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Neue Studie

Nix grün: Warum Plug-in-Hybride fünf Mal schmutziger sind als angenommen

Wer einen Plug-in-Hybrid fährt, tut dies im Glauben, etwas für die Umwelt zu tun. Jetzt zeigt eine Studie an 800.000 Autos: Die angeblich so umweltfreundlichen Fahrzeuge belasten das Klima genauso sehr wie normale Benziner oder Diesel.

Plug-in-Hybrid-Autos gelten als alltagstauglich und schadstoffarm. Doch eine neue Untersuchung stellen ihnen ein rasend schlechtes Umwelt-Zeugnis aus
Plug-in-Hybrid-Autos gelten als alltagstauglich und schadstoffarm. Doch eine neue Untersuchung stellen ihnen ein rasend schlechtes Umwelt-Zeugnis ausGetty Images
Martin Kubesch
Akt. 17.10.2025 01:27 Uhr

Sie gelten als ideale Kombination aus Elektro- und Verbrennungdmotor-Autos: Plug-in-Hybride. Einerseits bieten sie Reichweiten von 1.000 Kilometern und mehr. Andererseits verspricht der zusätzliche Elektro-Antrieb die Reduktion der schädlichen Treibhausgase (vor allem des Klima-Killers CO2) auf das absolute Minimum. Plug-in-Hybride vereinen also das Beste beider Auto-Welten – theoretisch.

Doch die Realität hält mit diesen Verheißungen nicht stand. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass die Umweltbelastung durch Plug-in-Hybride im Alltag bis zu fünf Mal höher ist, als aufgrund von Laborversuchen ursprünglich errechnet. Dafür wurden die Verbrauchsdaten von drei Jahren und 800.000 Plug-in-Hybrid-Pkw aus der gesamten EU herangezogen und ausgewertet.

Konkret bedeutet das: Im Alltagsbetrieb emittieren Plug-in-Hybride nahezu genauso viele Schadstoffe wie herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Und die schöne Vorstellung, wer einen solchen Wagen fährt, tut damit etwas für die Umwelt tut, ist tatsächlich nicht mehr als ein Wunsch ans Christkind.

Weshalb der Schadstoff-Ausstoß von Plug-in-Hybriden so falsch eingeschätzt worden ist, was das für die Besitzer solcher Autos bedeuten könnte und was die EU jetzt plant – das muss man über die Umweltgefahr durch Plug-in-Hybrid-Autos wissen:

Zunächst: Was sind Plug-in-Hybride?
Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die einerseits einen Verbrennungsmotor als Antrieb haben, der mit Benzin oder Diesel läuft. Und zusätzlich dazu noch einen Elektromotor samt Batterie, der den Verbrennungsmotor beim Antrieb des Fahrzeuges unterstützen und so dessen Schadstoff-Ausstoß senken soll. Und, ganz wichtig: Um die Batterie eines Plug-in-Wagens aufzuladen, muss man sie, wie bei einem reinen E-Auto, an einer Stromtankstelle aufladen. Deshalb auch der Name Plug-in-Hybrid, also ein Hybrid zum Anstecken.

Anders als Nur-Hybrid-Autos, brauchen Plug-in-Hybride einen regelmäßigen Lade-Stopp
Anders als Nur-Hybrid-Autos, brauchen Plug-in-Hybride einen regelmäßigen Lade-Stopp
Getty Images

Was ist der Unterschied zu einem Nur-Hybrid-Wagen ohne Plug-in?
Ein Nur-Hybrid-Wagen kann nicht angesteckt werden, seine Batterie wird durch die Bewegungsenergie, die beim Abbremsen des Autos entsteht, aufgeladen. Der Unterschied besteht darin, dass die Batterien in Nur-Hybrid-Autos eher klein und leicht sind und nur eine geringe Menge an Energie speichern können, üblicherweise etwa 1-2 Kilowattstunden (kWh). Das genügt, um etwa im Innenstadtverkehr rein elektrisch zu fahren, hat aber kaum Auswirkung auf die Reichweite eines Autos.

Und bei Plug-in-Hybriden?
Werden wesentlich größere Batterien eingebaut, das kann bis zu 38 oder noch mehr kWh gehen. Aber damit so eine leistungsfähige Batterie auch aufgeladen werden kann, muss man sie eben an die Steckdose hängen. Brems-Energie genügt da längst nicht mehr.

Wozu überhaupt so große Batterien?
Einerseits um dem Auto mehr Dynamik zu verleihen – mit so viel Strom lässt sich schon ein ordentliches Drehmoment erzeugen. Und – noch wichtiger – um die Reichweite der Autos zu erhöhen, ohne den Schadstoff-Ausstoß mit in die Höhe zu schrauben. Die Hersteller von Plug-in-Hybriden versprechen Reichweiten wie bei Verbrenner-Autos, aber bei einem Bruchteil an Schadstoffen.

Wie wird der Schadstoff-Ausstoß eines Autos festgestellt?
Er wird aufgrund von sehr komplizierten, genormten Tests und Messungen errechnet, die im Labor und auf Prüfständen stattfinden. Und zwar noch ehe ein Modell überhaupt in den Handel kommt.

Wofür ist das wichtig?
Diese Schadstoff-Werte werden herangezogen um festzulegen, wie hoch die Umweltabgaben sind, die der Käufer eines Fahrzeuges zusätzlich zum reinen Produktpreis und der Steuer zu bezahlen hat. Bezeichnung und Höhe dieser Abgabe sind von Land zu Land verschieden. In Österreich wird diese Umwelt-Gebühr in Form der Normverbrauchsabgabe (NoVA) entrichtet.

Ehe ein neues Modell in den Verkauf kommt, werden seine Abgas-Werte unter Laborbedingungen ermittelt
Ehe ein neues Modell in den Verkauf kommt, werden seine Abgas-Werte unter Laborbedingungen ermittelt
Fotoagentur WESTEND61 / Westend61 / picturedesk.com

Also je weniger Schadstoff-Ausstoß, desto weniger Umweltabgabe?
Richtig. Und Plug-in-Hybride stehen hier auf der Gewinnerseite, denn sie haben laut den genormten Tests einen verhältnismäßig geringen Schadstoff-Ausstoß im Vergleich mit reinen Verbrenner-Autos. Heißt die NoVA für Plug-ins ist in Österreich extrem niedrig oder fällt im günstigsten Fall ganz weg. Also gleiche Leistung und Reichweite wie ein Verbrenner, weniger Schadstoffe, günstiger.

Und was ist jetzt geschehen?
Die britische Umweltorganisation Transport and Environment veröffentlichte nun einen Bericht, wonach die offiziellen Schadstoff-Werte von Plug-in-Hybriden in den Labortests massiv zu niedrig festgelegt worden sind. Der reale Schadstoff-Ausstoß von Plug-in-Hybriden ist demnach bis zu fünf Mal so groß und damit nur knapp unter jenem von reinen Verbrenner-Autos.

Wie ist man da draufgekommen?
Durch die Auswertung der Verbrauchsdaten von insgesamt 800.000 Plug-in-Hybrid-Pkw in der EU.

Woher hat die EU so viele Pkw-Verbrauchsdaten?
Seit 2021 müssen alle Neuwagen ein Treibstoff-Erfassungssystem (das sogenannte OBFCM) eingebaut haben, das sämtliche Verbrauchsdaten aufzeichnet. Und einmal im Jahr, im Rahmen der amtlichen Fahrzeugüberprüfung (in Österreich § 57a vulgo "Pickerl") werden diese Daten ausgelesen und an das EU-Umweltamt in Dänemark weitergereicht.

Was passiert dort mit den Daten?
Es wird unter anderem überprüft, wie weit die tatsächlichen Verbrauchswerte von einzelnen Fahrzeugtypen und Modellen mit den im Labor errechneten Verbrauchswerten übereinstimmen oder wo es Abweichungen gibt.

Plug-in-Hybrid-Autos sind nahezu genauso klimaschädlich wie herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, so eine neue Untersuchung
Plug-in-Hybrid-Autos sind nahezu genauso klimaschädlich wie herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, so eine neue Untersuchung
Getty Images

Was kam dabei heraus?
Konkret wurden die Verbrauchsdaten aus den Jahren 2021 bis 2023 überprüft, neuere Daten liegen noch nicht vor. Dabei zeigte sich, dass die realen Verbrauchsdaten der Plug-in-Hybride um ein Vielfaches  höher sind als angenommen.

Um wie viel waren die realen Verbrauchsdaten der Plug-ins höher?

  • Die realen CO2-Emissionen der Plug-ins waren im Jahr 2023 insgesamt 4,9 mal höher als in den Labortests errechnet.
  • Im Vergleich mit dem Schadstoff-Ausstoß von Benziner oder Diesel, liegt der Schadstoff-Ausstoß von Plug-in-Hybriden demnach nur um 19 Prozent darunter.
  • Bis dahin war man – aufgrund der Labortests – davon ausgegangen, dass der Schadstoff-Ausstoß von Plug-ins um bis zu 75 Prozent unter jenem von Pkw mit Verbrennungsmotoren liegt.

Was heißt das?
Das bedeutet, dass europaweit Menschen Autos mit einem Plug-in-Hybrid-Antrieb kaufen im Glauben, damit einen wertvollen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. In Wahrheit sind diese Fahrzeuge aber nahezu genauso umwelt- und klimaschädlich wie herkömmliche Autos.

Wie konnte es zu so einer Fehlkalkulation kommen?
Das hat nach Experteneinschätzung mehrere Gründe – und zu einem Teil sind die Fahrer der Plug-ins auch selbst mit Schuld daran.

Der Batterie-Ladevorgang ist für viele Autobesitzer eine Geduldsprobe
Der Batterie-Ladevorgang ist für viele Autobesitzer eine Geduldsprobe
Getty Images/iStockphoto

Warum ist der reale Verbrauch der Plug-in-Hybriden so viel höher als angenommen?

