Sehr schnell wurde eine Verschwörungstheorie daraus. Am Weg zu seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung wurden der US-Präsident und die First Lady auf der Rolltreppe gestoppt. Eine Intrige, vermuteten Trump und seine Fans rasch. Was tatsächlich passierte.
Dieses Video erheitert seit Dienstag die Welt. Zu sehen: US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania steigen im UNO-Hauptquartier in New York auf die Rolltreppe – und die bleibt daraufhin stehen. Ein stiller Protest? Ein technisches Versehen? Zufall oder böswillige Sabotage? Was man über den Vorfall weiß:
Vorab: Trump hatte an diesem Tag grundsätzlich Pech, oder?
Ja, der alte Spruch bewahrheitete sich: wenn du kein Glück hast, kommt oft noch Pech dazu.
Was passierte?
Bei seiner Rede funktionierte anfangs der Teleprompter nicht. Trump riss ein paar Witze über die beiden Vorfälle, aber man muss nicht sehr nahe dran sein am Präsidenten, um zu wissen: in ihm brodelte es.
Was war da mit dem Teleprompter?
Er fiel anfangs ungefähr eine Minute lang aus, Trump musste improvisieren, denn er konnte den vorgefertigten Text nicht ablesen. Danach funktionierte die Anlage, aber nicht jeder im Raum bemerkte einen inhaltlichen Qualitätssprung.
Was ist überhaupt ein Teleprompter?
Ein optischer Souffleur. Auf einem Monitor wird ein Text angezeigt, der Redner oder die Rednerin können auf das Display schauen und dort Wort für Wort ablesen. Gleichzeitig sieht es so aus, als würden sie frei reden und trotzdem Augenkontakt halten.
Wie ist das bei der UNO?
Delegationen bekommen vor der Vollversammlung eine Art Regelbuch ausgehändigt. Darin ist alles festgelegt, was die Teilnehmenden wissen müssen, von den Modalitäten der Ankunft bis zu den Toilettenanlagen. Oft wird auch vermeintlich Selbstverständliches mitgeteilt, heuer etwa: "Die Redner dürfen keine eigenen Rednerpulte mitbringen."
Steht da auch was über Teleprompter?
Nein, nicht mehr. 2022 ist im Regelbuch noch nachzulesen, dass der Teleprompter von den Vereinten Nationen beigestellt wird und sich niemand selbst darum kümmern muss.
Warum ist das wichtig?
Weil es bei Trump nun anders war und das dürfte auch der Grund gewesen sein, warum sein Teleprompter anfangs nicht lief.
Was war das Problem?
Das Weiße Haus wollte sich nicht auf die UNO verlassen und bestand darauf, den Teleprompter selbst bedienen zu wollen. Es wurde damit argumentiert, dass man selbst am besten wüsste, mit welcher Geschwindigkeit der Text gesenden werden müsste.
Aber?
Die Beamten des Weißen Hauses stöpselten ihre eigenen Notebooks an und loggten sich in das System der Vereinten Nationen ein. Dabei dürfte es zu technischen Schwierigkeiten gekommen sein. Als Trump also später sagte, dass "derjenige, der diesen Teleprompter bedient, in großen Schwierigkeiten steckt“, richtete sich sein Ärger gegen die eigenen Leute. Ob er das wusste, ist unklar.
Wie lange redete Trump?
56 Minuten, üblich sind eigentlich maximal 15 Minuten. Für einen US-Präsidenten stellte er einen Rekord auf. Der ehemalige Palästinenser-Führer Jassir Arafat kam allerdings 1974 auf 90 Minuten, Fidel Castro, ehemaliger Präsident Kubas, sprach am 26. September 1960 viereinhalb Stunden lang.
Ging Trump auf den Teleprompter-Fehler ein?
Ja, mehrfach, anfangs war es sogar der US-Präsident selbst, der alle darauf aufmerksam machte. "Macht nichts, dann halte ich die Rede halt ohne Teleprompter", sagte er.
Und dann?
Etwa zehn Minuten nach Beginn seiner Ansprache kehrte er zur Panne zurück und machte seine eigene Geschichte daraus. "Vor vielen Jahren habe ich – ein sehr erfolgreicher Immobilienentwickler in New York, bekannt als Donald J. Trump – ein Angebot für die Renovierung und den Wiederaufbau dieses UN-Komplexes abgegeben", sagte der Präsident. "Ich erinnere mich noch gut daran."
Stimmt das?
Ja, Anfang der 2000er Jahre hatte Trump die Renovierung des 39-stöckigen UN-Hauptquartiers in Manhattan vorangetrieben. Letztlich wurde er übergangen, und das 2,3 Milliarden Dollar teure Projekt laut Associated Press mit drei Jahren Verspätung und Kostenüberschreitungen von über 400 Millionen Dollar fertiggestellt.
Das kostete er nun aus?
Ja, man kann Trump nicht vorwerfen, dass er Gelegenheiten nutzlos verstreichen lässt. "Ich habe damals gesagt, ich würde es für 500 Millionen Dollar machen – den Wiederaufbau, alles", erzählte er. "Es wäre wunderschön. Ich habe immer davon gesprochen, dass ich Ihnen Marmorböden verpassen werde. Aber sie entschieden sich für eine andere Richtung, die damals viel teurer war. Mir wurde klar, dass sie keine Ahnung vom Bauen hatten und dass ihre Baukonzepte völlig falsch waren."
