Neues Gesetz

Verbot für Social Media: "Kinder sollen eine Kindheit haben"

Australien will Jugendlichen unter 16 den Zugang zu TikTok, Insta & Co sperren. Eltern werden in die Pflicht genommen, Konzernen drohen hohe Strafen. Nun wurde das Gesetz ins Parlament gebracht. Das steht drin, die Hintergründe und ob es klug ist.

Australien will den Zugang aller Kinder und Jugendlichen unter 16 zu sozialen Netzwerken per Gesetz verbieten
Australien will den Zugang aller Kinder und Jugendlichen unter 16 zu sozialen Netzwerken per Gesetz verbieten
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Christian Nusser
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Was sich jetzt schon sagen lässt: Elon Musk ist kein Fan. Der Milliardär, der für den künftigen US-Präsidenten Donald Trump die Verwaltung verschlanken soll,  äußerte sich auf X abschätzig über die Pläne. Das scheine "eine Hintertür zu sein, um den Internetzugang aller Australier zu kontrollieren", schrieb er.

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Die Australier selbst scheinen das nicht so zu empfinden, zumindest die in politischer Verantwortung nicht. Das "Online Safety Amendment" wird derzeit auf die Reise durchs Parlament geschickt, eine hohe Zustimmung in beiden Kammern scheint sicher. Das müssen Sie über das neue Gesetz wissen:

Was plant Australien?
Jugendlichen unter 16 Jahren soll der Zugang zu Plattformen wie X, TikTok, Facebook oder Instagram verboten werden. Es gehe darum, Kinder vor den "Schäden der sozialen Medien zu schützen", sagte Premierminister Anthony Albanese.

Der designierte US-Präsident Donald Trump mit seinem neuen besten Freund Elon Musk
Der designierte US-Präsident Donald Trump mit seinem neuen besten Freund Elon Musk
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Gibt es so ein Gesetz schon anderswo?
Nicht in der geplanten Fassung. Albanese nannte den Vorgang "weltweit führend".

Warum ist das in Australien so ein großes Thema?
Weil sich zuletzt die Berichte über negative Auswirkungen sozialer Netzwerke auf Kinder und Jugendliche gehäuft hatten. Das Land wurde immer öfter mit gewalttätigen, pornografischen oder anderen nicht altersgerechten Berichten, Bildern und Videos konfrontiert.

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Gibt es dafür Beispiele?
Viele. BBC Australien schildert den Fall eines 12-Jährigen, der in der Schule Streit mit einem anderen Buben hatte und daraufhin via Social Media-Gruppenchat gemobbt wurde. Er bekam über Snapchat ein Video geschickt, in dem ein Bursche mit einer Machete herumfuchtelte, man werde ihn "finden und erstechen" wurde ihm in Sprachnachrichten gedroht.

Ist die toxische Wirkung wissenschaftlich nachweisbar?
Ja, es gibt umfangreiche Belege für die negative Wirkung der sozialen Medien vor allem auf Heranwachsende. Die Zahl der Selbstverletzungen und der Suizide hat deutlich zugenommen. Social Media macht Teenager einsam, fand die Universität Cambridge heraus und sprach von einer "Einsamkeitsepidemie". Wer häufig auf TikTok & Co surft ist mit seinem Leben weniger zufrieden.

Jugendliche, die häufig im Internet surfen, sind mit ihrem Leben weniger zufrieden
Jugendliche, die häufig im Internet surfen, sind mit ihrem Leben weniger zufrieden
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Wie verbreitet ist Social Media?
Enorm und das ist Teil des Problems. In den USA geben 95 Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren an, eine Social-Media-Plattform zu nutzen. Mehr als ein Drittel sagt, sie nutzen soziale Medien "fast ständig". Obwohl das Mindestalter in den USA für die Anmeldung 13 Jahre ist, sind auch fast 40 Prozent der Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren auf Social Media.

Wie ist das in Australien?
Sehr ähnlich. Bei einer Umfrage aus 2023 unter Teenagern (15 bis 16 Jahre alt) zeigte sich: 98 Prozent nutzen regelmäßig mindestens ein Social-Media-Angebot. 27 Prozent der jungen Menschen sind auf vier verschiedenen Plattformen.

Und bei uns?
76 Prozent der 11- bis 17-Jährigen sind auf WhatsApp, 71 Prozent auf Instagram, 70 Prozent auf YouTube, 65 Prozent auf TikTok und 61 Prozent auf Snapchat, so der "Jugend-Internet-Monitor 2024".

Hat das Folgen?
Ja, Jugendliche verbringen mittlerweile im Schnitt fast fünf Stunden täglich in den sozialen Medien. 41 Prozent der Teenager mit der höchsten Social-Media-Nutzung bewerten gleichzeitig ihre allgemeine psychische Gesundheit als "schlecht" oder "sehr schlecht", berichtet die "American Psychological Association".

Australiens Ministerpräsident Anthony Albanese mit seinem Hund Toto
Australiens Ministerpräsident Anthony Albanese mit seinem Hund Toto
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Wie begründet die australische Politik nun ihre Initiative?
Premierminister Anthony Albanese sprach von einem "globalen Problem". Er wolle, dass "australische Kinder eine Kindheit haben. Und Eltern ihren Seelenfrieden", sagte er.

