Sommerzeit 2

Vier von fünf Parteien in Österreich geht Zeitumstellung auf den Wecker

Die EU-Kommission, das EU-Parlament, SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne sind für Ende der Umstellerei – aber keiner stoppt sie. Warum?

In der Nacht auf den Ostersonntag werden die Uhren um eine Stunde nach vorn gestellt
In der Nacht auf den Ostersonntag werden die Uhren um eine Stunde nach vorn gestellt
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Newsflix Redaktion
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In der Nacht auf Sonntag ist es wieder soweit. Um 2 Uhr früh werden die Uhren um eine Stunde nach vorne gestellt, die Nacht dauert also eine Stunde kürzer und der Ärger wird wieder lang sein. Denn was man mit Fug und Recht sagen kann: Das Thema wird zwischen Stammtischen und Facebookgruppen mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit debattiert.

Dabei will die Zeitumstellung so gut wie keiner mehr haben: Die EU nicht – aber sie will, dass die Länder die Umstellung stoppen und zwar gemeinsam. Die Länder wiederum wollen, dass die EU auf die Bremse steigt. Fünf Jahre nach dem Beschluss des EU-Parlaments, die Sommerzeit zum Teufel zu schicken, ist nichts passiert. Das Protokoll einer Groteske, die vielen auf den Wecker geht.

Seit wann gilt in Österreich die Sommerzeit?
Am 24. Februar 1976 beschloss der Nationalrat das "Bundesgesetz über die Zeitzählung (Zeitzählungsgesetz)" und damit die Einführung der Sommerzeit.

Wann gab es dann die erste Sommerzeit?
Am 6. April 1980 wurden erstmals die Uhren umgestellt.

Warum erfolgte die Umstellung im April?
Weil das "Zeitzählungsgesetz" erst am 10. Februar 1981 präzisiert wurde. In Paragraph 2, Absatz 4 wurde festgelegt: "Die Sommerzeit hat jeweils an einem Samstag oder Sonntag zu beginnen und zu enden. Das jeweilige Datum und die Uhrzeit des Beginnes und des Endes der Sommerzeit sind durch Verordnung zu regeln." Die Bundesregierung legt seither also per Verordnung fest, wann die Sommerzeit beginnt und wann sie endet. Die aktuelle Verordnung gilt bis inklusive 2026. Das Startdatum liegt immer im März.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker  (hier mit seiner Nachfolgerin) betrieb die Abschaffung der Zeitumstellung
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (hier mit seiner Nachfolgerin) betrieb die Abschaffung der Zeitumstellung
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Gab es die Sommerzeit nicht auch schon früher?
Ja, in Österreich erstmalig zwischen 1916 und 1920, dann wieder in den Jahren 1940 bis 1948. Beide Male aus wirtschaftlichen Gründen, nicht weil man länger im Gastgarten sitzen wollte.

Seit wann gilt die Sommerzeit in anderen Ländern?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Idee gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Einzelne Länder haben die Sommerzeit eingeführt, manche wieder abgeschafft.

Warum wurde die Sommerzeit in Österreich eingeführt?
Grund war die erste Ölkrise 1974. Energiesparen wurde zum großen Thema. Studien ergaben, dass durch die Umstellung der Uhren weniger Energie verbraucht wird. Das gilt mittlerweile teilweise als überholt.

Welche Länder haben die Sommerzeit wieder abgeschafft?
Einige, etwa Russland, China, Indien sowie weite Teile von Australien und Südamerika.

Wie ist das in den EU-Ländern?
Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts herrschte ein wildes Durcheinander. Die Sommerzeit begann und endete in den europäischen Ländern an unterschiedlichen Tagen. Das wurde mit der Richtlinie 2000/84/EG beendet. Sie trat mit 2. Februar 2001 in Kraft. Seither sind alle EU-Länder verpflichtet, am letzten Sonntag im März auf die Sommerzeit umzusteigen und am letzten Sonntag im Oktober wieder zur Standardzeit zurückzukehren.

Ab wann begann die Debatte um die Abschaffung
Intensiver ab 2017. Zwischen 4. Juli und 16. August 2018 wurde dann im Auftrag der Europäischen Kommission in allen EU-Ländern eine Online-Abstimmung über die Zeitumstellung durchgeführt. Die Initiative ging vom damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker aus.

Die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler sind für die generelle Sommerzeit, die ÖVP Bundeskanzler Karl Nehammer will die Zeitumstellung abschaffen
Die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler sind für die generelle Sommerzeit, die ÖVP Bundeskanzler Karl Nehammer will die Zeitumstellung abschaffen
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Was ergab die Abstimmung?
Die Ergebnisse wurden am 31. August 2018 verkündet. In den damals 28 Mitgliedsstaaten hatten 4,6 Millionen Menschen teilgenommen. In der EU lebten zu diesem Zeitpunkt 512 Millionen Menschen. 84 Prozent stimmten für die Abschaffung der Sommerzeit.

