Nach einem eher kühlen und kurzen Sommer steigen die Corona-Infektionszahlen derzeit wieder rasant an. Wie viele Menschen im Moment mit Corona im Bett liegen, wie viele noch dazukommen könnten – und wie eine Infektion mit dem aktuellen Virus so verläuft.
Es braucht keinen detektivischen Spürsinn, um zu erkennen, dass gerade gefühlt halb Österreich hustet, schnupft und fiebert. Ein verhältnismäßig kurzer, kühler und feuchter Sommer und zuletzt ein vehementer Herbsteinbruch haben wohl dazu beigetragen, die Infektionszahlen in den vergangenen Tagen rapide in die Höhe zu treiben.
Neben grippalen Infekten, sind es vor allem Corona-Infektionen, die derzeit für Ausfälle sorgen. Und das nachhaltig. Denn der aktuelle Virusstamm macht sich bei Infizierten oft auch noch nach Tagen und Wochen unangenehm bemerkbar – selbst nachdem sie negativ getestet worden sind. Was Sie über die aktuelle Corona-Welle wissen müssen und ob Sie sich impfen lassen sollten – der Überblick:
Wie viele Menschen sind derzeit mit Corona infiziert?
Laut Österreichischer Gesundheitskasse ÖGK waren in der vergangenen Woche (Kalenderwoche 39) 3.113 Menschen wegen einer akuten Corona-Infektion krankgeschrieben. Das sind über 800 Menschen mehr als noch in der Woche davor. 99 Personen wurden nach bisherigem Stand wegen ihrer Corona-Infektion zudem in Krankenhäusern stationär aufgenommen. In der Woche davor waren es 144 Neuaufnahmen wegen Corona, vier dieser Personen mussten auf die Intensivstation.*
Wie verlässlich ist diese Zahl?
Sie gibt einen groben Überblick über die tatsächliche Situation, nicht mehr. Denn Corona ist seit Mitte 2023 nicht mehr meldepflichtig. Heißt es muss auch nicht mehr getestet werden. Und damit ist in Wahrheit vollkommen unklar, wie viele Menschen, die sich derzeit krank fühlen und mit Husten und Schnupfen herumlaufen, tatsächlich das Corona-Virus in sich tragen – und möglicherweise verbreiten.
Gibt es keinen anderen Indikator?
Doch, das Abwasser-Monitoring. Nach wie vor werden die Abwässer in ganz Österreich auf Spuren des Corona-Virus hin gescannt. Anhand dessen lässt sich ziemlich exakt feststellen, wenn die Virus-Verbreitung in der Bevölkerung zunimmt.
Und was sagt dieser Abwasser-Monitor?
Dass die Zahl der Menschen, die das Corona-Virus in sich tragen, seit August wieder deutlich zunimmt. Derzeit haben wir allerdings noch nicht die Verbreitungszahlen vom letzten Oktober erreicht. Vergangenes Jahr lag die Virenkonzentration im Abwasser zum selben Zeitpunkt noch einmal um gut 50 Prozent über dem aktuellen Wert.
Weiß man, welche Virus-Variante derzeit am aktivsten ist?
Ja, der aktuelle Stamm nennt sich XFG und stammt aus der Omikron-Virusfamilie. Drei Viertel aller im Abwasser festgestellten Viren gehören derzeit zu diesem Typus.
Wo gibt es die höchste Coronavirus-Konzentration?
Derzeit eindeutig in Wien, hier ist die Virenkonzentration im Abwasser aktuell fast viermal so hoch wie im Burgenland.
Ist das ungewöhnlich?
Wien liegt fast jedes Jahr weit vorne, was die Virenfracht im Abwasser betrifft, so groß wie heuer war der Abstand zu den übrigen Bundesländern allerdings schon lange nicht. Der Statistiker und emeritierte Universitätsprofessor Erich Neuwirth bietet auf seiner Homepage einen gut aufbereiteten und immer aktuellen Überblick über die Abwasser-Monitoring-Daten aus ganz Österreich.
Wie viele Menschen sind derzeit wegen Corona im Krankenhaus?
Österreichweit liegen derzeit 99 Personen aufgrund ihrer Corona-Infektion im Spital, jedoch keiner auf einer Intensivstation. Zum Vergleich: Vor exakt einem Jahr waren 810 Personen in Spitalsbehandlung, 25 davon auf der Intensivstation.
Was bedeutet das?
