Wenn die bessere Hälfte nur die Hälfte ist – und entsprechend nur die Hälfte isst –, können sich daraus interessante Gespräche ergeben. Wo lässt sich darüber trefflicher sinnieren, als an der oberen Adria, finden Die Cuisinière & Der Connaisseur. Und wählten Istrien als Ziel.
Einmal mehr zog es die "kultigen Gourmet-Kritiker" (so Kopfnüsse-Erfinder Christian Nusser) in des Ost-Österreichers liebste Urlaubsregion, nach Istrien. Der Cuisinières vermutliche Urlaubspläne antizipierend, beschloss Der Connaisseur, eine weitere eigene kulinarische Istrien-Erkundungsreise einzuschieben.
"Du willst wohl wieder die Nase vorne haben", ätzte Die Cuisinière, als sie von seinem Plan erfuhr. Und so zog es ihn mit Cabriolet, zwei E-Bikes auf der Anhängerkupplung und "der besten Ehefrau von allen"– so Friedrich Torberg frei nach Ephraim Kishon (im Original הטובה בנשים כולן) - zuvorderst Richtung Piran, das ja bekanntlich noch in Slowenien liegt.
"Anfang Juni ist es dort noch nicht so überlaufen, man kann die Promenade und das Meer genießen – und bekommt auch noch kurzfristig einen Platz in den besten Restaurants", post-rationalisiert Die Cuisinière. Und wo sie recht hat, hat sie recht. Diesfalls kam der Tipp von Drea und O., Freunden, die von den zehn besten Lokalen Europas wahrscheinlich elf kennen, vom Noma bis zum Disfrutar und retour. Vom COB hatten sie nur gehört, waren aber noch nicht dort. "Ein weiterer Anreiz also für dich", ätzte Die Cuisinière erneut.
Also auf die Räder geschwungen und die kurze Strecke von Piran ins mondän wirken wollende Portorož und hinauf auf den Hügel, wo die leichte Motorisierung dazu beitrug, nicht völlig echauffiert in einem der besten Restaurants Sloweniens anzukommen. Auch wenn ein Hotel angeschlossen ist, will man sich doch nicht vor dem Abendessen nochmals duschen müssen.
Das Entree des COB: beeindruckend, modern designt, mit Blick über Portorož aufs Meer. Besser könnte so ein Kurztrip nach Istrien gar nicht beginnen. Ein freundlicher Empfang und schon wird man auf die Terrasse an einen Hochtisch mit Blick über den Golf von Piran dirigiert, um den Aperitif einzunehmen.
Geboten wird ein Acht-Gang-Menü (zu 175 Euro sowie eine Erweiterung um drei Gänge um weitere 50 Euro). "Positiv aufgefallen: die Erweiterung muss nicht tischweise sein", berichtet Der Connaisseur. Auch Die Cuisinière hält das für "eine leider gängige Unsitte, keine Differenzierungen und Auswahl zu erlauben, wenn EIN Menü für die gesamte Gesellschaft zu ordern ist".
Filip Matjaž möchte seinen Gästen eine Geschichte über die Küchenkultur Istriens erzählen, weswegen die Abkürzung COB auch für "Cooking Outside the Box" steht. Ein vielleicht etwas sperriger Name für ein Restaurant. Jedenfalls führt diese Reise durch viele Länder, die der junge Chef, der seit 2022 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, bereist hat.
Jeder Gast erhält – in der Optik dem echten Dokument folgend - einen "kulinarischen Reisepass". Die Hoffnung, mehr als nur einen Stempel je gastronomisch besuchtem Land zu bekommen, blieb allerdings unerfüllt. Die Chance, auf diese Art mehr über die servierten Gerichte zu erfahren, wurde leider nicht genützt.
Die üblichen Grüße, in diesem Fall ein origineller Brotwürfel und Kraški pršut, der heimische Schinken, werden am Hochtisch mit Blick über das Städtchen eingenommen. Für die "Weltreise" wird man dann in den offenen, luftigen Speiseraum gebeten. Erster Stopp in diesem Lokal mit coolem Ambiente und nur 36 Plätzen ist Portugal, mit einer speziellen Interpretation einer Gazpacho mit viererlei istrischen Paradeisern.
