Das eigene Pferd an Raubtiere verfüttern? Oder überzählige Häschen den Wildkatzen zum Fraß vorwerfen? Mit einem unorthodoxen Aufruf sorgt der Zoo von Aalborg in Dänemark bei Tierfreunden für einen Aufschrei. Was dahinter steckt, ob das bei uns möglich wäre.
Some say, "Eat or be eaten"
Some say, "Live and let live"
(Elton John "The Circle Of Life")
Die Nachricht sorgte Anfang der Woche für einen Aufschrei unter vielen Tierfreunden: Der Zoo von Aalborg in Dänemark wirbt offensiv um Spenden von lebenden Haustieren – vornehmlich von Pferden – um damit seine Raubtiere füttern zu können.
Für spendenfreudige Pferdebesitzer wird auf der Homepage des Zoos das korrekte Vorgehen in kalter Präzision beschrieben:
1. "Bei der Anmeldung des Pferdes müssen Sie Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer angeben.
2. Das Pferd darf eine Widerristhöhe von maximal 147 cm haben.
3. Das Pferd muss sich in einem transportsicheren Zustand befinden und darf in den letzten 30 Tagen nicht wegen einer Krankheit behandelt worden sein.
4. Das Pferd muss einen Pferdepass haben.
5. Das Pferd wird lebend in den Zoo von Aalborg gebracht, wo es von einem Tierpfleger und einem Tierarzt eingeschläfert und anschließend geschlachtet wird.
6. Der Aalborg Zoo erhält das Pferd als Spende. Als Besitzer können Sie den Wert des Pferdes steuerlich geltend machen.
Aber auch Kleintiere würden gerne angenommen, so die Aalborger weiter. "Wir nehmen auch Hühner, Kaninchen und Meerschweinchen werktags zwischen 10 und 13 Uhr an, jedoch maximal vier Tiere gleichzeitig. Wenn Sie mehrere Tiere gleichzeitig spenden möchten, kontaktieren Sie uns bitte, um eine Lieferung zu vereinbaren."
Das offensive Vorgehen des dänischen Zoos sorgt seither nicht nur unter Tierfreunden für Diskussionen: Ist es kalt und herzlos, oder einfach nur konsequent? Und: Sollte man als wahrer Tierfreund nicht immer das Gesamtbild im Auge behalten und das Wohlergehen möglichst aller Lebewesen als Ziel sehen? Motto: Wenn mein eigenes Tier schon gehen muss – aus welchen Gründen auch immer –, sollte es dann nicht wenigstens noch einen guten Zweck erfüllen?
Was von der unorthodoxen Aktion der Dänen zu halten ist, ob ein derartiges Vorgehen auch in Österreich möglich wäre und weshalb so gut wie alle Zoos auf der Welt ihren eigenen Tierbestand immer wieder reduzieren, indem sie überzählige Populationen "entnehmen" und auf den Speisezettel anderer Arten setzen – so steht es wirklich um das "Fressen und gefressen werden" in Österreichs Tierparks:
Noch einmal in aller Kürze: Der Tierpark von Aalborg macht was?
Die Dänen rufen auf ihrer Homepage dazu auf, den Zoo auch durch das Spenden von Pferden oder Kleintieren wie Hasen, Meerschweinchen oder Hühnern als Futtermittel für die Raubtiere zu unterstützen. "Auf diese Weise geht nichts verloren – und wir gewährleisten ein natürliches Verhalten, eine ausgewogene Ernährung und das Wohlergehen unserer Raubtiere", so der Zoo in seinem Aufruf, der auch auf Facebook veröffentlicht wurde.
Gibt es noch weitere Informationen dazu?
Sicher: "Auf diese Weise gewährleisten wir ein natürliches Verhalten, eine ausgewogene Ernährung und das Wohlergehen unserer Raubtiere", so die Verantwortlichen auf Facebook. Denn man habe "die Verantwortung", die natürliche Nahrungskette der Tiere nachzuahmen, "sowohl aus Gründen des Tierschutzes als auch der fachlichen Integrität".
Und wird das Angebot angenommen?
Es sieht danach aus. Wie der Spiegel berichtet, seien im Jahr 2025 bereits 137 Kaninchen abgegeben worden. Viele der gespendeten Tiere seien alt oder verletzt, darunter auch Pferde. Und es gäbe "auch viele, die das Interesse an ihren Haustieren verlieren, und dann können wir Menschen aus einer Zwickmühle herausholen", so der Direktor des Aalborger Zoos, Henrik Vester Skov Johansen.
Gab es so etwas vorher schon einmal?
Jedenfalls wäre es keiner breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Aber dänische Zoos gelten ohnedies als Vorreiter in Europa, was das Brechen von vermeintlichen Tabus in der Zootierhaltung betrifft.
