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Bieter-wettstreit

Warum Benkos geheimes Gästebuch schon über 14.000 Euro wert ist

In Italien wird derzeit das Inventar der Signa-Villa am Gardasee versteigert. Um René Benkos persönliches Gästebuch ist dabei ein kurioser Bieter-Wettstreit entstanden. Aktuell muss man dafür über 14.000 Euro hinblättern. Warum will jemand so viel dafür bezahlen?

Die Widmung von Niki und Birgit Lauda: "Wir freuen uns auf Ibiza mit euch!"
Die Widmung von Niki und Birgit Lauda: "Wir freuen uns auf Ibiza mit euch!"Aurena
Martin Kubesch
Akt. 28.06.2025 00:31 Uhr

Meistens kauft man etwas, weil man es unbedingt haben möchte. Aber manchmal kauft man etwas vor allem deshalb, weil man nicht will, dass es wer anderer bekommt.

Solch eine Situation ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass es derzeit im Umfeld vom René Benkos insolventer Signa Holding zu einem Bieter-Wettkampf um ein eigentlich eher unscheinbares Buch kommt, der bereits die 10.000-Euro-Marke überschritten hat. Denn der Inhalt des Buches ist für einige Personen offenbar von großem Interesse. Um welches Buch es dabei geht, wie viel Geld dafür bereits geboten wurde, was der Hintergrund der Aktion sein könnte – die Fakten über eine der kuriosesten Auktionen des Jahres:

Worum geht es hier?
Um dieVersteigerung aller beweglichen Güter aus der Repräsentanz der Signa Holding in Italien. Diese war in der herrschaftlichen Villa Ansaldi in Sirmione am Gardasee untergebracht und diente u.a. mehrere Jahre lang als Gästeunterkunft für Freunde des Hauses.

Was gibt es über die Villa Ansaldi zu sagen?
Sie liegt am Südufer des Gardasees, auf der schmalen Landzunge, an deren Ende das pittoreske historische Städtchen Sirmione in den See hineinragt. Die Villa ist vierstöckig, liegt direkt am Seeufer in einem zwölf Hektar großen, abgeschotteten Park und verfügt über einen Anlegeplatz, einen Swimmingpool und einen Hubschrauberlandeplatz. Vom benachbarten Hotel du Lac wird es durch eine Schilf-Anpflanzung abgeschirmt.

Mehr als 1.800 Objekte aus der Villa Ansaldi am Gardasee gelangen insgesamt zur Versteigerung
Mehr als 1.800 Objekte aus der Villa Ansaldi am Gardasee gelangen insgesamt zur Versteigerung
Aurena

Weshalb wird alles versteigert?
Das passiert im Auftrag des Masseverwalters, der das Insolvenzverfahren der Signa Holding abwickelt. Alles, was im Eigentum der Signa stand, wird zu Geld gemacht und kommt am Ende den Gläubigern der Signa zugute.

Was kommt jetzt zur Versteigerung?
Sprichwörtlich alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Also jedes bewegliche Teil des Inventars – Möbel, Ausstattungsgegenstände, Büromaterial, Kunstwerke, Küchenutensilien, Haustechnik, übrig gebliebene Lebensmittel und Getränke.

Die Villa aus der Sicht von Google Maps: 12 Hektar Park, Hubschrauberlandeplatz, Bootsmole
Die Villa aus der Sicht von Google Maps: 12 Hektar Park, Hubschrauberlandeplatz, Bootsmole
Screenshot Google Maps

Und die Villa selbst?
Die war von Signa nur angemietet, steht also nicht zum Verkauf.

Worum ist nun ein Bieter-Wettkampf entbrannt?
Um das Gästebuch des Hauses. Darin haben sich die persönlichen Gäste von René Benko verewigt, der die Villa Ansaldi zur Repräsentation nutzte und dort auch Partys veranstaltete. So feierte er beispielsweise im Mai 2017 hier seinen 40. Geburtstag.

Bieterwettkampf bedeutet konkret?
Dass in den ersten 9 Tagen der Auktion – Start war am 17. Juni – bis Donnerstagabend bereits 104 Gebote für das Gästebuch abgegeben worden sind. Das aktuelle Höchstgebot liegt bei 9.900 Euro – Startpreis waren 50 Euro!

Heißt, das Gästebuch ist jemandem fast 10.000 Euro wert?
Noch viel mehr, denn zum Höchstgebot kommen am Ende noch 18 Prozent Auktionsgebühr sowie 22 Prozent Mehrwertsteuer (das ist der Satz in Italien) dazu. So summiert sich das unscheinbare Büchlein jetzt bereits auf eine Kaufsumme von 14.252 Euro. Und die Auktion läuft noch 17 Tage lang.

Da meint es jemand offenbar sehr ernst
Ja, oder mehrere Menschen meinen es sehr ernst. Denn es müssen ja mindestens zwei Bieter sein, die sich hier gegenseitig hochtreiben.

René und Natalie Benko, hier bei der Eröffnung des KaDeWe in Berlin, gaben in ihrer Villa am Gardasee auch Partys
René und Natalie Benko, hier bei der Eröffnung des KaDeWe in Berlin, gaben in ihrer Villa am Gardasee auch Partys
Picturedesk

Was weiß man über das Gästebuch?
Es ist ein schlichtes Notizbuch der Marke Leuchtturm mit glatten Seiten und sehr liebevoll gestaltet. Es befinden sich Zeichnungen der Villa und des Parks darin. Am Beginn findet sich zudem ein Sinnspruch von Voltaire in Schönschrift: "Jede Art zu Schreiben ist erlaubt. Nur nicht die langweilige." Und dann folgen etwa 70 persönliche Widmungen.

Wer hat aller unterschrieben?
Bislang sind nur drei Personen bekannt: Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die Rocksängerin Tina Turner sowie Birgit und Niki Lauda. Die beiden haben noch ein Notabene für René und Nathalie Benko angefügt: "Wir freuen uns auf Ibiza mit euch!"

Heiß umkämpft: Für das Gästebuch von René Benkos Villa Ansaldi am Gardasee werden derzeit bereits fast 14.000 Euro geboten
Heiß umkämpft: Für das Gästebuch von René Benkos Villa Ansaldi am Gardasee werden derzeit bereits fast 14.000 Euro geboten
Aurena

Weshalb sind nur diese drei Persönlichkeiten bekannt?
Weil alle drei mittlerweile verstorben sind. Niki Lauda starb im Mai 2019, Tina Turner im Mai 2023 und Silvio Berlusconi im Juni 2023.

Was bedeutet das?
Einerseits lässt sich daraus schließen, dass alle anderen Personen, die sich mit Widmungen in dem Gästebuch verewigt haben, noch am Leben sind. Und andererseits, dass es sich auch bei ihren Widmungen um persönliche Worte an die Benkos handeln dürfte, die nicht so ohne weiteres veröffentlicht werden können.

Weshalb? Das Gästebuch wird ja öffentlich versteigert?
Schon richtig, und juristisch ist das auch in Ordnung, da dass Gästebuch offenbar eben Teil der Insolvenzmasse ist. Aber wer auch immer am Ende den Zuschlag erhält, darf sich zwar persönlich über die Widmungen und Texte in dem Buch erfreuen, er darf sie aber nicht so ohne weiteres veröffentlichen. So zumindest die weitverbreitete Rechtsauffassung dazu.

Warum ist das so?
Weil Widmungen lebender Personen dem Persönlichkeitsrecht unterliegen. Dadurch sind sie, juristisch betrachtet, nicht automatisch frei zur beliebigen Nutzung. Umso weniger, wenn darauf geschlossen werden kann, von wem die Widmung stammt und für wen sie bestimmt gewesen ist (was hier eindeutig der Fall ist). Hier sind die Persönlichkeitsrechte desjenigen, der die Widmung verfasst hat, vorrangig. Diese sind nicht übertragbar und gelten auch, wenn das Medium, dass die Widmung enthält, veräußert wird.

Rockstar Tina Turner war am 13. Oktober 2012 zu Gast in der Villa Ansaldi: "You make magic at your wonderful home. Thank you for housing us"
Rockstar Tina Turner war am 13. Oktober 2012 zu Gast in der Villa Ansaldi: "You make magic at your wonderful home. Thank you for housing us"
Aurena

Und was bedeutet das für den Besichtigungstermin für alle Objekte, den das Auktionshaus für den 5. Juli angesetzt hat?
Es bedeutet, dass sich zwar jeder, der sich für das Gästebuch interessiert, dieses vor Ort ansehen kann. Er wird wahrscheinlich auch Fotos davon machen dürfen. Aber er darf Fotos der Seiten mit den persönlichen Widmungen nicht veröffentlichen.