Dass unser Körper offenbar immer besser mit Corona zurechtkommt. "Unser Immunsystem hat sich über die Jahre für das Corona-Virus trainiert", sagt der Virologe Andreas Bergthaler von der MedUni Wien, der zu den bekanntesten Corona-Experten Österreichs zählt. "Und zwar einerseits über die Impfungen, und andererseits über Infektionen. Das bedeutet, dass es inzwischen gut genug ist, um schwere Erkrankungen in der Regel zu verhindern."
Weshalb stecken wir uns trotzdem mit Corona an?
"Weil das Immunsystem zwar mit dem Virus zunehmend besser zurecht kommt, aber die Infektion in den Atemwegen trotzdem nicht ganz verhindern kann", so Andreas Bergthaler. Das bedeute in weiterer Folge, dass man als Überträger des Virus nach wie vor in Frage kommt, auch wenn gesunde Organismen in der Regel vor schweren Krankheitsverläufen mittlerweile gut geschützt seien.
Haben wir bereits den Gipfel der momentanen Infektionswelle erreicht?
"Das ist derzeit noch nicht exakt abzusehen", sagt Virologe Bergthaler. Erst in den nächsten Wochen werde sich zeigen, ob die Infektionskurve noch weiter ansteigt oder langsam wieder abflacht. Die Zahl der Erkrankten wird aber zumindest noch einige Wochen lang auf dem aktuellen Niveau bleiben oder noch weiter zunehmen – mit oder ohne Symptomen.
Newsflix-Redakteur Martin Kubesch erkrankte selbst vor zwei Wochen an Corona. Wie er die Infektion erlebte, wie lange er positiv war und wie rasch der Körper nach überstandener Infektion regeneriert – der Erfahrungsbericht:
Wie sich die Infektion ankündigte
"Definitiv anders als beim ersten Mal im Jahr 2021. Damals kam es blitzartig – von 'alles paletti' auf 'ich will nur noch schlafen' binnen weniger Stunden. Diesmal bereitete mich mein Immunsystem langsam auf das Unvermeidliche vor. Bereits Tage, ehe der Antigentest aus der Apotheke die Infektion bestätigte, fühlte ich mich elend, war abgeschlagen, müde, hatte Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen."
Wie lange das Virus nachweisbar blieb
"Acht Tage lang war die Viruslast im Körper so hoch, dass der Apothekentest sie nachweisen konnte, erst am neunten Tag verschwand der zweite Streifen vom Test-Display."
Welche Symptome waren spürbar?
"Vor allem Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit. Ich hätte auch 16 Stunden am Tag schlafen können."
Welche Medikation verschrieb der Arzt?
"Mexalen gegen die Gliederschmerzen und das Fieber, ein Mittel für die Nase, um das Niesen zu unterbinden ('Dabei verbreitet man die meisten Viren!') und beruhigende Halspastillen bis zum Abwinken."
Wie hoch stieg das Fieber?
"Das war besonders merkwürdig. Morgens hatte ich jeden Tag Untertemperatur, keinen Tag über 35,8, der niedrigste Wert war einmal 34,8 Grad. Am Nachmittag stieg die Temperatur dann oft sprunghaft an, 38 Grad und auch darüber. Am nächsten Tag das selbe Spiel."
War danach alles wieder gut?
"Kann man nicht sagen. Fünf 'negative' Tage lang fühlte ich mich weiterhin wie ein Patient. Vor allem der Husten war extrem hartnäckig, auch erhöhte Temperatur kam dazu. Erst am Tag 6 nach dem negativen Testbefund hatte ich das Gefühl, dass jetzt alles wieder passt."
Ist solch ein Verlauf prototypisch?
"Wenn man sich umhört, dann scheint es tatsächlich vielen Infizierten derzeit ähnlich zu gehen. Vor allem, dass Hals und Atemwege in Mitleidenschaft gezogen werden, scheint eine 'Spezialität' der aktuellen Corona-Virusvariante zu sein, wie auch Ärzte bestätigen. Andererseits hört man aber auch Berichte von Infizierten, die kaum Symptome haben und sich auch nicht sonderlich krank fühlen."
Bestand jetzt ein Corona-Impfschutz?
"Nein, die letzte Corona-Impfung hatte ich im Herbst 2023, es war seinerzeit meine vierte Corona-Impfung. Meine beiden Corona-Infektionen hatte ich jedes Mal zu einem Zeitpunkt, als definitiv kein Impfschutz bestanden hat."
Die Frage, die sich mittlerweile jedes Jahr um diese Zeit aufdrängt. Wenn man die generelle Diskussion um Schutzimpfungen aber von der emotionalen Komponente entkoppelt und sich auf die rationalen Aspekte konzentriert, ergibt sich ein klares Bild:
Corona-Schutzimpfung ja oder nein?