Wir lernen rasch: Wichtig sei dem Spitzenkoch, "die Inspirationen auf der ganzen Welt zu holen", aber die "Umsetzung mit starken, lokalen Produkten" zu schaffen. So haben ihn in Mexiko das Strandessen und die Tacos fasziniert, daraus wurde daheim eine Tortilla mit Artischocke und Thunfisch aus der Adria – logisch.
Eines der drei zusätzlichen Signature-Dishes (die 50 Euro Aufpreis, Sie erinnern sich) von Filip Matjaž ist ein Germteigknöderl als Zwischengericht, mit Fasan-Farce gefüllt, genannt Fritule, aber eben nicht süß.
Next Stop Tokio. Dort hat sich der Chef zu einer Ramen inspirieren lassen, natürlich aus Boskarin-Rinderripperln.
Als nächste Destination wird Kroatien (keine zehn Kilometer entfernt) angesteuert, hier stammen mütterlicherseits die Scampi na Buzaru und großartige Jakobsmuscheln her.
Die Mischung aus Erlebnisgastronomie, Interaktion und Nachhaltigkeit sieht man auch hier: die Muschel ist selbst zu öffnen und der Schwamm ist nicht zum Lutschen, sondern zum Finger putzen. Es werden Bilder komponiert und alle Sinne angesprochen. So verströmte der erwähnte Schwamm Gerüche von Kräutern der Gegend. Die Jakobsmuschel wird mit Brot verschlossen und im Salzbett gebrannt.
Weiter geht's nach Italien: eine Pasta-Kugel mit Trüffel, Olivenöl und Ziegenmilch. Geschmacklich erneut ein Hammer!
Mittlerweile ist die Sonne über der Bucht von Piran mit Blick Richtung Umag und Novigrad untergegangen, das Storytelling wird fortgesetzt, und der nächste Gang ist aus der Zeit, als Matjaž in Barcelona gekocht und am Strand Paella gegessen hat, woraus dann an diesem Abend eine Crema catalana wurde. Klingt nicht nur spannend, isst sich auch so. "Unsereiner würde Milchreis sagen", hat Die Cuisinière nach Betrachtung des Fotos nicht unrecht.
Von den USA inspiriert, kommt als nächstes ein Brisket vom Mangalitza-Schwein mit Süßkartoffel-Chips, Prosciutto und Popcorn auf den Tisch. "Seit wann isst du Schweine-Brust?", wundert sich die zurückgelassene Cuisinière. "Job ist Job", antwortet er darauf ganz auf cool. An seinem Gesichtsausdruck erkennt sie allerdings, sein Lieblingsstück wird das grobfaserige Fleisch nicht mehr.
Mit den besten Olivenöl-Produzenten der Region wurde im COB das Dessert entwickelt: nur im 50-Euro-Aufpreis-Supplement enthalten sind diese drei verschiedenen, mit einer Art weißer Schokolade ummantelten Olivenöle.
Auch ein China-Aufenthalt findet in der Speisenfolge des COB Platz: Dim Sum in drei verschiedenen Saucen - Cottage Käse, Rum-Rosinen und Rosenwasser (in Slowenien sehr heimisch).
Ja, mit Blick über die Adria wird hier "slow food at it's best" geboten und schon auf der Homepage wird darauf hingewiesen, dass man sich zumindest 150 Minuten Zeit für das Menü nehmen sollte, es dürfen aber auch mehr sein. "So soll es auch sein!", akklamiert Die Cuisinière.
Neben einem ausgezeichneten Service, erläutert auch der junge, mehrfach ausgezeichnete Koch, der in der vierten Generation gastronomisch in Portorož tätig ist, gerne Details zu seinen Tellern.
Und ein origineller Abschluss wird auch noch geboten: als Post-Dessert gibt es Zahnbürste, Zahnpasta und eine prickelnde Minze-Sauce als Finale und Abschluss.
Das Menü im COB wird einmal im Jahr gewechselt. Das hier beschriebene ist vom heurigen Frühjahr, es gibt also noch viele Gelegenheiten, diese spannende Weltreise auf istriotisch zu genießen.
"Und wenn man dort keinen Tisch bekommt?", fragt Die Cuisinière nach Alternativen, in der Erwartung, keine Antwort zu bekommen.
Doch weit gefehlt. Natürlich hat Der Connaisseur noch weitere Möglichkeiten erkundet, z.B.: das Rizibizi, direkt am Strand von Portorož mit Blick direkt aufs Meer. Mit dem Bib Gourmand dekoriert, allerdings – auch wenn das Essen überdurchschnittlich war – mit der Anmutung einer Strandbar, beginnend bei der lauten Musik. Positiv: Die kompetente Bedienung und eine durchaus spannende Weinkarte.