  • Der wichtigste Punkt ist, dass für die Schadstoff-Einschätzung berechnet werden muss, welche Strecke ein vollgeladener / aufgetankter Plug-in-Hybrid rein elektrisch zurücklegen kann. Je größer die Strecke, desto niedriger die Schadstoff-Einschätzung.
  • Um aber eine möglichst lange Strecke – theoretisch – rein elektrisch zurücklegen zu können, bauen die Hersteller möglichst große und leistungsstarke Batterien in die Hybrid-Pkw ein.
  • Würde jetzt – wie bei der Labor-Berechnung angenommen – jeder Plug-in-Besitzer die Batterie seines Wagens immer voll aufladen und auch im Fahrbetrieb einsetzen, dann wären die Schadstoff-Werte der Fahrzeuge auch in der Realität zumindest nahe an den errechneten Labor-Werten.
  • Es ist allerdings so, dass die meisten Besitzer von Plug-in-Hybrid-Autos ihre Batterien im Alltag viel zu selten aufladen. Und dann hat die große Batterie nicht nur keinen, sondern sogar einen kontraproduktiven Effekt: Denn nun hat der Verbrennungsmotor im Hybrid nicht nur keine Elektro-Unterstützung, sondern muss auch noch die schwere Batterie mitschleppen.
  • So steigt ganz automatisch der Treibstoffverbrauch – und damit auch der Schadstoff-Ausstoß des Plug-in-Hybriden.

Woher will man wissen, dass die Besitzer ihre Batterien zu selten aufladen?
Auch das halte die Verbrauchsdaten-Aufzeichnung des Wagens akribisch fest und melde es einmal im Jahr der EU-Umweltbehörde, erklärt ÖAMTC-Technikexperte Andrej Prosenc.

Aber haben die Autos ohne Elektro-Antrieb nicht zu wenig Power?
Die überwiegende Zahl der Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge gehört zur automobilen Oberklasse und hat sehr leistungsstarke Sechs- oder Achtzylinder-Motoren eingebaut, die alleine schon für genügend Power sorgen. Auf 100 Elektro-PS extra kommt es d meistens nicht an.

Haben Plug-in-Hybride einen großen Marktanteil?
In Europa liegt er knapp unter zehn Prozent, wobei die Zulassungszahlen ständig steigen. Von Jänner bis Juli 2025 wurden EU-weit 561.190 Neufahrzeuge mit Plug-in-Hybridantrieb verkauft.

Und in Österreich?
Haben Fahrzeuge mit Hybridantrieb sogar einen Neuwagen-Marktanteil von etwa 32 Prozent. 2024 wurden laut Statistik Austria mehr als 81.000 Hybrid-Autos verkauft (es wird allerdings nicht unterschieden zwischen Nur-Hybrid und Plug-in-Hybrid).

2024 wurden in Österreich 81.000 Pkw mit Hybridantrieb verkauft, Tendenz steigend
2024 wurden in Österreich 81.000 Pkw mit Hybridantrieb verkauft, Tendenz steigend
iStock

Weshalb sind diese Fahrzeuge so beliebt?
Das liegt vor allem an der Preisgestaltung der Hersteller. Sie können die Fahrzeuge deutlich günstiger als vergleichbare Benziner oder Diesel anbieten, weil die Umwelt-Besteuerung, also die Abgaben für den Schadstoff-Ausstoß, aufgrund der niedrigen Labor-Messdaten so viel niedriger ist. Laut Dieter Platzer, dem Sprecher des Herstellers Land Rover in Österreich, sind etwa bereits 60 Prozent der hierzulande verkauften Modelle des Range Rover Sport Plug-in-Hybride.

Wie geht es jetzt weiter?
Die EU hat bereits am Anfang des Jahres ein erstes Signal gesetzt und die Rahmenbedingungen für die Schadstoff-Berechnungen leicht abgeändert. Dadurch fallen diese nicht mehr so günstig für die Hersteller aus. Was zur Folge hat, dass einige Plug-in-Modelle mittlerweile mit einer (moderaten) NoVA belastet werden, die vor einem Jahr noch ganz ohne NoVA verkauft werden konnten.

Das hilft dem Klima aber nur marginal …
Na ja. 2027 ist von der EU eine weitere Adaptierung bei der Schadstoff-Berechnung geplant, dann werden die Preise für Plug-in-Hybride nochmals anziehen. Ob man sich in Brüssel zu noch mehr Verschärfungen wird durchringen können, bleibt allerdings abzuwarten.

Was ist zu erwarten?
Angesichts der katastrophalen Umsatz-Zahlen in Europas Autoindustrie wäre es gut vorstellbar, dass man hier einen weiteren Kompromiss zugunsten der Wirtschaft und zu Ungunsten des Klimas eingeht, um nicht noch mehr an Boden vor allem gegenüber den chinesischen Herstellern zu verlieren, die mit Kampfpreisen immer mehr auf den EU-Markt drängen.

Martin Kubesch
Akt. 17.10.2025 01:27 Uhr