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Aktienmarkt

Plus 25 Prozent: Wie Sie vom Höhenflug der Wiener Börse profitieren

Häufig belächelt, aber die Wiener Börse schlägt sich heuer besser als New York. Paul Pichler ist Fondsmanager für österreichische Aktien. Monika Rosen hat ihn zum Interview getroffen. Über den Boom, wo Chancen lauern und was das mit den Pensionen zu tun hat

Paul Pichler ist Fondsmanager für österreichische Aktien bei der Liechtensteinischen Landesban
Paul Pichler ist Fondsmanager für österreichische Aktien bei der Liechtensteinischen LandesbanOutline Pictures · www.outline-pictures.com
Monika Rosen
Akt. 02.09.2025 16:16 Uhr

Denkt man an die Börse, so hat man wahrscheinlich Bilder von der Wall Street im Kopf: hektische Händler, die am Börsenparkett die Transaktionen am größten Kapitalmarkt der Welt abwickeln. An die Wiener Börse denken wohl die wenigsten. Sie steht im Ruf, den großen internationalen Handelsplätzen immer ein wenig hinterherzuhinken, fast wird sie gelegentlich ein wenig belächelt.

Aber ist das wirklich gerechtfertigt? Wenn man sich die Entwicklung im heurigen Jahr anschaut, lautet die Antwort ganz klar Nein. Mit einem Anstieg von 25 Prozent seit Jahresbeginn schlägt der Wiener ATX (Austria Traded Index) nicht nur den deutschen Dax (19 Prozent), sondern auch den US Leitindex S&P 500 (10 Prozent).

Damit stellt sich natürlich die Frage, was diese Rallye ausgerechnet jetzt ausgelöst hat.  Welche Unternehmen liefern derzeit gerade spannende Stories? Und was sind die langfristigen Perspektiven für den Wiener Markt?

Newsflix hat bei Paul Pichler, Fondsmanager für österreichische Aktien bei der Liechtensteinischen Landesbank in Wien, nachgefragt. Sein Österreich Fonds liegt seit Jahresbeginn mit über 40 Prozent im Plus.

börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
Helmut Graf

Die Wiener Börse läuft heuer wirklich gut. Können Sie das zunächst mit ein paar Zahlen untermauern?
Gerne. Der Wiener Leitindex ATX hat heuer über 25 Prozent zugelegt, der ATX Total Return Index sogar über 30 Prozent.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Indizes?
Der ATX misst "nur" die Kursentwicklung der darin enthaltenen Aktien. Der ATX Total Return beinhaltet Kursentwicklung und Dividendenausschüttung. Gerade letztere ist für die österreichischen Aktien sehr wichtig.

Was genau inspiriert die Wiener Börse heuer so?
Die Rallye hat eine Reihe von Gründen. Einerseits hat sich die Wiener Börse im Vorjahr wirklich unterdurchschnittlich geschlagen, es herrscht also ein gewisser Aufholeffekt. Dann gab es dazwischen, im Februar, Hoffnung auf Frieden in der Ukraine, auch das wirkte sich positiv aus. Die hohe Gewichtung der Finanzdienstleister, sprich der Banken und Versicherungen, spielte ebenfalls eine Rolle, denn dieser Sektor hat heuer enorm zugelegt. Und auch das deutsche Infrastrukturpaket hat für Rückenwind gesorgt.

Das sind viele Faktoren auf einmal. Sagen Sie uns zunächst einmal, warum ein Frieden in der Ukraine so positiv für die Aktien in Wien wäre?
Viele österreichische Unternehmen sind in CEE (Central and Eastern Europe, Mittel- und Osteuropa) engagiert. Wenn die Kampfhandlungen in der Ukraine aufhören würden (wonach es derzeit leider nicht aussieht), würde der Wiederaufbau beginnen. Das wäre ein massiver Auftragsschub für die heimischen Betriebe.

Die Wiener Börse liegt – etwas versteckt – in der Wallnerstraße in der Wiener City
Die Wiener Börse liegt – etwas versteckt – in der Wallnerstraße in der Wiener City
Picturedesk

Welche Aktien wären da vor allem betroffen?
Ich denke in erster Linie an die Bauwerte: Strabag, Porr, Wienerberger, Palfinger, aber auch an die Voest. Die Porr beispielsweise hat schon gesagt, dass sie nicht in die Ukraine gehen. Andere Anbieter werden es aber tun, damit kann die Porr bei den dadurch in CEE frei gewordenen Aufträgen punkten.

Wie sind denn ganz grundsätzlich die Aussichten für CEE?
Die Wachstumsprognosen in der Region liegen immer noch deutlich über jenen Westeuropas, auch wenn es zuletzt ein paar Abstufungen gegeben hat. Schätzungen gehen von einem durchschnittlichen Wachstum in CEE von 2,4 bis 2,6 Prozent für 2025 aus. 2026 sollte sich dieser Trend noch auf 2,9 Prozent% beschleunigen. Die Eurozone wird demgegenüber heuer wohl kaum mehr als 1 Prozent schaffen.

Und österreichische Unternehmen können hier mitnaschen?
Absolut. Da wir sehr exportorientiert sind, ist die österreichische Konjunktur (zumindest für die börsennotierten Unternehmen) nicht von so zentraler Bedeutung. Palfinger beispielsweise baut ein neues Werk in Serbien, um von den niedrigeren Lohnkosten dort zu profitieren.

Und Stichwort internationale Standorte: wie verkraften die Unternehmen die Zollpolitik der USA?
Da sind jene im Vorteil, die schon Standorte in den USA haben, wie zum Beispiel die Voest.

