rote linien

Jetzt mit Podcast: Die Dirndl-Kommunisten und die Babler-Exorzisten

Das nette Duell um den Bürgermeistersessel in Salzburg, das wilde Match um die Führung der SPÖ.

SPÖ-Chef Andreas Babler mit dem designierten Bürgermeister in Salzburg, Bernhard Auinger (SPÖ), nach dem Wahlsieg am 24. März 2024
SPÖ-Chef Andreas Babler mit dem designierten Bürgermeister in Salzburg, Bernhard Auinger (SPÖ), nach dem Wahlsieg am 24. März 2024
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"Was können wir aus dem Wahlkampf in Salzburg lernen?" Es wäre eine Lüge zu sagen, dass ich das jetzt oft gefragt werde, aber ich antworte ungefragt trotzdem darauf: "Nettigkeit". Schon natürlich auch, dass Kommunismus wieder eine geile Sache zu sein scheint, die Vergangenheit vergeben und vergessen, jeder macht Fehler, der Augenblick zählt, also Schwamm drüber. Der Kommunist von heute ist nett, er trägt Pulli, Lederhose oder Dirndl, pachtet eine Alpenvereinshütte und hat ein Jahresabo für die Red Bull Arena. So gestaltete sich auch der Wahlkampf in Salzburg, den es als Kampf nie gab. Nur als Kuscheln. Kampfkuscheln bestenfalls.

Das lässt sich belegen. Ich habe mir gedacht, ich mache das einfach einmal anders und frage die Kandidaten selbst, was sie von sich halten. Also schickte ich an Bernhard Auinger (SPÖ) und Kay-Michael Dankl (KPÖ) E-Mails und bat sie, mir doch fünf Gründe zu nennen, warum die Wählerschaft sie und nicht den jeweils anderen wählen sollte. Üblicherweise kriegt du auf so ein Ansinnen höflich den Mittelfinger gezeigt, ein paar kopierte Absätze aus dem Wahlprogramm übermittelt oder überhaupt nur Blabla-Sätze. Diesmal war es anders, netter.

Der rote Kandidat schickte mir seine fünf Gründe mit ein paar Smileys dekoriert, der dunkelrote Kandidat meldete sich per SMS und fragte, ob es eh nicht zu spät wäre, wenn er die Antworten erst in einer Stunde schickt. Nett, oder?

KPÖ Plus-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl vor der Parteizentrale der KPÖ in Salzburg
KPÖ Plus-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl vor der Parteizentrale der KPÖ in Salzburg
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Keiner würdigte den anderen herab, der Kay nicht den Bernhard und der Bernhard nicht den Kay. Also, Auinger hätte ja schreiben können: "Die Brillenschlange mit dem Danklblick wollt's ihr echt als Bürgermeister haben? Ernsthaft? Ein Kummerl im Strickpulli von der Omi? Seid's ihr auf einer Mozartkugel ausgerutscht?" Und Dankl: "Der O'zwickte soll besser sein als ich? Der kriegt bei den Osterfestspielen noch ohne Ausweis Kinderkarten, politisch ist der ein Leichtgewicht, was in der SPÖ gar nicht mehr so einfach ist."

Haben sie nicht. Die Stich-Buhlschaften schickten manierliche Texte, in denen keinerlei Bösartigkeiten über den anderen versteckt waren. Die fünf Botschaften, die sie der Wählerschaft auf den letzten Metern noch mitgeben wollten, schlugen jetzt keine neue Tunnelröhre in den Mönchsberg, aber sie waren irgendwie nett.

Dieses Bild bot sich auch bei der TV-Konfrontation am Freitag auf ORF III, wobei Konfrontation vielleicht etwas zu viel gesagt ist. Das brutalste Wort, das im Duell fiel, war "unrealistisch". Vielleicht sind die beiden, der Kay und der Berni, sogar gemeinsam mit dem Tandem angereist ins Schloss Mirabell.

Weil Salzburg recht schnell auserzählt ist, dauerte die Konfrontation, die keine war, auch nicht länger als 20 Minuten. Diese 20 Minuten wurden dann in der anschließenden "Runde der Chefredakteurinnen und Chefredakteure" 45 Minuten lang analysiert. Manche Worte wiegen schwerer, wenn sie erst einmal auf Waagschalen gelegt wurden.

Die Konfrontation, die keine war, fand im Büro des Bürgermeisters statt, der aber nicht da war, vielleicht wollte er ausprobieren, wie Home-Office so ist. Das war schade! Dankl und Auinger mussten also in antiken, üppig grün gepolsterten Sesseln, aber vor einem leeren Schreibtisch Platz nehmen. Wenn Harald Preuner im Hintergrund ein paar Depeschen unterfertigt und sie einem reitenden Boten anvertraut hätte, dann wäre das sicherlich dynamischer dahergekommen.