Fazit?
"Wenn ich mir das Gebäude ansehe und auf der Rolltreppe feststecke, glaube ich ehrlich gesagt, dass sie ihre Arbeit noch immer nicht beendet haben", sagte er. "Das ist Jahre her." Und damit hatte er den Bogen zum eigentlichen Ereignis des Tages gespannt – die Rolltreppen-Affäre.
Was war mit der Rolltreppe?
Sie ging ihrem eigentlich Job nicht nach, nämlich zu rollen. Um Dienstag um 9.50 Uhr Ortszeit blieb sie einfach stehen. Das passiert Wiener U-Bahnfahrern auch, aber in diesem Fall war etwas anders. Die zu befördernde Fracht bestand aus dem US-Präsidenten und seiner First Lady, die wie immer bestens gelaunt aussah.
Was passierte genau?
Melania betrat als Erste das Corpus Delicti. Für Modebewusste: Sie trug einen weißen Hosenanzug von Dolce & Gabbana über einer kupferfarbenen Bluse von Max Mara, dazu hautfarbenen Pumps mit spitzer Spitze. Spitze!
Aber weit kam sie mit der spitzen Spitze nicht, oder?
Nein, kurz nachdem auch ihr Göttergatte die linke der beiden Rolltreppe betreten hatte, blieb die Transporthilfe stehen und das sehr abrupt. Melania machte einen kleinen Satz nach vorne. Wenn die First Lady nicht in Topform gewesen wäre, wäre sie gestürzt,“ witzelte Trump später und blieb damit diesmal bei der Wahrheit.
Was geschah danach?
Erst blicke Melania fragend nach rechts, dann Trump. Nach einem kurzen Moment begann die First Lady damit, die Treppen der nicht rollenden Rolltreppe zu Fuß zu bewältigen. Ohne sich umzublicken. Was mit ihrem Mann dahinter passierte, kümmerte sie weniger.
Die sozialen Medien kümmerte der Vorfall aber sehr wohl?
Ja, es kursierten schnell Verschwörungstheorien (und Memes). Trump wäre von der UNO sabotiert worden, hieß es. "Wenn jemand bei der UNO die Rolltreppe absichtlich angehalten hat, als der Präsident und die First Lady einstiegen, muss er entlassen und der Vorgang sofort untersucht werden", schrieb Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, auf X.
Hat das ein Fundament?
Zumindest für das Trump-Lager. Zitiert wird ein Artikel aus der Sunday Times, der am Wochenende vor der Vollversammlung erschien. Darin steht: "Anlässlich Trumps Ankunft scherzten UN-Mitarbeiter, sie könnten die Rolltreppen und Aufzüge abschalten und ihm einfach sagen, ihnen sei das Geld ausgegangen, sodass er die Treppe hinaufgehen müsse."
Warum das?
Es herrscht großer Ärger (und Angst), weil die USA ihre Zahlungen an die Vereinten Nationen ausgesetzt hatten.
Geht es da um viel Geld?
Oh ja. Die Vereinigten Staaten sind bis heute der größte Geldgeber der Vereinten Nationen. Im Jahr 2023 steuerten sie knapp 13 Milliarden US-Dollar bei, was mehr als einem Viertel des Gesamtbudgets der Organisation entspricht.
Und heuer?
Wurde noch kein Cent überwiesen. Trump hat alles Zahlungen für die Beiträge und Friedensmissionen 2025 gestoppt, obwohl rund eine Milliarde Dollar bereits vom Kongress bewilligt worden waren. Die UNO bereitet für 2026 einen Sparhaushalt vor, Büros werden geschlossen, Tausende Mitarbeiter stehen vor der Kündigung.
Wie viel zahlt Österreich?
Rund 21 Millionen Euro werden heuer direkt dem Budget der Vereinten Nationen zugeschossen, der Beitrag wurde am 6. Februar überwiesen. An die UNO und ihre Teilorganisationen flossen im Vorjahr insgesamt 139 Millionen Euro.
Was war nun der Grund für den Rolltreppen-Stopp?
Die Vereinten Nationen sprechen von einer natürlichen Ursache. Ein Videofilmer sei rückwärts die Rolltreppe hinaufgefahren, um die Ankunft des US-Präsidenten mit First Lady Melania Trump festzuhalten. Dabei habe er "möglicherweise versehentlich die Sicherheitsfunktion ausgelöst", als er oben ankam, sagte ein UN-Sprecher.
Wie das?
Die Vermutung ist, dass er mit einem Kleidungsstück zu nahe oder in den Mechanismus der Rolltreppe gelangte und sie daraufhin automatisch stoppte. Das habe eine Auslesung der zentralen Verarbeitungseinheit der Maschine ergeben, so die UNO.
Reicht das dem Weißen Haus?
Schaut nicht so aus. Es wird weiter eine Untersuchung des Vorfalls gefordert. Auch konservative Kommentatoren vermuten, dass es ein Komplott gegen den Präsidenten gegeben habe.
Wie schätzte Trump die Tragweite der Vorfälle ein?
Recht realistisch. Der Präsident schrieb später auf Truth Social über Rolltreppe und Teleprompter: "Diese beiden Ereignisse haben die Rede wahrscheinlich interessanter gemacht haben, als sie es sonst gewesen wäre."