Geboten werden vier Degustations-Menüs zwischen 60 Euro und 90 Euro. Das Thunfischtartar mit Traubencreme und Wasabi war sehr schmackhaft, auch der lauwarme Oktopus mit weißem und grünem Spargel, oder das Schokolade-Soufflé haben gefallen.
Weiter geht die Erkundung ins kroatische Istrien, in die Gegend um Novigrad.
"Sag, stimmt das, dass DU dort das Lighthouse-Festival besucht hast?", zeigt sich Die Cuisinière völlig ungläubig, fast schockiert. "Darüber möchte ich jetzt weniger sprechen", war seine knappe Antwort. "Es war eine tolle Familienfeier mit viel Bass rundherum und einem bemerkenswerten Bibiza-Auftritt."
Aber nur ein Nebeneffekt, erläutert er weiter, denn der Grund war, herrliche Radausflüge entlang der Parenzana zu unternehmen. Und das Marina in Novigrad zu besuchen. Sie schenkte ihm wenig Glauben.
Mit einem schönen Balkon im etwas ruhigeren Teil von Novigrad befindet sich das Marina - ein kleines, elegantes Lokal mit Terrasse, ebenfalls mit Blick aufs Wasser, allerdings über das Trockendock der Marina hinweg. Das Marina an der Marina bietet eine moderne, kreative Küche, die sich ausschließlich auf Fisch und Meeresfrüchte konzentriert.
"Da haben wir den Zwang, tischweise dasselbe bestellen zu müssen", erzählt Der Connaisseur. Hier gibt es nur sechs oder acht Gänge, und wenn, was gelegentlich vorkommen soll, die bessere Hälfte quasi nur die Hälfte ist - und auch isst –, wird es schwierig, denn das doppelte bringt auch die stärkere Hälfte nur schwer hinunter. "Verzicht ist gelegentlich nicht schlecht!", ist Die Cuisinière wieder philosophisch oberg'scheit.
Die Grüße der Küche im Marina sind Tartelettes mit selbstgemachten Keksen und dann Kartoffeln mit Bacalao und wieder Scampi na Buzaru und Kurkuma.
Als nächstes kommt eine Gelbschwanzmakrele mit Kirschsauce und Gamberi-Tartare in Mandelmilch-Krokant, gefolgt von Hummer in brauner Butter-Hummer-Veloute.
"Wie hast du diesen Eiweiß-Schock ausgehalten?", grätscht Die Cuisinière dazwischen. "Wenn's passt, dann passt's", bleibt Der Connaisseur kurz angebunden. Weiter geht's mit Scampi in Topinambur-Espuma.
Man merkt nicht nur an der liebevollen Einrichtung und dem gediegenen Service, dass es sich um ein Familienbetrieb handelt. Die Chefin, Marina Gaši, und Davor Buršić im Service führen gemeinsam mit ihrem Sohn das stilvolle Lokal. "Da stehen wohl im COB mehr Leute in der Küche?!", mutmaßt Die Cuisinière - und das völlig zu recht.
Als nächstes die Nudeln, Tagliolini mit Aioli, Peperoncino und Seebarsch – rund und gut. Dann der Fisch mit Süßkartoffel-Püree, Salbei, Zwiebelsauce – eine durchaus kreative Kombination, aber nicht ganz neu. "Der Fisch heißt übrigens Umbrina oder Umber", klärt Die Cuisinière auf.
Einmal im Monat passen die Eigentümer das Menü an, was aber zum Teil auch von den Angeboten am Markt abhängt.
Dessertmäßig ist die Kreativität beschränkt, es gibt allerdings ausgezeichnetes, hausgemachtes Eis mit weißer Schokolade.
Der Pinot Sivi, "was woanders Grauburgunder heißt", gibt sich Die Cuisinière polyglott, um wohlfeile 33 Euro. Wie die im Ein-Michelin-Stern-Restaurant COB, darunter ein großartiger Zelen, eine autochthone Rebe, um 35 Euro bis 38 Euro die Flasche.
"Gott sei Dank kam auch das Trinken nicht zu kurz", fasst Die Cuisinière abschließend zusammen – ohne auch nur eine Ahnung von der genauen Anzahl der Gebinde zu haben. Besser so.
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