LOKALE KRITIK
Wo nicht alleine der Wiener isst, wie es ist!
Die Cuisinière & Der Connaisseur sind auch kulinarisch zurück aus Kroatien, Italien, Korea und endlich wieder zuhause. Sie finden Wien herrlich und fühlen sich im "Herlitschka" in der Wiener Traungasse herrlicher.
"Und wieder ein Konzert der Wiener Symphoniker", lacht Die Cuisinière, "muss appetitanregend sein." "Ja, diesmal allerdings im Konzerthaus." Und Grund genug, dessen Umgebung nach Essbarem abzusuchen. "Fridays@7 ist eine sehenswerte Konzertreihe des unglaublich innovativen und kreativen Wiener Symphoniker-Managements, wo - wie der Name schon sagt - an den Freitagen ein eher kürzeres Konzert und danach eine witzige Jam-Session im Foyer stattfindet", erläutert der kulturaffine Connaisseur weiter. "Da wird man dann schon hungrig! Neben dem 'Restaurant im Konzerthaus' und natürlich dem 'GmoaKeller' bietet sich da der Weg ins alte Wien, einmal ums Eck, zum 'Herlitschka' in die Traungasse an."
Die Erfahrung zeigt, die Online-Reservierung zu Konzertbeginn für danach funktioniert wie das einfache Vorbeischauen, obwohl dieses Altwiener Wirtshaus bei unseren Besuchen sehr gut besucht war. Das Personal ist unglaublich freundlich und sehr hilfsbereit. "Die Bierauswahl ist sensationell", so Die Cuisinière, "alleine vier Biere vom Fass zu ordentlichen Preisen. Fürs Krügerl 5,10 oder 5,20 Euro - das kann was."
Besonders lobenswert findet Die Cuisinière nicht nur "die sehr schöne Saisonkarte – gerade für ein Wirtshaus", meint sie anerkennend. Auch die Mittagsmenüs (mit Suppe um 10,80 Euro) sind sehr ansprechend. Sie nimmt ein "Brat'l-Carpaccio mit eingelegten Eierschwammerln und Kren" um 11,60 Euro. "Das Carpaccio zieht sich offensichtlich durch alle lokalen Kritiken", erinnert Der Connaisseur an die Auszeit im "Ragusa", bei "trude&töchter" oder in der "Trattoria La No", und natürlich mehrfach auf den Kornaten.
"Ist immer wieder anders", ergänzt Die Cuisinière, "denn diesmal ist das Carpaccio zwar entsprechend dünn, aber nicht roh!" Was allerdings "bei einem Brat'l auch schwierig" sei, doziert Der Connaisseur. Und bleibt unkommentiert … Vermutlich hat sie sein "Schweigen als größte friedenserhaltende Maßnahme" aufgenommen.
Er nimmt am Abend eine "Frittatensuppe", daran erkenne man schon einmal die Qualität des Wirtshauses. Und die stimmt im "Herlitschka": "Frittaten hausgemacht, Suppe kräftig – was will man mehr – und um 4,90 wohlfeil."
"Immer mehr Menschen folgen dem Trend eines sogenannten Lunner", weiß Der Connaisseur und erklärt ungefragt der Cuisinière, dass es sich hierbei um eine – seine - Wortkreation aus Lunch und Dinner handle.
"Preisfrage!", sagt sie, "was ist dann ein Dinch?"
"Trinkst du schon mittags?"
Diese Preisfrage geben die beiden an das geneigte Newsflix-Publikum weiter.
"Aber Ausgangspunkt dieser Bemerkung war ja jener, dass den ganzen Tag durchgehend Küche geboten wird, was für die Nachmittags-Esser sehr positiv ist", weiß sie. Aber, man sollte beim Bestellen gleich anmerken, keinen Stress zu haben, "denn das Service ist nicht nur extrem freundlich, sondern auch extrem schnell".
Und die Publikumsmischung ist mittags wie abends wirklich gemischt. "Anzug, Schnösel, Snob, Hackler – also so, wie man es sich wünscht", beschreibt Die Cuisinière. "Am Abend kommen dann noch Künstler und Konzertbesucherinnen dazu", ergänzt Der Connaisseur.
