BOOM DANK KI
Höhenflug, nun 430 Milliarden futsch: Was hinter Nvidia-Krimi steckt
Seit Jahresbeginn ein Plus von 140 Prozent, nun minus 13 Prozent in drei Tagen: Geld-Profi Monika Rosen analysiert die Berg-und Talfahrt des Microchip-Herstellers Nvidia.
Wir schreiben das Jahr 1999. Die USA sind im Technologie-Fieber, die Tech-Börse Nasdaq eilt von Rekord zu Rekord. Auch ein relativ unbekannter Halbleiterhersteller namens Nvidia – der Name kommt übrigens vom lateinischen Wort für Neid und wird "Invidia" ausgesprochen – wagt den Sprung aufs Parkett.
Das Börsendebüt ist durchaus erfolgreich, aber es sollte noch dauern, bis Nvidia zum unangefochtenen Börsenstar wurde. Erst der Hype um die Künstliche Intelligenz rund 20 Jahre später macht den Durchbruch an die Spitze möglich. Mit einer Marktkapitalisierung von zwischenzeitlich über 3 Billionen Dollar wurde Nvidia 2024 zum größten börsennotierten Unternehmen der Welt. Wie kam es dazu? Und wie nachhaltig kann der Hype rund um die Künstliche Intelligenz die US Tech-Aktien noch befeuern?
In einem Satz zusammengefasst: was ist das Geheimrezept von Nvidia?
Das Unternehmen erzeugt leistungsstarke Chips, ursprünglich zum Beispiel für Videospiele. Microsoft gehörte mit seiner Xbox zu den ersten Kunden von Nvidia, Sony zog mit der Playstation nach. Diese starken Chips wurden aber erst so richtig unentbehrlich mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz. Heute hat Nvidia bei KI Chips einen Marktanteil von 80 Prozent, man kommt derzeit an dem Unternehmen also wirklich nicht vorbei.
Wer steckt hinter Nvidia?
Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1993 von drei Männern. Curtis Priem, einem Erfinder, der bereits 2003 wieder ausstieg. Chris Malachowsky, einem studierten Elektroingenieur, der nach wie vor bei Nvidia tätig ist. Und Jen-Hsun "Jensen" Huang, der seit der Gründung als CEO fungiert. Er wurde auf Taiwan geboren und kam mit fünf Jahren in die USA. An seinem 30. Geburtstag gründete er gemeinsam mit Priem und Malachowsky Nvidia. Huang (60) trägt sogar das Logo der Firma als Tattoo am Oberarm.
War Nvidia immer schon erfolgreich?
Ganz im Gegenteil, die Entwicklung des Unternehmens war lange ein Auf und Ab. Auch wenn Nvidia stetig an neuer Software für andere Aufgabenbereiche arbeitete, wurde man an der Börse primär als Hersteller von Gaming-Komponenten gesehen. Erst mit der Entwicklung von KI-Anwendungen in den 2010er-Jahren begann der große Durchbruch des Unternehmens. Erst die spezielle Architektur der Nvidia-Chips ermöglichte viele parallele Rechenoperationen – die Grundvoraussetzung für KI. Seither geht es mit dem Unternehmenswert von Nvidia unablässig bergauf.
Wie hat die Börse auf all das reagiert?
Mit einem beispiellosen Boom. Bis vergangene Woche legte die Aktie von Nvidia seit Jahresbeginn 2024 über 140 Prozent zu, seit Ende 2022 verneunfachte sie sich in der Zeit. Dieser Kursanstieg katapultierte sie an die Spitze der Börsenliga. Ende Juni löste sie Microsoft (wenn auch nicht dauerhaft) als größte Aktie der Welt ab. Damit wurde das Rennen um den Spitzenplatz an der Börse auf drei Unternehmen ausgeweitet, nämlich Apple, Microsoft und eben jetzt auch Nvidia.
Was ist jetzt passiert?
Innerhalb von drei Tagen stürzte der Kurs der Aktie um 13 Prozent ab. 430 Milliarden Dollar an Marktwert gingen verloren, das ist beispiellos. Nvidia ist nun nicht mehr das wertvollste an der Börse gehandelte Unternehmen der Welt – Apple und Microsoft zogen vorbei.
Was ist der Grund für die Entwicklung?