Was ist damit gemeint?
Im Jahr 2014 wurde im Zoo Kopenhagen ein gesundes männliches Giraffenkalb namens Marius vor den Augen der Besucher getötet, zerlegt und schließlich an die Löwen des Zoos verfüttert. Und das einzig und alleine deshalb, weil das Tier von seinem genetischen Pool her nicht in das Zuchtprogramm des Zoos gepasst hatte und man nicht wollte, dass Marius einem anderen, "genetisch wertvolleren Tier" den Platz wegnehme, so der Direktor des Kopenhagener Zoos seinerzeit. Der Tierpark wurde damals von einem Online-Shitstorm ungeahnten Ausmaßes getroffen, der Direktor erhielt sogar zahlreiche Todesdrohungen.
Hatte der "Fall Marius" Nachahmer?
Es kommt jedenfalls seither öfter zu derartigen Aktionen, wenngleich auch selten von solcher medialen und gesellschaftlichen Resonanz. Im Zoo von Leipzig wurde 2023 ein Zebra-Bulle getötet und verfüttert. Und im Tierpark von Nürnberg wurden erst vor zwei Wochen insgesamt zwölf Paviane aus Platzmangel erschossen, was zu lautstarken Protesten von Tierrechtlern und der unangekündigten Schließung des Tierparks für einen Tag führte. Die Aktion, obwohl gut begründet und nach Aussage der Zoo-Direktion "alternativlos", wuchs sich für die Nürnberger zu einem veritablen PR-Desaster aus.
Kommt es immer zu lautstarken Protesten, wenn so etwas passiert?
Nein, anderen Tierparks gelingt es scheinbar, die Aufregung um solche Aktionen besser zu kontrollieren. So etwa der Zürcher Zoo, der 2024 drei Erdmännchen tötete an seine Hyänen verfütterte. Allerdings handelte es sich hier um weit weniger populäre Tiere in der Zoo-Hierarchie – welcher Besucher weiß schon genau, wie viele Erdmännchen sich da in den weitläufigen Bauten unter der Erde tummeln?
Aber zwischen geschlachteten Zootieren und dem eigenen Pferd, das den Raubtieren zum Fraß vorgeworfen wird, ist schon noch ein großer Unterschied …
Auf jeden Fall, zumindest auf der emotionalen Ebene. Dem Löwen ist es egal, ob sein Snack zuvor im Nachbargehege gestanden oder jahrzehntelang mit seinem Besitzer durch dick und dünn gegangen ist. Aber das Spektrum der Tierbesitzer ist vielfältig. Und zwischen jenen, die ihr Pferd für den letzten Weg noch einmal auf seine Lieblingsweide führen und bei ihm bleiben, bis kein Lebenszeichen mehr spürbar ist, und solchen, die sagen "ich habe mein Pferd doch nicht zum Streicheln, wenn es alt oder verletzt ist weg damit" gibt es alle emotionalen Schattierungen. Das kann nur jeder für sich selbst ausmachen.
Wie ist die Situation in Österreich?
Was das Spenden von lebenden Haustieren als Raubtierfutter für Tierparks betrifft, ist die Lage hierzulande eindeutig: Es ist nicht erlaubt. Wobei Bestimmungen aus dem Tierschutzgesetz, dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht sowie dem Tierkörperverwertungsgesetz zur Anwendung kommen.
Heißt konkret?
Dass Tiere, die nicht für den menschlichen Verzehr geschlachtet, sondern als Futtermittel für Raubtiere verwendet werden sollen, rechtlich als "tierische Nebenprodukte" gelten. Und auch diese müssen in einem zugelassenen Schlachthof oder Schlachtbetrieb getötet und zerlegt werden, ehe sie verfüttert werden dürfen. Private Spenden lebender Tiere zur Schlachtung im Zoo sind nicht erlaubt.
Man hört aber immer wieder Geschichten …
Ja, und viele davon sind aufgrund der Quellenlage auch recht glaubwürdig. Andererseits wäre ein zugelassener Tierpark, der oftmals auch öffentliche Förderungen erhält, schlecht beraten, für eine überschaubare Ersparnis im Futtermittelbereich seinen Status und sein Ansehen zu gefährden.
Was sagen die österreichischen Tierparks selbst zum Thema Lebendtier-Spenden?
Vorweg: Viele Tierparks reagierten auf Nachfragen heimischer Medien zum dänischen Spendenaufruf höchst schmallippig, nur wenige wollten sich konkret dazu äußern. Es herrscht offenbar Einigkeit darüber, dass Maßnahmen und Entscheidungen anderer Tierparks generell nicht öffentlich kommentiert werden.