Salzburgs Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) anlässlich der Trendrechnung der Bürgermeisterwahl 2024
Salzburgs Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) anlässlich der Trendrechnung der Bürgermeisterwahl 2024
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Den beiden Kandidaten hatte man die Sessel links vor einen Kachelofen gestellt, Interviewer Karl Kern saß etwa drei Meter entfernt, immerhin aber noch im selben Raum. Dankl trug denselben Pulli wie immer, diesmal war er in grau gehalten, ich wette er hat daheim in seiner Eigentumswohnung ein eigenes Ankleidezimmer mit nur Pullis drin, vielleicht zusätzlich noch einen Pullunder für Festtage. Auinger, der sonst gern grobornamentige Krawatten trägt, so wie früher die Kassiere in den Bawag-Filialen, kam diesmal halsfrei, blauer Anzug, weißes Hemd, damit kann man nichts falsch machen. Der Anzug spielte in dem Gespräch aber keine große Rolle, Auinger passte sich ihm an.

Kern entführte das Publikum zu Beginn in die Geschichte der Neuzeit, also nicht jetzt in die Ära Kurz, schon ein paar Epochen davor. Er erzählte vom Schloss Mirabell, das "vor über 400 Jahren Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau für seine geliebte Salome Alt hat erbauen lassen". Die Zuschauer daheim rätselten, was sie mit der Information anfangen sollten, Dankl wird eher überlegt haben, wie er als künftiger Bürgermeister das Gebäude am besten schleifen lassen könnte, um an dieser Stelle ein paar hundert Wohnungen für junge Kommunisten zu errichten.

Dann aber ging es gleich los, mitten hinein in das einzige Thema, das es in Salzburg gibt: Wohnen. Die beiden Kandidaten sollten sagen, was sie am jeweils anderen gut finden, Auinger fiel "Wohnen" ein, Dankl auch, das Thema "Wohnen" sei ihm wichtig, an Auinger gefalle ihm die Erfahrung und das Engagement für Sport, Kinderbetreuung und Bildung. Nett!

Das fand auch Karl Kern und beschäftigte sich in der Folge mehr oder weniger ausschließlich mit Dankl, Auinger war das ganz recht so. Er sprach also mit Dankl über Dankl, dann mit Auinger über Dankl, schließlich wieder mit Dankl über Dankl. Kern wollte wissen, was er von Putin so halte und ob er als Kommunist noch Kommunist sei. Dankl sagte "Ja", nannte die KPÖ in der Folge aber zur Sicherheit nicht mehr Kommunistische Partei, sondern "Soziale Alternative". Das ist Putin noch nicht eingefallen. Vielleicht lädt ihn die zukünftige österreichische Bundesregierung zu den Salzburger Festspielen ein, dann kann er dem kommunistischen Bürgermeister von der "Sozialen Alternative" gleich die Hand schütteln.

Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am 23. März 2023 am Bundesparteitag in Linz
Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am 23. März 2023 am Bundesparteitag in Linz
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Es geht nicht überall so nett zu wie in Salzburg. In sechs Monaten sind Nationalratswahlen, da treten die Parteien gegeneinander an. Vorab aber treten die Parteien einmal gegen sich selbst an und in diesem Bereich kann der SPÖ niemand die Mozartkugel reichen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die Sozialdemokraten der Wählerschaft ihren Spitzenkandidaten schmackhaft machen wollen, wenn sie sich selbst nicht ganz sicher sind, ob sie ihn für einen guten Fang halten. 

Diese Woche trug der niederösterreichische Landesparteichef diese innere Zerrissenheit nach außen. Er gab dem "Standard" ein Interview und wurde dabei eingangs dreimal gefragt, ob sich Andreas Babler als guter Parteivorsitzender bewiesen habe. Die erwartbare Antwort wäre "Ja" gewesen und man hätte sich anderen Themen widmen können, aber Sven Hergovich konnte sich dazu nicht durchringen. "Ich unterstütze ihn", sagte er, aber ob er sich als guter Parteichef "bewiesen" habe, das "müssen die Wähler entscheiden". Immerhin: "Meine Unterstützung hat er." Meinen Segen, hätte er sagen müssen, immerhin ist Ostern.

Das kommt nicht aus heiterem Himmel. Andreas Babler hat außerhalb der SPÖ bald mehr Unterstützer als innerhalb der eigenen Partei. Viele Genossen planen offenbar schon für die Zeit danach, diese Planung hat vorrangig das eigene Fortkommen im Blickfeld. Die Positionierung folgt strategischen Überlegungen. Schafft Babler wider Erwarten ein gutes Ergebnis, dann können sie sich aus dieser Positionierung heraus als Teil des Erfolgs vermarkten. Geht er baden, dann fällt ein Absprung leicht. Ob sich daraus eine positive Wahlkampf-Dynamik entwickeln lässt, darf bezweifelt werden.

Die Zeiten sind vorbei, als sich innerer Widerstand in der Sozialdemokratie einfach unter dem Themenkapitel Hans Peter Doskozil zusammenfassen ließ. Heute sind auf die eine oder andere Weise alle im Widerstand. Um den burgenländischen Landeshauptmann als SPÖ-Vorsitzenden zu verhindern, überwand sich die Wiener Landesgruppe im Frühjahr 2023, nahm sich ein Herz und engagierte sich für Andreas Babler. Das klappte, leider zu gut. Und deshalb sorgt Wien nun dafür, dass die Bäume des Traiskirchner Bürgermeisters nicht in den Himmel wachsen. Das geht am besten über Kandidatenlisten.

Um in den Nationalrat zu kommen, muss man in der SPÖ an wählbarer Stelle auf einer der drei Parteilisten stehen, der Bundesliste, der Landesliste oder der Regionalwahlliste. In ist, wer drin ist. Am Montag der ablaufenden Woche stellte Wien seine Landesliste und seine Regionalwahlliste vor und siehe da, alle, die sich für Andreas Babler ins Zeug geworfen hatten, finden sich unter ferner liefen. Das kann natürlich Zufall sein, eher aber ist es "eine Machtdemonstration der Wiener gegenüber Babler", wie mir ein mit der Materie Vertrauter sagte, und ich war nicht einmal überrascht.

Andreas Babler, SPÖ-Bundesparteivorsitzender, und die Spitzen-Kandidatin Elli Mayr für die Bürgermeisterwahl in Innsbruck
Andreas Babler, SPÖ-Bundesparteivorsitzender, und die Spitzen-Kandidatin Elli Mayr für die Bürgermeisterwahl in Innsbruck
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Die Erstellung von Wahllisten ist eine eigene Wissenschaft, die SPÖ findet sich in dieser Kompliziertheit besser zurecht als in der einfachen Welt der Excel-Listen. Was gesagt werden kann: Platz 1 auf einer Liste ist keine Garantie für nix, Platz 4 kann besser sein als Platz 1, aber natürlich auch schlechter. Wer in einer Liste an unwählbare Stelle rutscht – oder besser gerutscht wird – kann in einer anderen Liste ganz weit nach vorne rutschen. Oder gerutscht werden.

Mit Wahllisten wird Politik gemacht, hier richtet sich die Partei gegenseitig allerlei aus, das Rathaus den Bezirken und umgekehrt, und in diesem Fall lautete die Botschaft: Wer uns Babler eingebrockt hat, muss nun die Suppe auslöffeln.

Auf Platz 1 der Wiener Landesliste befindet sich Doris Bures. Ich will Sie jetzt nicht mit der Historie der machtvollen "Liesinger Partie" in der Wiener SPÖ behelligen, aber das darf schon als Signal verstanden werden, wer hier als Herr im Haus gesehen werden will. Oder als Frau. Auf Bures folgen Heinrich Himmer (2), Barbara Teiber (3), Kai Jan Krainer (4), Elke Hanel-Torsch (5) und Christoph Matznetter auf Platz 6. Die ersten drei Plätze können fix mit einem Mandat rechnen, Platz 4 ist ein Kampfmandat, ab Platz 5 beginnt am politischen Segelboot die Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung, ein Kentern gilt als wahrscheinlich.

Nikolaus Kowall landete auf Platz 20 der Landesliste. Auf der Regionalwahlliste 9B (Wien Innen West) wurde ihm zwar Platz 1 zugeteilt, das ist freundlich, von dort aus aber schafft man es garantiert nicht in den Nationalrat. Kowall befindet sich also an unwählbarer Stelle, er will es nun über einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf ins Parlament schaffen.

Wir erinnern uns: Der Ökonom wollte für den SPÖ-Vorsitz kandidieren, verzichtete dann und machte den Weg damit für Andreas Babler frei. Das wirkte sehr spontan, die Spontanität war aber wohl gut geplant. Nun wurde Kowall von der Wiener Parteispitze dafür abgestraft und er ist nicht die Einzige aus der Babler-Partie. Julia Herr, immerhin stellvertretende SPÖ-Klubobfrau im Parlament, wurde auf den unwählbaren Listenplatz Nummer 7 platziert. Die ehemalige Staatssekretärin Muna Duzdar landete gleich auf Platz 35, vor fünf Jahren war es noch Platz 9. Originell: Der Wiener Partei ist Duzdar wurscht, für Babler leitet sie derzeit die Expertengruppe "Medien".

Alle Beteiligten haben die Chance, noch auf der Bundesliste an wählbare Stelle zu rutschen. Oder gerutscht zu werden. Julia Herr wird das sicher schaffen. Das Signal aber ist schon abgesetzt, die Botschaft überbracht: Der Zug von Babler fährt bis hierher und nicht weiter. Und die Insassen mit ihm.

Ich wünsche einen wunderbaren Wahlsonntag. Eigentlich wollte ich etwas über Österreich und seine Orden schreiben, in der ablaufenden Woche flogen die Ehrenzeichen wieder tief. Ich kann aber vor einer Beschäftigung mit dem Thema nur abraten, man erfährt dabei viel zu viel über unser Land. Und: In einem Gedenkjahr für den von mir hoch geschätzten Franz Kafka sollte man Österreichs kafkaesker Seite vielleicht besser nicht den Prozess machen.

Akt. Uhr
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