Mit der hektischen Wall Street hat die Wiener Börse wenig gemein
Mit der hektischen Wall Street hat die Wiener Börse wenig gemein
ANGELA WEISS / AFP / picturedesk.com

Kommen wir zu den Finanzwerten. Die sind an der Wiener Börse immer von zentraler Bedeutung …
Die Banken sind im ATX sehr stark gewichtet: Auf die Erste entfallen 21 Prozent des Index, auf die Bawag 14 Prozent und auf Raiffeisen (RBI) rund 6 Prozent. Dazu kommen noch die Wiener Städtische (VIG) und die Uniqa mit zusammen rund 5,5 Prozent. Das heißt, die Finanztitel machen über 46 Prozent der Indexgewichtung aus. Sie sind für die Performance des ATX also von überragender Bedeutung.

Sprechen wir doch etwas näher über die beiden österreichischen Großbanken…
Die Raiffeisen Bank International (RBI) ist in Russland natürlich in einer schwierigen Situation. Man gewinnt mitunter den Eindruck, sie wollen ihr Engagement dort aussitzen. Da der Krieg in der Ukraine schon über drei Jahre lang läuft, hat das ihre Bewertung natürlich belastet. Sollte sich das Thema Russland positiv für sie (auf)lösen, hätte die Aktie sicher Potenzial nach oben.

Und die Erste? Sie haben in Polen zuletzt groß zugekauft …
Die Erste Bank ist sicher grundsolide unterwegs. Die Übernahme von 49 Prozent an der Santander Bank Polska im heurigen Frühjahr ist aber eine große Nummer, die sie jetzt stemmen müssen.

Vielleicht noch ein Wort zu den Versicherungen …
Die haben ein gutes Geschäftsmodell, mit den Inflationsanpassungen bei den Prämien. Außerdem ist der Sektor günstig bewertet, insofern finde ich diese Titel interessant.

Bei der OMV, hier CEO Alfred Stern, sieht Pichler Potential
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Picturedesk

Österreich ist auch dafür bekannt, Nischenplayer zu haben …
Absolut, dafür wäre die Andritz als Maschinenbauer ein exzellentes Beispiel. Sie bauen ganze Zellstofffabriken und sind in dem Bereich Marktführer. Oder auch die Kontron, ein Unternehmen mit Sitz in Linz, das auf das Internet der Dinge spezialisiert ist. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Automatisierung industrieller Prozesse, z. B. in der Bahninfrastruktur.

Die sind aber nicht im ATX, oder?
Nein, sie sind hauptgelistet in Deutschland. Da es ein österreichisches Unternehmen ist, darf ich den Titel in meinem Fonds halten (und tue das auch).

Gibt es noch andere aktuelle Marktthemen, die Sie interessant finden?
Da würde ich vor allem die OMV nennen. Die OMV Tochter Borealis hat mit der Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) einen Chemiekonzern namens Borouge Group International gegründet. Das Unternehmen wird der viertgrößte Produzent von Polyolefinen (Klasse von Kunststoffen) weltweit sein. Dieser Umstand wurde von der Börse bis jetzt nicht ausreichend honoriert.

Sprechen wir vielleicht zum Abschluss über die langfristige Perspektive des österreichischen Aktienmarktes …
Das ist sicher ein sehr wichtiges Thema, vor allem in Zusammenhang mit der Pensionsvorsorge. Neben der staatlichen Pension (1. Säule) gibt es bei uns auch eine betriebliche (2. Säule) und eine private (3. Säule) Vorsorge. Die beiden letztgenannten sind vor allem im internationalen Vergleich schwer ausbaufähig, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Wenn die Regierung von Christian Stocker das Thema Pension anpackt, könnte das auch den Aktienmarkt Flügel verleihen
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Helmut Graf

Können Sie dazu ein paar Zahlen geben?
Die 2. Säule, also die betriebliche Pensionsvorsorge, hat noch massiv Luft nach oben. Nur etwa ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Firmenpension (Pensionskasse). In den nordischen Ländern spielt der Kapitalmarkt bei der Altersvorsorge eine wesentlich größere Rolle als bei uns.

Abgesehen von der Pensionsvorsorge, gibt es noch andere Faktoren, an denen wir in Punkto Kapitalmarkt arbeiten könnten?
Was die großen internationalen Fonds sicher abschreckt, ist die Tatsache, dass bei vielen unserer Aktien der Streubesitz vergleichsweise niedrig ist. Die Strabag zum Beispiel hat nur einen Streubesitz von 10 Prozent. Das heißt, der Wert ist für viele große Fonds einfach zu wenig liquide, es werden zu wenig Aktien frei gehandelt.

Kurzer Exkurs: Was ist Streubesitz?
Darunter versteht man jene Aktien, die dem Börsenhandel zur Verfügung stehen, also nicht von Großaktionären wie zum Beispiel dem Staat gehalten werden.

Sie erwähnen immer wieder die großen internationalen Fonds. Sind die für die Wiener Börse wirklich so wichtig?
Ja. Internationale Investoren halten zusammen über 90 Prozent des Streubesitzes in den ATX Werten. Auf österreichische Großinvestoren (z. B. Pensionskassen oder Fonds) entfallen nur rund 7,7 Prozent. Etwas mehr Interesse für den heimischen Kapitalmarkt wäre sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Die Entwicklung im heurigen Jahr zeigt, dass er es verdient hätte.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

Monika Rosen
Akt. 02.09.2025 16:16 Uhr