Einerseits natürlich Gewinnmitnahmen, viele Aktienbesitzer haben Kasse gemacht. Anderseits hat Nvidia große Käufer mit seiner Chippolitik verunsichert. Das Unternehmen hatte vor rund einem Jahr "Hopper" auf den Markt gebracht, im März 2024 dann das Nachfolgeprodukt "Blackwell" vorgestellt. Es soll ab Herbst in großen Stückzahlen produziert werden und doppelt so leistungsfähig sein wie der Vorgänger. "Amazon Web Service", der weltweit größte Cloud-Computing-Anbieter, hat deshalb seine Pläne über den Haufen geworfen. Eine Großbestellung für "Hopper"wurde abgeblasen, man wolle lieber auf "Blackwell" warten, hieß es.
Warum ist das ein Problem?
Weil Nvidia sich damit ins eigene Fleisch geschnitten hat. Die "alte" Chipgeneration verkauft sich nicht mehr so gut, weil viele auf die neue Generation warten wollen. Analysten von Morgan Stanley warnten schon im Mai laut "Financial Times" vor einer "Investitionspause" vor der Markteinführung von "Blackwell".
Musste man die Entwicklung als Blase ansehen?
Ja und nein. Nein, weil die Anstiege bei Umsatz und Gewinn von Nvidia so massiv sind, dass sie die Kursanstiege der Aktie durchaus rechtfertigen. Aber es gab schon auch warnende Stimmen.
Was sagten die?
Die Warnungen bezogen sich einerseits auf die Frage, wie lang Nvidia diese dominante Stellung innerhalb des Halbleitersektors noch verteidigen kann. Und bei den aktuellen Kursrückgängen scheiden sich auch die Geister. Einige sehen sie als Kaufgelegenheit, andere eher als Indiz dafür, dass auch Nvidia irgendwann in der (Börsen-) Realität ankommt. Ganz grundsätzlich machen sich nicht wenige Experten Sorgen bezüglich der Tatsache, dass die aktuelle Rallye an der US Börse eigentlich nur von einigen wenigen riesigen Tech-Aktien (u.a. natürlich Nvidia) getragen wird. Wenn sich die Anstiege nicht auf mehr Sektoren verbreitern, könnte das schon zu einer deutlicheren Korrektur führen.
Gibt es dazu ein paar Zahlen?
Klar! Der breite US Leitindex S&P 500 hat seit Jahresbeginn ca. 14 Prozent zugelegt. US Tech-Aktien können auf einen Anstieg von über 28 Prozent verweisen. Die Versorger als bester Nicht-Tech-Sektor sind heuer mit etwas über 9 Prozent im Plus. Nicht schlecht, aber Tech-Werte haben eben dreimal so viel vorzuweisen.
Man kann die Konzentration der Rallye auch noch auf eine andere Weise darstellen. Rund 60 Prozent des heurigen Anstiegs im S&P 500 werden von nur fünf Aktien getragen: Nvidia, Microsoft, Meta (Facebook), Alphabet (Google) und Amazon.
Die Gretchenfrage lautet natürlich: soll man die Aktie von Nvidia jetzt kaufen?
Wie ich immer wieder betone, gibt es auf derartige Fragen keine allgemein gültige Antwort. Jeder Anleger und jede Anlegerin muss sich über Faktoren wie Risikobereitschaft, Zeithorizont und Anlageziel klar werden, am besten in einem fundierten Beratungsgespräch.
Davon abgesehen bringt ein Engagement in einer einzelnen Aktie immer ein erhöhtes Risiko mit sich, vor allem im Vergleich mit einem Fonds, der in viele verschiedene Aktien investiert. Nivdia ist in seiner Börsengeschichte schon dreimal jeweils über 50 Prozent abgestürzt. Auch das sollte man wissen.
Und wie sind die Aussichten bei US Aktien allgemein zu bewerten?
Wie bereits erwähnt, halten viele Experten die starke Fokussierung des Anstiegs auf Tech-Aktien für etwas überzogen. Wenn mehr Sektoren bzw. Aktien von der Rallye erfasst würden, wäre das sicher eine langfristig gesündere Bewegung. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen dabei auch eventuelle Zinssenkungen seitens der US Notenbank. Derzeit erwartet die Mehrzahl der Beobachter eine erste US Zinssenkung frühestens im September.
Der ursprüngliche Artikel wurde am Dienstag upgedatet.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen