In der zweiten Serien-Adaption nach Bestseller-Autor Mick Herron ("Slow Horses") gibt Oscar-Gewinnerin Emma Thompson einen weiblichen Jackson Lamb. "Down Cemetery Road" ist noch kein großes Streaming, könnte es aber werden. Ab sofort auf Apple TV+.

Mit "Slow Horses" gelang Apple TV+ ein ganz großer Erfolg. Die 5. Staffel ging eben erst zu Ende, eine sechste ist bereits abgedreht. Wenn etwas funktioniert, folgen die Streamingdienste meist der einzig möglichen Logik: mehr davon. Und so ist es keine Überraschung, dass mit "Down Cemetery Road" eine weitere Vorlage von "Slow Horses"-Autor Mick Herron eine Serien-Adaption bekommt.
Ein Knall zu Beginn Von Apple wurde sie als "unverzichtbares Gegenstück zu Slow Horses" angepriesen. Und die Verwandtschaft ist eindeutig. Spätestens wenn die zweifache Oscar-Gewinnerin Emma Thompson als Privat-Ermittlerin Zoë Boehm erstmals die Streaming-Bühne betritt. Davor gibt aber zunächst einen (wortwörtlichen) Knall, der den Ausgangspunkt für die weitere Handlung markiert.
Ein Wunder? Die Oxforder Kunstrestaurateurin Sarah Trafford (Ruth Wilson, "Luther") gibt mit ihrem Banker-Ehemann Mark ein Dinner für einen seiner Kunden. Im Laufe des Abends fliegt ein Nachbarhaus in die Luft, auch das Fenster von Sarahs Esszimmer geht zu Bruch.
Geschockt macht sich die Runde auf und versucht, Informationen zu bekommen. Feuerwehr und Polizei tappen im Dunkeln, ein Gasleck soll die Ursache gewesen sein, die Bewohnerin des Hauses ist tot. Wie durch ein Wunder hat aber ihre kleine Tochter Dinah überlebt.

Etwas ist faul in Oxford In der Folge häufen sich seltsame Vorkommnisse: Sarah möchte der im Krankenhaus liegenden Dinah eine Zeichnung vorbeibringen, wird aber rüde abgewiesen. Die Polizei erklärt, dass sie zu dem Fall keine Infos weitergeben kann. Dann entdeckt Sarah auch noch, dass Dinah aus Aufnahmen, die in der Zeitung erschienen sind, weg retuschiert wurde. Irgendwas ist faul.
Ermittlungen Eher durch Zufall landet sie schließlich in der Privatdetektei von Joe Silverman (Adam Godley) und seiner Frau Zoë Boehm (Emma Thompson), die in der Regel mit vermissten Hunden und fremdgehenden Männern befasst sind. Joe will sich des Falles annehmen, er ist der einzige, der Sarah Ernst nimmt. Sarahs Mann Mark hingegen denkt, sie würde nur herumspinnen.
War es wirklich Selbstmord? Doch dann ist Joe selbst plötzlich tot: Mit aufgeschlitzten Pulsadern sitzt er in seinem Büro, als Sarah ihn entdeckt. Alles sieht aus wie Selbstmord, doch daran kann auch seine Frau Zoë nicht glauben, deren Gehör Sarah nun endlich hat. Gibt es eine Verschwörung? Wer steckt dahinter? Wo ist das Mädchen geblieben? Und was hat es mit dem weißen Van auf sich, der Sarah auf Schritt und Tritt zu folgen scheint? Das Feld ist bereitet für einen verworrenen Kriminalfall.
Im Karriereherbst "Down Cemetery Road" merkt man an, dass die Serie eine Art Ausweitung des "Mick Herron-Universums" sein soll: Nicht unbedingt in der Umsetzung oder der Art und Weise, wie die Geschichte erzählt und inszeniert ist. Aber umso mehr, wie die Figur der Zoë Boehm angelegt ist: Wie Gary Oldmans Rolle Jackson Lamb aus "Slow Horses", ist auch sie mit einer britischen Schauspiel-Ikone im Herbst ihrer Karriere besetzt, eben mit Emma Thompson.
Idealbesetzung Wie Jackson Lamb, fällt auch diese Figur durch ihren – gelinde gesagt – "kantigen" Habitus und ihre unorthodoxen Methoden auf: Zoë Boehm ist unfreundlich, stößt ihre Mitmenschen, für die sie in der Regel mehr Verachtung als Wohlwollen übrig hat, regelmäßig vor den Kopf, auf soziale Anstandsregeln pfeift sie. Und trotzdem ist sie auf ihre Art und Weise genial in dem, was sie macht. Mit Emma Thompson hat man dafür sicher eine Idealbesetzung gefunden.
Ein weiblicher Macho Interessant an der Figur der Zoë Boehm ist auch, dass ihr Eigenschaften zugeschrieben sind, die in der Regel in Detektivgeschichten für Männer reserviert sind: Sie ist kalt und abweisend, ihren Mann, der sie über alles liebt, hintergeht sie, man könnte sie getrost einen weiblichen Macho nennen. Und trotz allem hat sie - wie auch Jackson Lamb - im Grunde ein gutes Herz, das sich eben unter einer sehr rauen Oberfläche verbirgt.

Blasse Nebenfiguren Die zweite Hauptfigur, Sarah, ist in vielen Belangen das Gegenteil von Boehm: Neurotisch, unsicher, sie tendiert dazu, es allen recht machen zu wollen. Ruth Wilson spielt das auch gut - aber neben Thomsons Zoë Boehm verblasst ihre Figur zusehends, ebenso wie auch die meisten Nebencharaktere der Serie.
Stärken und Schwächen "Down Cemetery Road" kann auf der Figurenebene viel Positives bieten: Zoë Boehm ist auch merkbar als potenzielle "Kultfigur" angelegt, die viele weitere Staffeln tragen soll. Doch nicht alles funktioniert in der Serie: Es sind gerade der überkomplexe Plot, die vielen Nebenfiguren, die zu vielen Handlungsstränge, die das Ganze mitunter verwirrend machen. Der Versuch von Serienschöpferin Morwenna Banks, die üppige Buchvorlage auf das Nötige zu kondensieren, war leider nur bedingt erfolgreich.

Fazit Was bleibt: "Down Cemetery Road" zeigt in den ersten drei bisher veröffentlichen Episoden - vor allem dank einer unterhaltsamen und toll gespielten Hauptfigur - Potential. Die Mischung aus Krimi, Komödie und Verschwörungsthriller hat durchaus Unterhaltungswert. Aber sie krankt an einem zu unebenen Drehbuch, einer verworrenen und aufgeblähten Handlung. "Down Cemetery Road" hat viel Potenzial. Aber sofern es eine zweite Staffel geben sollte, muss grundlegend an der Dramaturgie gearbeitet werden.
"Down Cemetery Road", Krimi, Thriller. Großbritannien 2025, 8 Episoden à ca. 50 Minuten, Episoden 1-3 online, ab 12. November jede Woche eine weitere Episode, Apple TV+