Aber gab es Stellungnahmen zur Sache?
Für den Wiener Tiergarten Schönbrunn wurde die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, Johanna Bukovsky, deutlich: "Wir nehmen für unsere fleischfressenden Tiere keinerlei Tiere von Besucherinnen und Besuchern an! Die Fleischlieferungen an den Tiergarten Schönbrunn kommen von regionalen Lieferanten." Und für den Zoo Hellbrunn in Salzburg kommentierte Pressesprecherin Ulrike Ulmann die Causa: "Für die letzten fünf Jahre kann ich mit Sicherheit sagen, dass es diesbezüglich keine Anfragen gab. Und für den Zoo Salzburg wäre so etwas ohnehin nicht denkbar."
Wie wird der Fleischbedarf der Raubtiere dann gedeckt?
Bei offiziellen, regionalen Fleischlieferanten. Für Schönbrunn (etwa 6.000 Tiere aus 518 Arten) werden etwa pro Woche 500 Kilo Fleisch von Rind, Pferd, Geflügel und Kaninchen "am Knochen" angeliefert, also mitsamt der Knochen und Knorpeln. Vieles davon ist nicht frisch, sondern tiefgekühlt. In Salzburg (1.600 Tiere, 150 Arten) sind es etwa 270 Kilo Fleisch pro Woche. Wobei Sprecherin Ulrike Ulmann explizit darauf hinweist, dass der Zoo auch viele Tiere verfüttert, die für die Produktion von Lebensmitteln für Menschen herausfallen, also etwa Eintagesküken oder männliche Ziegen und Lämmer.
Klingt kostspielig?
Die Futterkosten in Schönbrunn liegen bei etwa 90.000 Euro monatlich. Wobei das Fleisch nur etwa acht Prozent dieser Summe ausmacht. Bei weitem am kostspieligsten sind die Bambus- und Eukalyptuslieferungen für die Pandas und Koalas – diese betragen alleine ein knappes Viertel der gesamten Futterkosten.
Die Tiere bekommen möglichst große Teile, um sie selbst zu zerlegen?
Ja, wobei die Größe der Fleischportionen natürlich von der Größe der Beutegreifer abhängt. Aber das Zerlegen größerer Beutetiere ist ein wichtiger Bestandteil der Beschäftigung für die Zootiere und entspricht ihrem natürlichen Verhalten – es fördert unter anderem Muskulatur und geistige Aktivität. Oft werden dann noch zusätzliche Methoden in die Fütterung eingebaut, um den Jagdinstinkt und die natürlichen Verhaltensweisen der Tiere zu fördern.
Weshalb gibt es keine Lebendtierfütterungen?
Das Füttern lebender Wirbeltiere ist in Österreich gesetzlich verboten.
Und wie sieht es mit der Verfütterung von überschüssigen Zootieren an Raubtiere aus?
Das ist, soweit es sich sagen lässt, bei den österreichischen Zoos meistens das letzte Mittel der Wahl, um Überpopulationen zu regulieren, aber es kommt vor. Zunächst versuche man, gelindere Mittel zu finden, um einen Überbesatz zu regulieren, so Schönbrunn-Sprecherin Johanna Bukovsky. Gute Populationsplanung sei das Um und Auf, so die Pressesprecherin. Würden die Gehege dennoch nicht ausreichen, werde danach getrachtet, überzählige Tiere an andere Zoos zu vergeben oder – wenn es möglich sein sollte – auszuwildern.
Wenn das alles nicht geht, wird aber geschossen?
"Entnahmen aus dem Bestand" seien in Schönbrunn sehr selten und beträfen vor allem Ziegen, Schafe, Antilopen und Kaninchen, so die Sprecherin. Pro Jahr würden in Wien etwa 40 Tiere auf diese Art "entnommen und dem natürlichen Nahrungskreislauf zugeführt", sprich an die Raubtiere des Zoos verfüttert. In Salzburg seien es etwa die Hälfte, also vielleicht 20 Tiere pro Jahr, so Sprecherin Ulrike Ulmann. Und auch hier geht es primär um Schafe und Ziegen und gelegentlich etwa ein Pekari, also eine südamerikanische Schweineart.
Und wenn Tiere im Zoo an Altersschwäche sterben oder eingeschläfert werden müssen?
Dann kommt erst einmal der Pathologe zum Zug und untersucht, woran das Tier letztlich erkrankt war oder gestorben ist. Und nur, wenn es gesundheitlich unbedenklich erscheint, werden auch diese Zoo-Pensionisten "dem natürlichen Nahrungskreislauf zugeführt", sprich verfüttert – quasi als letzter Dienst an der tierischen Zoogemeinschaft.