Das Nationale Impfgremium Österreichs, eine breite Expertenrunde, die im Gesundheitsministerium angesiedelt ist, empfiehlt auch weiterhin eine Corona-Impfung als Schutz vor schweren Krankheitsverläufen.
Wie alt muss man sein für eine Corona-Schutzimpfung?
Impfungen werden ab dem 6. Lebensmonat angeboten und vom Impfgremium empfohlen. Vor allem Menschen über 60, die einer Risikogruppe angehören oder im Gesundheitsbereich arbeiten, sollten sich demnach unbedingt impfen lassen.
Was kostet die Impfung?
Nichts, sie wird auch heuer für alle Bürger gratis angeboten. Alle Details dazu, wie man zu einer Gratis-Corona-Impfung kommt, finden sich auf der Homepage impfen.gv.at des Gesundheitsministeriums.
Braucht immer noch jeder eine Corona-Schutzimpfung, um wirklich sicher zu sein?
Dazu gehen auch bei Experten die Meinungen auseinander. "Ich persönlich würde nicht jedem von vorne herein eine Auffrischung mit der Corona-Schutzimpfung empfehlen", sagt dazu Corona-Experte Andreas Bergthaler von der MedUni Wien. "Für alle Menschen aus vulnerablen Gruppen, also beispielsweise Personen ab 60 Jahren oder mit metabolischen und kardiovaskulären Vorerkrankungen, ist die Impfung ein empfehlenswertes Angebot. Für gesunde Personen bleibt es eine individuelle Entscheidung."
Ist man für die nächste Zeit immun, wenn man gerade erst eine Corona-Infektion durchgemacht hat?
Dazu Virologe Andreas Bergthaler von der MedUni Wien: "Zumindest gibt es dann keinen unmittelbaren Grund für eine Impfung. Denn immunologisch gesehen wurde das Immunsystem gerade durch die aktuelle Infektion trainiert. Da ändert es nicht viel, ob Sie dann noch eine Impfung drauf setzen oder nicht."
Was ist von der Kombination von Corona- und Influenza-Schutzimpfung zu halten?
"Das ist auf jeden Fall sinnvoll", so Virologe Andreas Bergthaler. Vor allem für ältere Personen und andere Risikogruppen sei die Influenza-Schutzimpfung sehr zu empfehlen, so der Universitätsprofessor.
Wie viele Menschen lassen sich aktuell impfen?
In der vergangenen Woche wurden in Österreich knapp 10.500 Corona-Schutzimpfungen verabreicht. Insgesamt haben derzeit 425.000 Personen in Österreich einen aufrechten Impfschutz gegen Corona, wurden also in den letzten 12 Monaten geimpft. Gegen Influenza haben sich in den letzten 12 Monaten etwa 960.000 Personen impfen lassen.
Ist die Influenza-Schutzimpfung auch gratis?
Ja, genau wie die Corona-Schutzimpfung, ist auch der Influenza-Schutz im Rahmen des öffentlichen Impfprogramms kostenlos.
Wie lange hält der Impfschutz?
Einige Monate, je älter der Impfschutz ist, desto weniger effektiv wirkt er gegen Infektionen.
Gilt das auch für Influenza?
Ja, deshalb sollte die Influenza-Schutzimpfung immer möglichst kurz vor der "Influenza-Saison" gegeben werden, die ihren Höhepunkt üblicherweise rund um den Jahreswechsel hat.
Soll man also Corona und Influenza getrennt impfen?
Das kann man, muss man aber nicht zwingend. Virologe Andreas Bergthaler: "Es ist sicher nicht falsch, sich jetzt schon eine Corona-Impfung zu holen, wo die Fallzahlen im Ansteigen sind. Und die Influenza-Impfung dann ein paar Wochen später, wenn für gewöhnlich die Grippewellen erwartet werden. Aber wer nur einmal impfen gehen will, macht nichts falsch, die Impfungen zu kombinieren."
Gibt es ein Kombi-Präparat, bei dem man nur einmal gestochen werden muss?
Nein, das gibt es bislang noch nicht. Wer sich beide Schutzimpfungen zum selben Zeitpunkt geben lässt, bekommt in jeden Arm eine Spritze. Für die Wirksamkeit der Präparate macht die Doppel-Impfung aber keinen Unterschied.
* Am 2. Oktober um 13.30 Uhr korrigiert