Was steht nun im australischen Gesetz?
Viel und wenig gleichzeitig. Der Entwurf ist 17 Seiten lang und will vor allem einen Rahmen bieten. Die genaue Ausgestaltung wird der nationalen Internet-Regulierungsbehörde – mit eSafety-Commissioner Julie Inman Grant an der Spitze – übertragen.

Wie weit ist das Vorhaben in Australien?
Es wurde am Donnerstag dem Repräsentantenhaus vorgelegt und soll in der letzten Novemberwoche durch den Senat gebracht werden. In Kraft treten kann das Gesetz frühestens 12 Monate nach Verabschiedung.

Was steht nun im Gesetz?
Wie schon erwähnt das Social Media-Verbot für alle Kinder unter 16 Jahren. Es nimmt auch die Eltern in die Pflicht. Sie dürfen ihren Kindern den Zugang nicht erlauben oder ermöglichen. Technologie-Unternehmen müssen "geeignete Maßnahmen" ergreifen, um Personen unter 16 Jahren zu sperren. Was "geeignete Maßnahmen" sind, muss eSafety-Commissioner Grant erst festlegen.

Technologie-Unternehmen sollen den Zugang mit "geeigneten Maßnahmen" regulieren
Technologie-Unternehmen sollen den Zugang mit "geeigneten Maßnahmen" regulieren
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Sind für die Eltern Strafen geplant?
Nein.

Welche Strafen drohen?
Technologie-Unternehmen, die Teenager nicht vom Zugang abhalten, können mit Strafen von bis zu 30 Millionen Euro belangt werden.

Gibt es da Ausnahmen?
Ja, und das macht es kompliziert. Plattformen, die "Dienstleistungen mit geringem Risiko" anbieten, sollen nicht unter das Gesetz fallen. Es macht keinen Sinn, Inhalte, die explizit für Kinder und Jugendliche gedacht sind, für Kinder und Jugendliche zu blockieren.

Wie wird das Alter der Kinder festgestellt?
Da stehen mehrere Optionen zur Debatte, eine Ausweiskontrolle, die Erfassung von biometrischen Daten oder ein Gesichtsscan. Derzeit lässt die Regierung die Methoden testen. Möglich wäre auch, die Alterskontrolle an die App-Stores zu übertragen, dann müsste der Nachweis nur einmal erbracht werden.

Was ist mit Teenagern, die jetzt schon Plattformen nutzen?
Für die sollen sich keine Änderungen ergeben.

Julie Inman Grant, eSafety Commissioner, muss die Details des Social-Media-Verbots festlegen
Julie Inman Grant, eSafety Commissioner, muss die Details des Social-Media-Verbots festlegen
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Wer fällt dann unter die neue Regelung?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. YouTube etwa nicht, weil die Plattform ohne Anmeldung zu benutzen ist. Der Gesetzgeber  muss also festlegen, was überhaupt eine Social Media-Plattform ist. Die erste Entscheidung dazu ist schon gefallen. Snapchat fällt unter die Regelung.

Haben es schon andere Länder mit einem Verbot probiert?
Oh ja! 2011 verabschiedete Südkorea ein "Shutdown-Gesetz", das Kindern unter 16 Jahren das Spielen von Internet-Games zwischen 22.30 Uhr und 6 Uhr verbot. Es wurde später mit der Begründung verworfen, man müsse "die Rechte der Jugend respektieren".

Frankreich versuchte es erst vor Kurzem mit einem Gesetz, das Social-Media-Plattformen dazu verpflichtete, Kindern unter 15 Jahren den Zugriff ohne elterliche Zustimmung zu sperren. Fast die Hälfte der Nutzer umging das Verbot mithilfe eines VPN, ergaben Untersuchungen.

Im US-Bundesstaat Utah probierte man es mit einem Gesetz, das dem australischen sehr ähnelt. Es wurde von einem Bundesrichter für verfassungswidrig erklärt.

Regelungen für Social Media verschärft: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez
Regelungen für Social Media verschärft: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez
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Gab es nicht in der EU ebenfalls Bemühungen?
Ja, die EU hat aber eine einheitliche Regelung bisher immer abgelehnt. Spanien hat am 4. Juli 2024 ein Gesetz verabschiedet, das Teenager besser in sozialen Netzwerken schützen soll. Hersteller digitaler Geräte müssen auf ihren Produkten vor Risiken für Minderjährige warnen.

Was sagen die Tech-Unternehmen?
Sie nennen das australische Verbot eine "Antwort des 20. Jahrhunderts auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts". Kinder würden in "gefährliche, unregulierte Teile des Internets" gedrängt werden, erklärte die Digital Industry Group Inc. Auch einige unabhängige Expertinnen und Experten sind dieser Auffassung.

Wie ist die Kritik sonst?
Es gibt alle drei Teile. Zustimmung, vollkommene Ablehnung und den Vorwurf, das geplante Gesetz sei zu milde. Zu "stumpf", sagten 100 australische Akademiker. Dieser Kritik ist sich eSafety-Commissioner Julie Inman Grant bewusst. Sie wolle "flexibel" auf die Anforderungen reagieren, sagte sie BBC Radio 5 Live. Der technologische Wandel werde "immer schneller voranschreiten als die Politik".

Was heißt das?
"Wir umzäunen den Ozean nicht … aber wir schaffen geschützte Badeumgebungen, die Sicherheit bieten und schon in jungen Jahren wichtige Lektionen vermitteln", sagte Grant laut BBC Anfang des Jahres vor dem Parlament.

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