Der Boom beim Gold geht weiter. Nicht einmal Bitcoin legt heuer ein derartiges Wachstum hin. Geld-Expertin Monika Rosen nennt die Gründe und die Hintergründe für den Höhenflug und beantwortet die wichtigste Frage: Lohnt sich ein Einstieg noch?
Stellen Sie sich ein alternatives Investment vor, das sich in den letzten drei Jahren im Kurs verdoppelt hat. Wenn Sie jetzt an Bitcoin denken, liegen Sie falsch. Wir sprechen von Gold.
Das Edelmetall erlebt heuer einen Boom wie schon lange nicht mehr, seit Jahresbeginn steht ein Plus von 40 Prozent zu Buche. Da können weder US Aktien (plus 10 Prozent) noch Bitcoin (plus 20 Prozent) mithalten.
Aber was lässt die Anleger so massiv in Gold investieren? Ist die Angst vor immer neuen Krisen wirklich so groß? Nur wenn dem so wäre, müssten da nicht die Aktienkurse stärker unter Druck kommen? Und welche Rolle spielen Zinsen und der Dollar? All das sind natürlich berechtigte Fragen, aber die meisten Investoren wollen ohnehin nur eins wissen: Soll ich jetzt noch Gold kaufen, oder hab ich diesen Zug schon verpasst? Monika Rosen sagt es Ihnen ….
Beginnen wir mit der wichtigsten Frage: ist der Goldpreis gerade heiß?
Und wie! Gold hat heuer schon rund 40 Prozent zugelegt und gehört damit nicht nur zu den erfolgreichsten Rohstoffen, sondern zu den besten Anlageklassen überhaupt. Für den österreichischen Anleger gibt es allerdings etwas zu beachten …
Und zwar?
Gold wird in Dollar gehandelt. Da der Dollar heuer gegen den Euro abgewertet hat, ergibt sich für den Euro-Anleger ein Plus von rund 23 Prozent. Beileibe nicht schlecht, aber doch deutlich unter 40 Prozent …
Kann man die starke Entwicklung im heurigen Jahr ein bisschen historisch einordnen?
Dazu gibt diese Seite einen ausgezeichneten Überblick, der bis Ende der 70er Jahre zurückreicht. Dabei zeigt sich, dass vor allem die letzten Jahre extrem stark waren, während Gold in den 80er Jahren quasi "totes Geld" darstellte. Solche Phasen muss man dann schon auch aushalten.
Dann kommen wir zu den Gründen für den Boom …
Dazu muss man ein bisschen was zu den Faktoren wissen, die den Goldpreis bewegen. Da sind zum einen die Zinsen. Gold wirft selbst keine Zinsen ab, sondern lebt nur von der Kursveränderung. Wenn die Zinsen (vor allem in den USA) steigen, ist das schlecht für den Goldpreis.
Warum?
Wenn ich mit einem Investment, das Zinsen abwirft, potentiell mehr verdienen kann, sinkt mein Interesse an Gold.
Derzeit steigen die US-Zinsen aber nicht, im Gegenteil …
Vollkommen richtig. Und das ist auch einer der Gründe für die Rallye im Goldpreis.
Und spielt der Dollarkurs selbst auch eine Rolle?
Absolut. Wenn der Dollar gegen andere Währungen sinkt (wie derzeit der Fall), unterstützt das auch den Goldpreis. Für alle Anleger, deren Heimatwährung nicht der Dollar ist, wird Gold bei fallendem Dollar günstiger. Das ist bei den aktuellen Kursen natürlich relativ zu sehen.
Gold gilt als Inflationsschutz. Ist das derzeit auch ein Thema?
Ja. Die Unsicherheit rund um die Zollpolitik von US-Präsident Trump hat die Nachfrage nach Gold zusätzlich befeuert. Vor allem langfristig fürchtet der Markt einen Anstieg der Inflation. Das spielt dem Goldpreis in die Karten.
Was ist mit der Nachfrage durch die internationalen Notenbanken?
Die ist ebenfalls entscheidend für die aktuelle Dynamik. Seit 14 Quartalen in Folge (!) kaufen die weltweiten Notenbanken Gold. Und erstmals seit 1996 halten sie mehr Goldreserven als US-Staatsanleihen. Das zeigt allein schon, woher der Wind weht.
Nämlich?
Gold profitiert von der Tatsache, dass der Markt dem Dollar und den US-Staatsanleihen langsam etwas mehr Skepsis entgegenbringt. US-Investments gelten immer noch als überaus sicher und attraktiv, aber für den Fall der Fälle will man gerüstet sein und stockt die Goldreserven auf. Solche Überlegungen wären früher nicht angestellt worden.
Gibt es auch Notenbanken, die verkaufen?
Ja, und zwar die russische. Vermutlich braucht man dort Geld zur Finanzierung des Krieges.
Gold gilt auch als Krisenwährung …
Dass dem so ist, zeigt ebenfalls ein Blick in die Vergangenheit. Der Goldpreis steigt in Zeiten der Unsicherheit, das hat man sowohl während der Finanzkrise 2008 als auch beim Ausbruch von Covid 2020 gesehen.
Wo liegen denn die aktuellen Ängste?
Eine der zentralen Sorgen, mit denen sich der Markt derzeit herumschlägt, gilt der Unabhängigkeit der US-Notenbank (Fed). Auch wenn die wiederholten Attacken von Trump gegen die Fed noch keine heftige Marktreaktion ausgelöst haben, so wird das Thema doch zumindest immer wieder diskutiert. Auch das hat die Nachfrage nach Gold unterstützt.
Was ist mit den geopolitischen Krisen, Mittlerer Osten bis Ukraine?
Die spielen wahrscheinlich eher indirekt eine Rolle. An sich zeigen sich vor allem die Aktienmärkte, die so wie Gold zu den risikoreichen Anlageklassen gehören, von den weltweiten Krisenherden absolut unbeeindruckt. Eine Reihe von großen Aktienindizes haben zuletzt auf neuen Rekordhochs geschlossen. Das heißt, die Anleger haben derzeit in dieser Hinsicht wenig Bedenken, was an sich gegen eine Rallye in Gold sprechen müsste …
Wir sehen aber trotzdem steigende Goldpreise. Warum?
Wie gesagt, die Geopolitik spielt wahrscheinlich eher eine indirekte Rolle. Als der Westen in Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine die russischen Dollarreserven eingefroren hat, wurde damit augenfällig, wie schnell man als Staat seine Dollars los sein kann. Namentlich China hat sich das sehr genau gemerkt und kauft seither vermehrt Gold.
Man kann also sagen, Gold profitiert auch davon, dass das Vertrauen der Marktteilnehmer in die USA nicht mehr ganz so hoch ist wie früher?
Ja.
Dann kommt die schwierige Frage zum Schluss: soll man Gold jetzt noch kaufen, oder ist es dazu zu spät?
Wenn eine Anlageklasse in nicht einmal drei Quartalen um 40 Prozent gestiegen ist, dann kauft man natürlich in einen etwas überhitzten Markt hinein. Das muss einem bewusst sein. Gerade deshalb ist es sinnvoll, sich zu überlegen, ob man Gold in die langfristige Investmentstrategie einbauen will.
Und?
Es ist ein Rohstoff und daher durchaus schwankungsanfällig. Die 80er Jahre haben gezeigt, dass eine Schwächephase schon einmal länger dauern kann. Dennoch hat es seinen Platz in einem ausgewogenen Portfolio. Üblicherweise spricht man von einer Quote von bis zu 5 Prozent.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen