Förderkürzungen, Abrücken von Klimazielen: Wie alle großen Umbrüche erfährt auch die Ökologisierung derzeit politischen Widerstand. Sie wird sich dennoch durchsetzen, ist Expertin Katharina Rogenhofer überzeugt.
Wer sich, wie ich, seit vielen Jahren intensiv mit der Klimakrise und dem Kampf dagegen beschäftigt, musste sich über die letzten Monate eine gewisse Leidensfähigkeit angewöhnen. Die Arbeit an politischer Umsetzung ist eine permanente Geduldsprobe. Die Klimapolitik der letzten Monate war aber nicht einmal mehr von zögerlichem Fortschritt, sondern von einer Serie von Rückschritten geprägt – in Österreich und darüber hinaus.
Das Doppelbudget 2025/26 der österreichischen Regierung ist das rezenteste Beispiel dieser Rückschritte. Ein Drittel dieses Sparpakets von historischer Größe geht zu Lasten des Klimaschutzes. Klimafreundliches Verhalten wird belastet, klimaschädliches begünstigt.
Aber auch die Aufteilung der Agenden des früheren Klimaschutzministeriums machen die Verantwortungsdiffusion für klimapolitische Umsetzung leichter. Waren mit Energie, Verkehr, Umwelt und Klima die emissionsintensiven Sektoren früher an einer Stelle gebündelt, sind sie jetzt auf drei verschiedene Ministerien aufgeteilt.
Die Abkehr von Klimaagenden ist auch in einer Verschiebung in der medialen Debatte beobachten. Wie wir im KONTEXT Institut für Klimafragen zeigen konnten, wurde im Jahr 2024 in Österreichs Medien weniger über Klimapolitik gesprochen als im Jahr davor und wenn doch, dann mit mehr negativen und verschleppenden Argumenten.
Die Rückschritte beschränken sich leider auch nicht nur auf Österreich. Die neue deutsche Bundesregierung ist im Rückwärtsgang in ihr Amt gestartet. Wirtschaftsministerin Katharina Reiche will neue Gaskraftwerke errichten. Bundeskanzler Friedrich Merz will das EU-Lieferkettengesetz gänzlich abschaffen und hat darin im französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron einen ebenso mächtigen Verbündeten gewonnen.
Die klimapolitische Abkehr der Europäischen Volkspartei, der auch Merz und Reiche angehören, und der Rechtsruck in vielen Mitgliedsstaaten hinterlässt auch auf EU-Ebene seine Spuren: Zentrale Errungenschaften der vergangenen Jahre, wie die schrittweise Reduktion der erlaubten Emissionen von PKWs oder die Ziele für Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Energieeffizienz von Gebäuden stehen offen zur Disposition.
Klimapolitische Rückschritte also allenthalben – und da habe ich noch nicht einmal den Namen Donald Trump ins Spiel gebracht.
Eine gewisse Leidensfähigkeit ist demnach in diesen Monaten tatsächlich angebracht. Ein Grund für Resignation sind die Ereignisse aber nicht. Denn wer sich, wie ich, seit vielen Jahren intensiv mit der Klimakrise und dem Kampf dagegen beschäftigt, hat sich vermutlich auch schon etwas grundsätzlicher mit gesellschaftlichen Transformationen auseinandergesetzt und weiß daher, dass solche Prozesse nie immer nur in eine Richtung verlaufen.
Alle großen Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte haben in irgendeiner Form Gegenbewegungen provoziert (die einmal mehr und einmal weniger erfolgreich waren). Denn alle Umbrüche hatten nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer.
Dasselbe gilt für große technologische und wirtschaftliche Transformationen. Die Industrialisierung ging zu Lasten der Handwerkszünfte, die Elektrifizierung zu Lasten des mechanischen Maschinenbaus. Wenn Neues entsteht, vergeht auch immer gleichzeitig Altes.
Mit der Ökologisierung stehen viele technologische Umbrüche an. In der Wirtschaftswissenschaft gibt es das S-Kurven-Konzept, das die unterschiedlichen Entwicklungsphasen von Technologien beschreibt: Die Anfangsphase mit wenig Nutzung, hohen Kosten und viel Unsicherheit. Die Wachstumsphase mit schneller Verbreitung, Investitionen und öffentlicher Sichtbarkeit. Und die Reifephase mit hoher Marktdurchdringung und geringen Innovationssprüngen.
