfen könnten. Für Frankreich liegt die Erwartungen bei einem Bremseffekt von 0,25Prozent.

Trump mit Melania, FIFA-Präsident Gianni Infantino and dessen Frau Leena Al Ashqar beim Finale der Klub-WM in den USA
Trump mit Melania, FIFA-Präsident Gianni Infantino and dessen Frau Leena Al Ashqar beim Finale der Klub-WM in den USA
Reuters

Welche Sektoren wären besonders betroffen?
Das lässt sich recht eindeutig beantworten: An erster Stelle stehen Pharma-Produkte, gefolgt von Maschinen und Autos.

Der Pharma-Sektor ist aber bis jetzt verschont geblieben …?
Ja, aber Trump hat schon angekündigt, dass er sich eine Zoll-Rate von 200 Prozent (!) auf pharmazeutische Produkte vorstellen kann, die in 12 bis 18 Monaten in Kraft treten könnte.

Warum gerade in der Pharma-Branche?
Hintergrund und Ziel ist natürlich auch hier, Produktionen in die USA zu verlagern. Und eine Reihe großer Pharma-Konzerne (u.a. Novartis und Roche) haben auch bereits Investitionen in den USA in Aussicht gestellt. Allerdings gilt der Zeitplan als extrem knapp, da eine neue Produktionsstätte üblicherweise Vorlaufzeiten von vier bis fünf Jahren benötigt.

Härte? Einknicken? Wie will die EU auf die angedrohten Zölle reagieren?
Sie setzt vorerst weiter auf Verhandlungen. Gegenmaßnahmen wie die am Montag beschlossenen Zölle werden bis Anfang August ausgesetzt. Sie sollen für Waren in Höhe von 72 Milliarden Euro gelten. Außerdem zeigt sich die EU bereit, den Exportüberschuss gegenüber den USA zu verringern, indem man mehr Waren aus den USA bezieht. Rüstungsgüter und Flüssiggas stehen hier im Vordergrund.

Jedes vierte Auto, das von Deutschland exportiert wird, geht in die USA. 30 Prozent Zoll wären für die deutschen Hersteller desaströs
Jedes vierte Auto, das von Deutschland exportiert wird, geht in die USA. 30 Prozent Zoll wären für die deutschen Hersteller desaströs
Ole Spata / dpa / picturedesk.com

Wirkt sich das ständige Hin und Her bei den Zöllen auf Unternehmensergebnisse aus?
Ja. Es schlägt die Verunsicherung durch, auch wenn das Ergebnis der Zollverhandlungen noch nicht feststeht. Für das zweite Quartal wird im breiten europäischen Stoxx 600 Index ein Rückgang der Gewinne um durchschnittlich 0,2 Prozent erwartet.

Das klingt gar nicht so dramatisch …
Es gibt noch pessimistischere Erwartungen. Die Bank of America sieht einen Gewinnrückgang von 3 Prozent im 2. Quartal. Vor der ersten Ankündigung der Zölle durch Trump am 2. April lag die durchschnittliche Schätzung bei einem Gewinnanstieg von rund 7 Prozent!

Ist diese Verschlechterung der Aussichten nur auf den direkten Einfluss der Zölle zurückzuführen?
Nein, auch der Dollar hat hier ein gewichtiges Wort mitzureden. Die US-Währung hat in den letzten Monaten deutlich abgewertet, damit ist der Euro stärker geworden. Das wiederum ist keine gute Nachricht für Exporteure. Je stärker eine Währung ist, desto weniger sind die im Ausland erzielten Umsätze daheim wert.

Was bedeutet das?
Die europäischen Exporteure sind derzeit zweifach bedroht: Einerseits direkt durch die US-Zölle, und andererseits indirekt durch den starken Euro. Indirekt deshalb, weil die Dollar-Schwäche natürlich auch auf die Zollpolitik der USA zurückzuführen ist.

Wie gehen die Finanzmärkte mit dieser Situation um?
Überraschend cool. Die Börse zeigt sich im Verhältnis zu den auf dem Spiel stehenden Summen weitgehend unbeeindruckt und geht davon aus, dass am Ende ein guter, oder zumindest ein verkraftbarer Deal zustande kommen wird.

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic verkündete am Montag mögliche EU-Strafzölle gegen die USA in der Höhe von 72 Milliarden Euro
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic verkündete am Montag mögliche EU-Strafzölle gegen die USA in der Höhe von 72 Milliarden Euro
Picturedesk

Ist das berechtigter Optimismus oder Übermut?
Auf jeden Fall ist es Optimismus. Der deutsche Leitindex DAX hat seit Jahresbeginn rund 20 Prozent zugelegt, beim breiten europäischen Stoxx Index stehen immerhin noch knapp 7 Prozent zu Buche. Genau so viel hat der US-Leitindex S&P 500 geschafft. Diese Kursanstiege haben natürlich auch die Bewertungen der Unternehmen ansteigen lassen.

In welchem Verhältnis?
Das KGV, also das Kurs-Gewinn-Verhältnis, liegt im Stoxx 600 Index derzeit bei rund 14 und damit auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Der S&P 500-Index notiert derzeit sogar auf einer Bewertung von 22. Dieser Respektabstand, den die Europäer trotz der jüngsten Rallye zu US-Aktien nach wie vor haben, zeigt eindrucksvoll, dass die Börse den US-Unternehmen immer noch deutlich mehr zutraut, als der internationalen Konkurrenz.

Der norwegische Flüssiggas-Tanker Hoeegh Esperanza dient bereits seit Ende 2022 im norddeutschen Wilhelmshaven als Übernahmestation für angeliefertes Flüssiggas – auch aus den USA
Der norwegische Flüssiggas-Tanker Hoeegh Esperanza dient bereits seit Ende 2022 im norddeutschen Wilhelmshaven als Übernahmestation für angeliefertes Flüssiggas – auch aus den USA
Bastian / Caro / picturedesk.com

Was bedeutet Kurs-Gewinn-Verhältnis?
Am Beispiel des durchschnittlichen KGV von 14 beim Stoxx 600-Index erklärt: Dieses Verhältnis sagt aus, dass der Index im Schnitt mit dem 14-fachen der erzielten Gewinne bewertet wird. Wenn ein Unternehmen also einen Gewinn von 1 Euro je Aktie hat, würde der Aktienkurs bei 14 Euro notieren. In den USA liegt das durchschnittliche KGV bei 22. Damit wäre hier der Kurs der Unternehmen unter gleichen Voraussetzungen bei 22. Das bedeutet, die Anleger zahlen für den gleichen Gewinn in den USA mehr als in Europa.

Was bedeutet das für die Finanzmärkte?
Der Tenor der internationalen Portfolio-Manager lautet: US-Aktien sind weiterhin hoch geschätzt, aber ihre relative Dominanz über den Rest der Welt nimmt tendenziell ab. Mehr als die Hälfte der befragten Manager haben in einer aktuellen Umfrage der Bank of America angegeben, dass sie internationale Märkte über die nächsten fünf Jahre gegenüber der US-Börse im Vorteil sehen. So eine Aussage wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen.

Was heißt das für Privatanleger?
Es ist vor allem ein Argument für eine gute Streuung im Portfolio. Wie immer gilt es, Risikotoleranz, Ziele und Zeithorizont zu definieren und sich fundiert beraten zu lassen. Die Zeiten, also man nur auf US-Tech-Aktien gesetzt hat, sind für den Moment jedenfalls vorbei.

Monika Rosen
Akt. 14.07.2025 22:56 Uhr