Warum war die Abstimmung umstritten?
Weil so wenige Menschen dabei mitmachten. Das Thema emotionalisierte vor allem Deutschland (3,8 Prozent der Bevölkerung nahmen teil) und Österreich (2,9 Prozent), dem Rest war es relativ gleichgültig. Um die Dimension zur verstehen: Von den 4,6 Millionen Stimmen kamen 3 Millionen aus Deutschland.

Was passierte danach?
Am 12. September 2018 legte die EU-Kommission dem Parlament und dem Rat einen Vorschlag vor: Die Zeitumstellung sollte 2019 in Europa beendet werden. Den Mitgliedsländern sollte die Freiheit gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob sie dauerhaft die Sommer- oder Winterzeit anwenden wollen.

Wie entschied das EU-Parlament?
Am 26. März 2019 stimmte das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung. Den einzelnen Mitgliedsstaaten wurde bis April 2020 Zeit für die Festlegung eingeräumt, ob sie die Sommer- oder die Winterzeit beibehalten möchten. Die letzte Zeitumstellung sollte EU-weit im März 2021 passieren.

Warum passierte das nicht?
Weil die mittlerweile 27 europäischen Fachminister und Regierungschefs (Großbritannien ist ja inzwischen aus der EU ausgetreten) im EU-Rat der Regelung zustimmen müssen, und dort liegt das Thema auf Eis. Grund: Das Problem stellt sich in vielen Ländern anders. Ist es gut, dass es im Winter in Spanien erst um 10 Uhr hell, in Polen dafür schon um 14:30 Uhr dunkel wird? Und es gibt viele offene Fragen. Was ist mit der Bahn und den Flughäfen? Soll es eine große Zeitzone mit 16 Ländern geben?

Wo steht die Debatte in Österreich?
Es ist immer noch ein emotionales Thema. Vom 17. bis zum 24. April 2023 lag ein Volksbegehren zur Unterschrift auf. Es setzte sich für die Beibehaltung der Sommerzeit ein und erhielt 168.705 Unterschriften.

Petra Steger und Harald Vilimsky (hier mit FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl) treten für die FPÖ bei der EU-Wahl an
Petra Steger und Harald Vilimsky (hier mit FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl) treten für die FPÖ bei der EU-Wahl an
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Wo stehen die Parteien?
4 von 5 sind für die Abschaffung der Zeitumstellung, nur die Neos zeigen sich unentschieden. ÖVP, SPÖ und FPÖ wollen die Umstellerei grundsätzlich beenden, die Grünen die Sommerzeit durchgängig beibehalten. Im Detail:

Das sagt die ÖVP
"Wir sind für die Abschaffung der Zeitumstellung auf europäischer Ebene. Dabei muss unbedingt auf ein europäisch einheitliches Vorgehen geachtet werden. Zu einem Fleckerlteppich an Zeitzonen quer durch Europa darf es keinesfalls kommen."

Das sagt die SPÖ
"Die Zeitumstellung gehört endlich abgeschafft", sagt EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder. "Sie ist eine unnötige gesundheitliche Belastung besonders für ältere Menschen und Kinder, auch Energiespareffekte sind ausgeblieben. Nachdem sich vor einigen Jahren in einer EU-weiten Umfrage eine große Mehrheit dafür ausgesprochen hat, die Zeitumstellung abzuschaffen – ebenso das EU-Parlament – ist es den EU-Staaten nicht gelungen, hier eine einheitliche Lösung zu finden. Die EU-Staaten müssen endlich zu einer gemeinsamen Position in Sachen Zeitumstellung kommen. Ganz wichtig ist dabei, einen Fleckerlteppich an Sommer- und Winterzeit innerhalb der EU zu verhindern."

Das sagt die FPÖ
"Wir sind für ein Ende der Umstellerei – Es gibt für beide Zeiten Vor- und Nachteile, die es zu berücksichtigen gilt. Prinzipiell wurde in der EU (unter dem österreichischen Ratsvorsitz) das Ende der Zeitumstellung beschlossen. Es fehlt noch die Einigung, ob Sommer- oder Winterzeit auf Dauer beibehalten werden soll.

Das sagen die Grünen
"Wir erachten eine mögliche Beibehaltung der Sommerzeit für grundsätzlich sinnvoll, auch da ein ständiges Uhr-Umstellen wenig bringt und ungesund ist. Wichtig ist aber vor allem eine Abstimmung und einheitliches Vorgehen in der EU, damit kein Fleckerlteppich unterschiedlicher Regelungen entsteht, der mögliche Vorteile wieder nivellieren bzw. zunichte machen würde."

Das sagen die Neos
"Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. Die Entscheidung muss aber auf EU-Ebene erfolgen - wir sind bei den Lösungen offen, aber strikt gegen nationale Alleingänge."

Gibt es in der EU neue Überlegungen dazu?
Ja, die "halbe Sommerzeit", also die Uhren im Frühjahr nur eine halbe Stunde nach vorne zu stellen und im Winter eine halbe Stunde zurück. Ende offen!

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