An den Börsen fliegen die Tech-Aktien ungebremst nach oben. Der Chiphersteller Nvdia steckt 100 Milliarden Dollar ins KI-Unternehmen OpenAI (das keinen Cent Gewinn macht). Monika Rosen erklärt, wie sie vom Boom profitieren und worauf sie aufpassen müssen.
An der Börse sind die Tech-Aktien fast immer vorne dabei, und zwar egal, ob die Kurse nach oben oder nach unten rauschen. Im Moment sind wir gerade wieder in einer "himmelhoch-jauchzenden" Phase.
Beflügelt wird der Boom durch eine Reihe von Schlagzeilen aus dem Bereich KI. Das Kürzel steht natürlich für "Künstliche Intelligenz", man könnte aber auch sagen, es bedeutet "Killer Investment".
Dennoch (oder gerade deshalb) stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen: Ist der Boom in der KI in diesem Ausmaß gerechtfertigt, oder nähern wir uns hier schon einer Blase? Wie sehen die harten Daten bezüglich Gewinndynamik in der KI aus? Wenn ich als Anleger dabei sein möchte, wo liegen meine Chancen? Vielleicht aber noch wichtiger, wie hoch ist mein Risiko? Monika Rosen macht den Tech Check:
Tech-Aktien sorgen immer für Schlagzeilen, auch jetzt wieder. Warum eigentlich?
Tech-Unternehmen sind die innovativsten und damit die chancenreichsten Werte an der Börse. Ihr Potenzial liegt aber oft weit in der Zukunft. Das schlägt sich in der Kursentwicklung nieder, und zwar in beiden Richtungen. Tech-Aktien lassen in der Rallye den Rest des Marktes weit hinter sich, gehen in einer Korrektur aber massiv in die Knie. So war es auch heuer.
Gibt es dazu Zahlen?
Die US Tech-Börse Nasdaq hat seit Jahresbeginn rund 18 Prozent zugelegt. Der Dow Jones, der viel eher die "Old Economy" abbildet, hat gerade einmal die Hälfte geschafft. Im Jahr 2022, als es zuletzt massiv nach unten ging, war es genau umgekehrt. Der Dow verlor knapp 9 Prozent, die Tech-Werte an der Nasdaq brachen hingegen um über 30 Prozent ein.
Es geht in Wahrheit aber nur um einen sehr kleinen Kreis, oder?
Ja, eigentlich wird die Phantasie der Börse von den sogenannten "Magnificent Seven" oder "Mag 7" beflügelt. Darunter versteht man die sieben größten Tech Unternehmen der Welt: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google), Meta (Facebook), Nvidia und Tesla.
Und wo genau spielt hier die KI hinein?
Die KI treibt den aktuellen Tech-Boom. Allerdings unterscheidet sich dieser grundsätzlich von früheren Phasen der (Börsen-)Euphorie.
Inwiefern?
Wenn man an die Dotcom-Blase der Jahrtausendwende denkt, so kam das Kapital damals von individuellen Anlegern, die in Tech-Aktien investiert haben. Jetzt wird das Geld für die KI aber nicht von den Einzelanlegern bereitgestellt, sondern von großen Tech-Firmen wie Alphabet (Google) oder Meta (Facebook).
Was ist die Vision?
Die Konzerne pumpen Milliarden in diese Technologie, die aber immer noch keine Gewinne abwirft und das wahrscheinlich auch in absehbarer Zukunft nicht tun wird.
Aktuelles Beispiel?
Der Chiphersteller Nvidia investiert 100 Milliarden US-Dollar in den ChatGPT Entwickler OpenAI. Damit sollen Rechenzentren mit einer Gesamtleistung von 10 Gigawatt gebaut werden. Zur Einordnung: das entspricht dem Energieverbrauch von New York bei maximaler Beanspruchung!
Und was hat Nvidia davon?
OpenAI braucht die Chips von Nvidia, um seine KI-Modelle weiterzuentwickeln. Insofern ist der Deal für Nvidia auf alle Fälle ein Gewinn. Bei OpenAI dominiert mehr das Prinzip Hoffnung. Das Unternehmen steckt immer noch tief in den roten Zahlen, frühestens 2029 soll die Gewinnzone erreicht werden.
Und die Börse toleriert das?
