neue serie "prime finder"
Von wegen Magie der Primzahlen: Rechnung geht nicht auf
Regie-Genie Ridley Scott (u.a. "Blade Runner") hat für Apple TV+ eine Serie produziert. Doch die in Cambridge spielende Fiction Science-Story um Primzahlen als Schlüssel zum Aufbau des Universums verläuft sich im Nebel, den sie selbst erzeugt.

Apple TV+ hat sich unter Streaming-Auskennern als jene Plattform etabliert, die Qualität über Quantität stellt und mitunter den anspruchsvollsten Content liefert: Der Dienst setzt ausschließlich auf Eigenproduktionen, die Filme und Serien sind durchwegs hochwertig umgesetzt und stilistisch anspruchsvoll, "Füllmaterial", wie etwa auf Netflix, findet sich dort nicht. Doch selbst Apple TV+ hat bei seinen Inhalten zuletzt einige Male daneben gegriffen.

Hits and Misses Das begann mit "Time Bandits", der Serien-Adaption eines Monthy Python-Klassikers, und setzte sich fort mit "Before", in der Billy Crystal als in rätselhafte Vorgänge hineingezogener Kindertherapeut kaum überzeugen konnte. Natürlich ist das Scheitern "part of the game", kein Studio kann immer nur Hits produzieren. Und angesichts aktueller Perlen wie "Disclaimer", "Shrinking", "Bad Monkey", "Severance", "Slow Horses" und Co. braucht man sich als Apple TV-User keine Sorgen machen, dass einem der Stoff ausgeht.
Ridley Scott als Serien-Gott? Dass die neue Mini-Serie "Prime Finder" (im Original "Prime Target" genannt, was bei der Online-Suche zur Verwirrung führen kann) aber so gar nicht in die Gänge kommen will, enttäuscht doch. Immerhin steht Regie-Ikone Ridley Scott (u.a. "Alien", "Blade Runner", "Gladiator") und seine Produktionsfirma Scott Free Productions hinter dem Thriller. Und auch die Ausgangslage der Serie klingt durchaus spannend.
Primzahlen, der Schlüssel zum Universum? Der junge, geniale Cambridge-Mathematik-Student Edward Brooks (Leo Woodall) entdeckt bei der Suche nach einem passenden Post-Grad-Thema ein Muster von bzw. in Primzahlen, das er als "Schlüssel zum Universum" versteht: Isaac Newton lag falsch, die Natur sei aus Primzahlen aufgebaut, dieser "göttliche Code" müsse erforscht werden. Brooks akademischer Betreuer Professor Mallinder (David Morrisey) protestiert allerdings mit Nachdruck gegen das Forschungsthema, und das hat nicht nur mit dessen "Exotismus" zu tun, sondern ganz andere Hintergründe.
Ein mysteriöser Tod Bereits vor Jahrzehnten hatte sich der Professor damit befasst, aber von "unbekannten Mächten" wurde ihm offenbar verboten, sich weiter mit "Primzahlen" zu beschäftigen. So bekommt er auch jetzt eine Mail-Nachricht mit einer eindeutigen Warnung, von dem Thema die Finger zu lassen. Kurz darauf verbrennt Professor Mallinder alle Unterlagen zu Brooks' Forschung, stiehlt dessen Notizen, zerstört sein Studentenzimmer. Und ist kurz darauf tot.

Primzahlen-Verschwörung All das wird von einer amerikanischen Surveillance-Firma via Kamera aufgezeichnet, die im Auftrag von Geheimdiensten agiert, um neue Entwicklungen in der Forschung als erste zu erfahren. Als Brooks den Diebstahl seiner Unterlagen bei der Uni-Leitung meldet, glaub ihm keiner, seine Weigerung einer Entschuldigung führt zum Verweis von Cambridge. Einzig Professor Mallinders Witwe glaubt ihm, der sich nun selbst auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Primzahlen machen muss. Alles stets beobachtet von den allgegenwärtigen Überwachungskameras …
Fiction Science Zugegeben: Der Plot der ersten beiden veröffentlichten Folgen von "Prime Finder" klingt schon etwas abstrus. Dabei wäre aber das gar nicht das größte Problem, denn dass Science-Thriller nicht immer ultra-realistisch sein müssen und das fiktive Hinterfragen von altbekannten Gewissenheiten seinen Reiz haben kann, bewies bereits Dan Brown mit seinen Büchern (und den folgenden Verfilmungen) wie "Sakrileg" oder "Illuminati", oder auch die Netflix-Serie "3 Body Problem" (bzw. deren literarisches Vorbild).

Schlampige Umsetzung Das Problem von "Prime Finder" ist vielmehr die schlampige Umsetzung: Viele Handlungsstränge werden etabliert, ohne sich stimmig ineinander zu fügen. Manche Sequenzen ergeben dramaturgisch einfach keinen Sinn, sind zu lang oder zu kurz. So darf man der Surveillance-Angestellten Taylah Sanders (Quintessa Swindell), die mit ihrem Laptop in einem französischen Küstenort sitzt (warum genau?) minutenlang dabei zusehen, wie sie Brooks und Mallinder auf ihren Überwachsungsaufnahmen zusieht.
Logische Löcher Manches ist auch einfach unlogisch: In den Häusern der Wissenschafter, in der ganzen Uni Cambridge, in jedem noch so kleinen Raum sind mehrere Überwachungskameras installiert, die scheinbar keinem auffallen. Und die wer auch immer problemlos dort anbringen konnte. Warum sitzen die "Spione" außerdem in Frankreich und nicht in England? Und wonach suchen sie überhaupt?

Verspieltes Publikumsinteresse Es kann natürlich sein, dass "Prime Finder" im Zuge der weiteren Episoden Antworten auf all diese Fragen findet. Aber das bisher veröffentlichte Material macht wenig Lust, dranzubleiben. Da geht es der Serie ähnlich wie der erwähnten Produktion "Before", die auch interessante Ansätze hat, aber diese uninteressant umsetzt. Und so das Interesse des Publikums verspielt.
Klischeehafter Protagonist Schließlich ist auch der "Star" der Serie nur schwer zu fassen: Leo Woodall spielt Edward Brooks als sozial eher wenig funktionsfähigen Charakter mit Asperger-Zügen, das ist leider so erwartbar wie klischeehaft. Dass die Genies dieser Welt oft kauzige Typen waren und sind, gekauft. Aber Brooks hat nichts an sich, das ihn über das Klischee hinausgehen lassen, das Erwartbare unterlaufen oder ihn interessant machen würde. Und ein fiktives Werk ohne attraktive Hauptfigur tut sich immer schwer.

Fazit "Prime Finder" sucht Mystery, Spannung und den richtigen Ansatz, wird aber nicht fündig: Ein etwas wirres und unausgegorenes Drehbuch, schlechter Schnitt, mangelhafte Inszenierung und klischeehafte Figurenzeichnung machen das zweifellos vorhandene Potential dieses Fiction Science-Thrillers leider zunichte.
"Prime Finder", USA 2025, 8 Episoden à ca. 45 Minuten, Episoden 1-3 online, ab 5. Februar jede Woche eine weitere Episode, Apple TV+