Die Kurven zeigen, wie durch zunehmende Forschung und Entwicklung, die Leistungsfähigkeit von Technologien in der Anfangsphase schwach und in der Wachstumsphase stark wachsen bis sie die Reifephase erreichen.
Mit diesen S-Kurven lässt sich die aktuelle Situation treffend beschreiben. Waren es in den Anfangsphasen vor allem gesellschaftliche und politische Motive, die etwa klimafreundliche Technologien vorangetrieben haben, greifen mittlerweile immer mehr Marktkräfte.
E-Autos oder Wärmepumpen sind deutlich energieeffizienter als ihre fossilen Pendants und sie werden immer leistungsfähiger und billiger. Erneuerbare Energien sind ohnehin bereits günstiger als Öl, Gas oder Kohle. Investitionen in klimafreundliche Technologien steigen weltweit exponentiell.
Zukunftstechnologien befinden sich also in der Wachstumsphase, während fossile Technologien, wie zum Beispiel Verbrenner-Autos oder Gasheizungen, bereits in der Sättigungsphase sind. Solche Technologie-Wendepunkte krempeln bestehende Systeme um und lösen Konflikte im politischen System aus. Das gilt umso mehr, da viele dieser Technologien, wie das Verbrenner-Auto, für einige europäische Länder über Jahrzehnte ein Wohlstandsgarant waren.
Wie die Entwicklung weitergehen, zeigt sich in China. Die chinesische Regierung hat strategisch auf Zukunftstechnologien gesetzt. Wie Europa ist China nicht in der Lage, sich selbst mit fossilen Energieträgern zu versorgen und baut deshalb offensiv erneuerbare Energien aus.
Auch E-Autos haben sich dort bereits durchgesetzt – sehr zum Leidwesen der europäischen Autobauer und ihres wichtigsten Exportmarktes. China ist bei E-Autos, Photovoltaik oder Batterien mittlerweile weltweit führend, was dem Land Unabhängigkeit und seiner Industrie enorme Wettbewerbsvorteile beschert.
Diese Fortschritte sind keineswegs das Ergebnis von klimapolitischem Eifer (China baut weiterhin Kohlekraftwerke), sondern fußen rein auf wirtschaftsstrategischen Überlegungen. Sie haben jedoch den erfreulichen Nebeneffekt, dass die CO2-Emissionen des Landes erstmals nicht mehr steigen. Dieses Ziel hatte sich die Führung in Peking ursprünglich erst für 2030 gesetzt.
Die Ökologisierung der Wirtschaft ist nichts weniger als die nächste industrielle Revolution. Je früher und je ambitionierter Österreich und die EU vorgehen, desto größer ist die Chance, dass auch die angeschlagene Wirtschaft damit neuen Wind unter die Segel bekommt – und desto schneller sinken auch die Emissionen.
Damit diese Entwicklung im notwendigen Maß beschleunigt wird, damit also Zukunftstechnologien möglichst rasch in die volle Wachstumsphase kommen, braucht es aber noch politische Maßnahmen. Rechtliche Rahmenbedingungen, wie PKW-Flottenziele oder ein Enddatum für den Ausstieg von Öl- und Gasheizungen helfen wir genauso, wie der Ausbau von Netzen und Speichern und der Rückbau von Gasinfrastruktur.
Die Entscheidung, die Europa (und auch Österreich) jetzt treffen muss lautet also: wollen wir auf den Zug der Zukunftstechnologien aufspringen, Wettbewerbsfähigkeit aufbauen und Arbeitsplätze schaffen, oder in die industrielle Bedeutungslosigkeit abgleiten? Für mich ist die Antwort klar.
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und "Biodiversity, Conservation and Management" an der Universität Oxford. Sie ist Initiatorin von FridaysForFuture Österreich, Autorin, war Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Aktuell ist sie Vorständin des KONTEXT Institut für Klimafragen