Falsche Frage, denn OpenAI ist nicht börsennotiert! Das meinte ich vorhin: die KI-Investments werden von den Tech-Giganten getätigt. Als Anleger muss ich mir also die Frage stellen, ob ich glaube, dass sich die Rieseninvestitionen für jene Unternehmen, die ich über die Börse kaufen kann, am Ende auszahlen werden.
Wie könnte hier eine Antwort lauten?
Das kommerzielle Potenzial der KI ist ganz schwer abzuschätzen. Insofern macht es Sinn, sich die Fundamentaldaten der Mag 7 anzuschauen. Die haben im 2. Quartal ein Gewinnwachstum von über 25 Prozent abgeliefert. Der breite S&P 500 Index, der die 500 größten US Unternehmen abbildet, schaffte nicht einmal die Hälfte, nämlich 12,5 Prozent. Dazu muss man aber noch etwas bedenken.
Nämlich?
Im S&P 500 sind die Mag 7 natürlich auch enthalten, sie haben also einen überproportionalen Beitrag zum Gewinnwachstum des breiten Index geleistet. Ohne diese 7 Aktien wären die Gewinne im S&P im 2. Quartal nur um 7,5 Prozent gestiegen.
Ein so starkes Wachstum hat meist auch seinen Preis, oder?
Das stimmt leider auch. Die Gruppe der Mag 7 hat derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwas über 30, bezogen auf die Gewinnerwartungen der nächsten 12 Monate. Der breite US Markt notiert bei rund 22, was immer noch recht sportlich ist. Zum Vergleich: beim deutschen Dax liegt das KGV bei 18.
Und das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Nvidia?
Das liegt etwa bei 50! Die Börse setzt also voll auf den KI-Boom, und niemand repräsentiert den besser als das Unternehmen, das dafür die Chips liefert, nämlich Nvidia.
Ist die KI derzeit also ein "Must Have"?
Ja, und die Tech-Giganten haben das Kapital, welches für deren Entwicklung nötig ist. Aber irgendwann werden die Anleger dafür eine Rendite haben wollen, und dann kommt für die KI die Stunde der Wahrheit. Aber dort sind wir derzeit noch nicht.
Also ist die Börsengeschichte der KI bis jetzt eine gerade Linie nach oben?
Nicht ganz. Als im Jänner das chinesische Startup DeepSeek ein KI-Modell vorstellte, das mit ChatGPT konkurrieren kann, aber angeblich nur einen Bruchteil der Entwicklungskosten verursacht hat, gab es bei den Tech-Aktien eine ordentliche Schrecksekunde. Mittlerweile hat sich der Sturm im Wasserglas aber gelegt, auch weil man den chinesischen Angaben in Punkto Kosten nicht ganz traut.
Gibt es auch einen neuen Stern am KI-Himmel?
Ja, und zwar Oracle. Die haben bei den jüngsten Quartalzahlen die Erwartungen zwar verfehlt, die Aktie stieg dennoch an einem Tag um 30 Prozent!
Nicht schlecht. Wie das?
Die Antwort lautet wieder OpenAI! Oracle hat im 2. Quartal einen Vertrag mit OpenAI zum Ausbau von zusätzlichen Rechenzentren im Ausmaß von 4,5 Gigawatt abgeschlossen. Oracle profitiert vom KI-Boom über die Cloud Infrastruktur und die Zusammenarbeit mit Nvidia. Auch das verdeutlicht die wechselseitige Verflechtung der Tech-Riesen beim Thema KI.
Alles gut und schön, aber wie kann ich als Anleger auch ohne Milliarden an Kapital beim KI-Boom mitnaschen?
Für den Privatanleger ist es auf alle Fälle sinnvoll, eine ausgewogene Anlagestrategie zu fahren, um die Verluste bei einer Korrektur (die unweigerlich kommen wird) etwas abzufedern. Es gibt natürlich KI-Aktien, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis über 100 liegt oder die noch gar keine Gewinne ausweisen.
Also?
Dass solche Engagements ein enorm hohes Risiko bergen, liegt auf der Hand. Aber auch die großen US-Tech-Aktien, die in den KI-Boom investieren, können heftige Kursverluste erleiden. Die Börse besteht nicht nur aus Tech-Werten, das sollte man bei aller Euphorie nie vergessen.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen