Was lange als Verlegenheitslösung für daheim galt, hat sich zum Kult entwickelt. Filterkaffee ist der heißeste Trend am Vienna Coffee Festival – sogar einen Weltmeister in dieser Disziplin haben wir.
Was vor noch gar nicht so langer Zeit als Sinnbild für Spießigkeit und Sonntagnachmittags-Kaffeekränzchen galt, hat sich mittlerweile zum "heißesten Sch …" der internationalen Kaffee-Szene gemausert: Filterkaffee. Also jener bittere dunkle Saft, der entsteht, wenn man Kaffeepulver in eine Filtertüte löffelt und mit heißem Wasser aufgießt. Nix Siebträgermaschine, nix 9 Bar auf dem frisch gemahlenen braunen Gold, der trendigste Kaffee derzeit wird genauso zubereitet wie weiland im Schwesternzimmer in der Schwarzwaldklinik.
Filterkaffee 2.0 Oder zumindest beinahe so. Denn der Trend wäre keiner, wenn er nicht mit allerlei Zauberei und Handwerkskunst zeitgemäß veredelt würde. Die Bohnen für den Filterkaffee werden natürlich immer frisch gemahlen, das Filterpapier sollte bestimmten Anforderungen entsprechen und die größte Kunst besteht darin, das Wasser von Hand so behutsam und zärtlich in den Filter zu gießen, dass es auch wirklich die ganze Power aus dem Kaffee herausholen kann, Tröpfchen für Tröpfchen.
Wir sind Filterkaffee-Weltmeister Einer, der das derzeit besser kann als alle anderen, ist Martin Wölfl. Der 33-jährige Niederösterreicher holte beim "World Brewers Cup" im letzten April in Chicago den Weltmeistertitel in dieser Disziplin. Wölfl ist derzeit einer der Stargäste beim "Vienna Coffee Festival" in der Marx-Halle. In Workshops gibt der Aficionado hier noch bis Sonntag, den 8. September, sein Wissen weiter. Und an Interessenten wird es nicht mangeln, denn das Coffee Festival, das heuer zum 10. Mal stattfindet, gehört mittlerweile zu den bedeutendsten einschlägigen Veranstaltungen in Mitteleuropa.
Hotspot für High-End-Kaffee Das Festival gilt als Get-together all jener Koffein-Junkies, die sich dem hochklassigen Kaffee verschrieben haben: Importeure, Röster, Hersteller von Equipment – und natürlich Genießer. In dieser speziellen Genuss-Nische hat sich Wien in den vergangenen Jahren zu einer wahren Hochburg in Europa entwickelt.Verteilt über die ganze Stadt, haben sich mittlerweile dutzende Klein -und Kleinströstereien niedergelassen, meistens mit ebenso winzigen integrierten Coffee-Shops. Hier zählen Individualität und Vielfalt, sowohl bei der Herkunft der Bohnen, wie auch bei deren Verarbeitung.
"Tief drinnen" "Viele der Röster sind so tief in der Sache drinnen, dass sie sogar den Namen der Schwiegermutter jenes Kaffeebauern wissen, dessen Bohnen sie gerade rösten", formuliert es Oliver Goetz leicht überspitzt. Goetz spielt selbst seit 16 Jahren in der heimischen Kreativ-Kaffeeszene mit, führt mittlerweile die Rösterei "Wildkaffee" und widmet sich mit "25 Grams Cold Brew" auch dem trendigen kalt hergestellten Kaffeeaufguss.
Und noch ein Weltmeister Zudem ist er einer der Macher der Österreich-Sektion der "Speciality Coffee Association", einer weltweiten Vereinigung gleichgesinnter "Coffee-Heads", denen es um die Verbreitung und Weiterentwicklung der High-End-Kaffeekultur geht. Hier sind so ziemlich alle organisiert, die mit der Kafeewelt der großen Konzerne nichts zu tun haben möchten und sich in der Spezialisten-Nische sehr wohl fühlen. So etwa auch der junge Felix Teiretzbacher. Er holte 2022 den Weltmeistertitel im Rösten mit seinen Kaffees, die er unter dem originellen Namen "Kaffeelix" vertreibt.