Ihr Menü war an jenem Tag ein "Gefülltes Schnitzel mit Schafkäse und grünem Spargel, dazu Erdäpfelsalat". Spargel als Beilage zum Schnitzel fand sie kurios – und suchte ihn dann auch vergeblich am Teller. "Bevor ich urgiert hab', hab' ich gekostet. Und siehe da, er war in der Fülle, der grüne Spargel", lachte Die Cuisinière. "Altersweisheit macht sich auch bei dir breit", zollte Der Connaisseur Anerkennung.
Ihre Akklamation zu dieser seiner Erkenntnis ließ allerdings zu wünschen übrig …
Das Schnitzel, "eigentlich ein Cordon, war witzig", statuiert Die Cuisinière, "und gut". "Der Erdäpfelsalat jedoch gewinnt keinen Nobelpreis", sagt sie kryptisch. Seine Bitte um genauere Erläuterungen ihres "witzig" und "Nobelpreis" blieb jedoch unerfüllt. Es sei damit alles gesagt, schloss sie römisch! Seine Frage, welcher Erdäpfelsalat denn der letzte Laureat gewesen sei, traute er sich damit nicht mehr zu stellen.
Mittags wie abends gibt es im Wesentlichen die gleiche Karte. Mit allem, was das Wiener Herz – vor allem aber der Gaumen – wünscht, so Der Connaisseur. Der "gebratene Seehecht" war "ein bisserl trocken", dazu die "Einser-Garnitur": ein Radicchio-, zwei Frisée-Blätter.
Ebenfalls mittags und abends gleich ist das Gewölbe mit einem massiven Vollholz-Hochstabparkett, wie es früher in Pferdeställen üblich war. "Sehr stimmungsvoll" – und für all jene, die nicht erreicht werden wollen, ideal, "weil es dort so gut wie keinen Empfang fürs Handy gibt", erläutert die g’schaftige Cuisinière.
Der bei seinem Besuch saisonal noch passende "gebackene Spargel" "hätte auch origineller dekoriert sein können", raunzt er auf hohem Niveau, und meint auch, dass "der Preis mit 17,90 Euro für die zwei Stangen etwas heraussticht!"
Ebenfalls feststellbar ist auch, dass sich der Abend-Erdäpfelsalat von dem zu Mittag "durch einige ergänzende Blätter Vogerl- sowie zwei verirrte Häupel-Salatblätter unterscheidet", ätzt er.
Und wenn schon wienerisch, dann auch die Nachspeise "Liwanzen mit Heidelbeeren" (7,40 Euro) – "und wieder sehr fein!"
Als ob er es nicht wissen würde, fühlt sich Die Cuisinière bemüßigt, die "Liwanzen" zu erklären. "Du meinst Dalken?", gibt er spitz zurück. Unbeirrt referiert sie über die traditionelle Mehlspeise aus der böhmischen Küche und lässt zumindest einen guten Tipp fallen: "Am besten natürlich im Schweinsschmalz aussebach'n", erfreut sie alle Vegetarier! Es gäbe "spezielle Liwanzen-Pfannen mit Vertiefung, die dann die typische Form ausmachen", gscheitelt sie weiter. Vergisst aber nicht zu erwähnen, dass "das 'Abschmalzen' natürlich in der Speisekarte speziell zu vermerken" sei.
Ihr Herz für Rohköstler verführt ihn zur Bemerkung, ob sie sich "damals vor Jahrzehnten auch für die vegetarische Kochlehre entschieden" hätte.
Erregt schnaubt sie: "So ein Blödsinn." Und meint damit hörbar beides!
Und wer im "Herlitschka" glaubt, plötzlich beim Italiener zu sein, braucht keinen Arzt. Denn Marco, den Kellner, kennt man. Er stammt aus der Gastronomen-Familie Cirillo, die lange Jahre im "San Carlo" in der Mahlerstraße die kulinarische Heimat aller Italophilen und sonstigen Opern-Narren war. Auch seine Schwester ist wieder kulinarisch tätig, Patricia ist in der "Wiener Cucina" unterwegs! Schauen wir mal. Wie aufs Posthorn!
Kommentare, Wünsche, Beschwerden, Anregungen bitte an Die Cuisinière & Der Connaisseur [email protected]
Die Cuisinière & Der Connaisseur
- Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich gefunden, um über das Essen zu reden. Und nun auch andere daran teilhaben zu lassen. Es ist, wie es isst!
- Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef – genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sternehütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" vier Hauben (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGIG fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich unterwegs.
- Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.