MONIKA KÖPPL-TURYNA

"So steht Österreich wirtschaftlich derzeit wirklich da"

Warum wir wieder mehr sparen, was wir schlechter machen als die USA, was die Politik nun tun müsste. Wirtschafts-Expertin Monika Köppl-Turyna analysiert.

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Der Motor hat schon einmal lauter gebrummt, und das ist noch die wohlwollendste Sicht auf die Fakten. Vor wenigen Tagen senkten sowohl das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), als auch das Institut für Höhere Studien (IHS) ihre Prognosen für die heimische Wirtschaft signifikant. Im Dezember war noch von einem Wachstum von 0,9 bzw. 0,8 Prozent für heuer die Rede, nun wird mit nur mehr 0,2 bzw. 0,5 Prozent Wachstum gerechnet. Die Inflationsrate soll sich auf 3,8 bzw. 3,5 Prozent mehr als halbieren.

Auch das für Österreich enorm wichtige Deutschland schwächelt. Am Mittwoch korrigierten auch hier die Wirtschaftsexperten ihre Konjunkturprognose nach unten. Die führenden Forschungsinstitute trauen der deutschen Wirtschaft heuer nur noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent zu, 2025 soll es besser werden. Letzten Herbst war noch ein Plus von 1,3 Prozent für 2024 erwartet worden.

Monika Köppl-Turyna ist Direktorin Von Eco Austria, Universitätsprofessorin und Expertin von Newsflix
Monika Köppl-Turyna ist Direktorin Von Eco Austria, Universitätsprofessorin und Expertin von Newsflix
Helmut Graf

Wie gut (oder schlecht) geht es unserer Wirtschaft tatsächlich. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria und ab April 2024 Professorin an der Universität Warschau, findet dazu klare Worte. Die Expertin über:

Wie Österreich im Moment wirtschaftlich dasteht
Naja, die Prognosen für das Wirtschaftswachstum wurden vor Kurzem wieder deutlich gesenkt. Der Hauptgrund dafür ist, dass der private Konsum nicht anspringt. Die Prognosen im Winter waren noch sehr positiv. Es gab hohe Lohnabschlüsse, und wegen diesen erzielten Reallohnsteigerungen gab es die Hoffnung, die Nachfrage werde gestärkt. Aber das ist nicht eingetreten.

Warum der private Konsum nicht zulegt
Eine gängige Hypothese ist, dass die Menschen präventiv sparen. Sie beurteilen die wirtschaftlichen Aussichten eher negativ, das verunsichert. Sie denken auch, dass sich ihre eigene wirtschaftliche Position eher verschlechtern wird. Also sparen sie.

Die Gastronomie war zu Beginn des Jahres erneut einer der großen Inflationstreiber
Die Gastronomie war zu Beginn des Jahres erneut einer der großen Inflationstreiber
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Was die unmittelbare Folge davon ist
Es ist natürlich nicht gut, weil es zu einer Art selbsterfüllender Prophezeiung kommt. Viele sparen, weil sie erwarten, dass sich die Lage verschlechtert, die Lage verschlechtert sich aber vielleicht gerade deshalb, weil sie sparen. Das ist die kurzfristige Sicht auf die Dinge.

Was die längerfristige Sicht ist
Wir haben noch keine offizielle, mittelfristige Prognose für Österreich, aber die EU-Kommission schaut in die Zukunft, auch der Stabilitätsbericht des Finanzministeriums macht das. Und die Aussage ist, dass das Wachstum in den nächsten fünf Jahren unter zwei Prozent bleiben wird.  Das potenzielle Wachstum leidet also, und das hat eine Reihe von Gründen.

Was die Ursachen für das ausbleibende Wachstum sind
Der erste Blick gilt der Demographie und dem Arbeitsmarkt, die haben ein starkes Gewicht bei der Einschätzung. Es herrscht schlicht ein großer Mangel an geeigneten Arbeitskräften. Und zweitens gibt es natürlich die noch nicht ganz überwundene Energiekrise, die große Kostensteigerungen vor allem für exportierende Unternehmen verursacht.

Ob Österreich wirtschaftlich eine Insel ist
Nein, das betrifft viele Länder und das ist auch ein Problem für uns. Österreich ist wirtschaftlich stark von Deutschland abhängig, wenn also Deutschland einen Schnupfen bekommt, dann haben wir die Grippe. Man müsste tiefgreifende Reformen angehen, um wieder ein Wirtschaftswachstum zu erzeugen.

Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, und Bundeskanzler Karl Nehammer während eines Rundgangs bei der InvestInAustria in Wien
Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, und Bundeskanzler Karl Nehammer während eines Rundgangs bei der InvestInAustria in Wien
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Warum viele die wirtschaftliche Lage negativ einschätzen
Wir wissen aus den Daten, dass die Sparquoten steigen. Warum das so ist, das ist schwieriger zu sagen. Aber es gibt den eher hässlichen Begriff des Angstsparens. Sie erfahren, dass ein Kollege in ihrem Unternehmen den Job verloren hat. Also fangen sie an, anders zu planen, etwa größere Einkäufe zu verschieben oder abzusagen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass sie gar nicht das Gefühl haben, dass sich ihr Reallohn gesteigert hat.

Warum Menschen nicht an ihren Lohnzuwachs glauben
Weil sehr viel von der Inflation die Rede ist. Es gab die Lohnabschlüsse und die Hilfszahlungen der Regierung, also hat es bei vielen einen realen Lohnzuwachs gegeben. Auf der anderen Seite gibt es eine tatsächliche Inflation und eine gefühlte Inflation, man spürt, dass das tägliche Leben teurer geworden ist. Es stellt sich schnell der Eindruck ein, dass man eigentlich weniger Geld zur Verfügung hat. Ob das vermehrte Sparen oder die gefühlte Inflation die Ursache für die geringe Kauflust ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber die Konsequenzen sind für beides gleich.

Warum vermehrtes Sparen das Wachstum torpediert
Wenn in einer ohnehin schon schwachen Wirtschaftssituation die Sparquote steigt, dann dreht sich die Spirale weiter nach unten. Wenn der Staat, John Maynard Keynes folgend, in Krisenzeiten Konjunkturprogramme macht, viel Geld ausschüttet, um die Nachfrage zu stützen, aber die Krise damit nicht weggeht, dann haben sie ein Problem.

Ob die Maßnahmen der Regierung falsch waren
Es gab gute und schlechte Maßnahmen. Aber man darf nicht vergessen, dass mit den explodierenden Energiepreisen ein großer externer Schock da war. Wenn es etwas zu kritisieren gab, dann, dass wir die große Gasabhängigkeit hatten und noch immer haben. Da liegen wir einfach viel schlechter als andere Länder.

Welche Fehler bei den gesetzten Maßnahmen gemacht wurden
Wahrscheinlich, dass Geld manchmal zu wenig treffsicher ausgeschüttet wurde. Hilfszahlungen können Nachfrage auslösen, in Österreich wurde dadurch teilweise die Inflation angeheizt. Ich habe auch diese Politik mit Gutscheinen kritisiert, den Energiekostenzuschuss ebenfalls, weil er nicht präzise war und weil die Unternehmen keinen Anreiz hatten, die Preise früher zu senken.

Welche Folgen die hohe Inflation hat
Sie hat uns einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil verschafft. Die hohe Inflation hat die Lohnstückkosten noch einmal deutlich erhöht. Wenn das länger dauert, haben wir tatsächlich ein Wettbewerbsproblem.

Lohnerhöhungen, Hilfszahlungen, aber der private Konsum springt nicht an
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Warum die Inflation in Österreich langsamer sinkt
Die Treibstoffe sind ein Treiber, aber auch die Mietpreise, weil Haushaltsenergie viel teurer wurde. Österreich hat einen strukturell anderen Energiemarkt als etwa Spanien oder Portugal. Dort gab es die Inflation früher und sie ist schneller abgeklungen, weil der Energiemarkt viel stärker an die Spotmärkte gebunden ist. Bei uns haben Haushalte, aber auch Unternehmen viel häufiger längerfristige Verträge.

Welche Rolle die Gastronomie bei der Inflation spielt
In den letzten Monaten eine bedeutsame. Rund ein Prozentpunkt der Steigerung kam aus der Gastronomie. Offenbar ist die Nachfrage ausreichend groß.

Ob auch die Lohnsteigerungen Auswirkungen auf die Inflation hatten
Es gibt dazu Schätzungen von uns und von der Österreichischen Nationalbank. Pro 1 Prozentpunkt Lohnerhöhung gehen ungefähr 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte direkt in die Inflation. Die Lohnerhöhungen sind in Österreich stärker ausgefallen als in anderen Ländern.

Welche Maßnahmen die Wirtschaft ankurbeln könnten
Klar ist, dass Arbeitskräfte fehlen, das erhöht den Lohndruck. Das kann man gut finden, aber es steigert natürlich die Kosten und verringert die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Da muss man ansetzen. Wir brauchen also qualitative Zuwanderung für den Arbeitsmarkt, wir stehen da im Wettbewerb mit anderen Ländern, die haben dieselben Probleme.

Ob sich über das Budget etwas machen lässt
Wir müssen uns über die Prioritäten Gedanken machen. Wir geben sehr viel für Pensionen aus. Man kann das natürlich politisch rechtfertigen, aber die Pensionskosten werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren massiv steigen, und das nimmt uns Luft für Entlastungen und für nötige Investitionen. Es wäre sinnvoll, dass Antrittsalter für Pensionen auf 67 zu erhöhen.

Europa hat den Digitalboom verschlafen: Mark Zuckerberg, CEO von Meta
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Welche Investitionen nötig wären
Wir brauchen Geld für die Energiewende und für den Ausbau der Infrastruktur, als etwa Stromleitungen. Und dann natürlich Bildung. Es gibt keine bessere Maßnahme, um die Wirtschaft zu fördern, als in die Bildung zu investieren, in qualitativ gute Kindergärten und Schulen.

Warum viele Experten eine Senkung der Lohnnebenkosten fordern
Weil sie sehen, dass wir bei den Lohnstückkosten international stark unter Druck geraten. Österreich produziert zu teuer. Bei den Lohnstückkosten haben wir uns über viele Jahre parallel zu Deutschland entwickelt, jetzt hat sich das entkoppelt, in Österreich sind sie stärker gestiegen. Das sorgt für ein massives Problem. Es gibt dazu jetzt Initiativen der Regierung, schauen wir einmal, ob sich das noch ausgeht.

Was die USA, die ein deutliches Wirtschaftswachstum haben, besser machen
Sie profitieren viel von den digitalen Unternehmen. Das haben wir in Europa verschlafen. Man kann probieren, das aufzuholen oder es anders zu machen. Die Pharmaindustrie ist in Europa immer noch stark, darauf könnte man etwa setzen. Was die Amerikaner aber haben, ist ein enorm großer Kapitalmarkt. Nicht nur an der Börse, sondern es ist sehr viel privates Geld unterwegs. So sollte es eigentlich sein. Das Problem der europäischen Innovationspolitik ist es, dass einfach nicht genug Geld zur Verfügung steht. Wir haben Ideen, wir haben Start-ups, aber das Geld ist schnell aus, weil es einfach diesen Kapitalmarkt nicht gibt.

Was die USA von der EU unterscheidet
Es ist einfach ein großes Land, die EU ist ein Zusammenschluss vieler regionaler Gesellschaften. In den USA hast du sofort den kompletten Binnenmarkt zur Verfügung, wenn du eine Maßnahme setzt, es ist gleich der gesamte Schub da. In Europa hast du als Unternehmen 27 verschiedene Rechtsordnungen, Märkte, Finanzsysteme. Wir müssten lernen, dass wir alle im selben Boot sitzen.

Monika Köppl-Turyna ist Direktorin von EcoAustria, Professorin an der Seeburg Universität und ab April 2024 Professorin an der Universität Warschau. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Öffentliche Finanzen, Verteilungsfragen, Arbeitsmarkt und Fragen der politischen Ökonomie. Die Ökonomin hat an der Universität Wien promoviert und an der Johannes Kepler Universität Linz habilitiert. 

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