Was bräuchte es, um die Widmungen veröffentlichen zu dürfen?
Die Einwilligung der betroffenen Personen, also der Widmenden – oder eine Anonymisierung des Textes, dass kein Rückschluss mehr gezogen werden kann, wer was geschrieben hat.

Fährt da juristisch die Eisenbahn drüber?
Nicht zwangsläufig. Der Wiener Anwalt und Medienrechtsexperte Michael Rami etwa sieht die Sache eindeutig entspannter: "Gegen die Veröffentlichung des Gästebuches besteht grundsätzlich kein rechtlicher Einwand, außer es geht um höchstpersönliche Umstände." Also eine Veröffentlichung der Widmungen nach der Auktion wäre aus seiner Sicht duechaus im Rahmen des rechtlich möglichen, wenn in den Widmungen, die veröffentlicht würden, keine "höchstpersönlichen Umstände" angesprochen werden.

Könnte es also sein, dass jemand das Gästebuch "wegkaufen" möchte, damit gar nichts veröffentlicht werden kann?
Das wäre durchaus möglich. Es ist zwar nicht anzunehmen, dass in einem Gästebuch wirklich vertrauliche Dinge niedergeschrieben werden. Aber es könnte schon sein, dass jemand partout nicht möchte, dass bekannt wird wie nahe er René Benko einmal gestanden ist.

besteht die Möglichkeit, dass man das Gästebuch abseits der Auktion kauft, etwa um eine bestimmte Summe?
Nein, in den Versteigerungsbedingungen des Auktionshauses ist festgehalten, dass das nicht möglich ist.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi war im Jänner 2010 zu Gast
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi war im Jänner 2010 zu Gast
Aurena

Warum hat René Benko das Gästebuch nicht einfach als persönlichen Besitz behalten?
Er wird, als sein Signa-Reich Richtung Insolvenz taumelte, wahrscheinlich andere Prioritäten gehabt haben, als sich um ein Gästebuch am Gardasee zu scheren. Zudem wurden ja auch zahlreiche andere persönliche Gegenstände aus dem Besitz von Benko bereits versteigert – etwa seine gesamte Garderobe (die er dann zurückkaufen hat lassen), oder einige seiner Uhren und Manschettenknöpfe.

Wo befindet sich René Benko derzeit?
Nach wie vor in Wien in Untersuchungshaft. Erst am Donnerstag wurde sein jüngster Haftprüfungsantrag vom Gericht abgelehnt und die U-Haft um weitere zwei Monate verlängert.

Gibt es weitere Objekte in der Auktion, für die ähnlich viel geboten wird?
Nicht einmal annähernd. Die zweitmeisten Gebote gibt es für eine Türmatte mit dem Schriftzug Villa Ansaldi: 69 Gebote, aktuelles Höchstgebot 1.300 Euro. Vollkommen absurd, natürlich, aber auch für die Türmatte der Signa-Zentrale in Wien wurden letztes Jahr 2.265 Euro erlöst.

Ist das die erste Auktion dieser Art?
Nein, es ist bereits die 24. Auktion. Oder besser gesagt, es sind die Auktionen 24 und 25, denn die insgesamt 1.845 Lose, die zum Verkauf stehen, wurden auf zwei Einzelauktionen aufgeteilt – einmal das komplette Inventar der Villa, in einer zweiten Auktion der übrige gebliebene Inhalt des Weinkellers, der sich allerdings auf recht magere 133 Lose beschränkt.

Wer führt die Auktion durch?
Das steirische Online-Auktionshaus Aurena, das bereits seit Beginn des Insolvenzverfahrens mit der Durchführung der Auktionen betraut ist. Entsprechend versiert ist man bei Aurena auch in der Einschätzung des Erlöses, den die Stücke einspielen könnten.

Der sogenannte "Präsidententisch" in der Signa-Zentrale auf der Freyung in Wien brachte Anfang 2024 insgesamt 37.524 Euro
Der sogenannte "Präsidententisch" in der Signa-Zentrale auf der Freyung in Wien brachte Anfang 2024 insgesamt 37.524 Euro
Aurena

Es gab also bereits 23 Auktionen im Zuge der Signa-Insolvenz?
Ja, wobei bislang die Auflösung der Signa-Zentrale im Palais Harrach auf der Freyung in Wien für das größte Medienecho gesorgt hat. Insgesamt wurden seit Jänner 2024 bei 23 Auktionen mehr als 6.400 Exponate der Signa Holding, der Signa Informationstechnologie sowie der Signa Real Estate Management versteigert.

Wie viel Geld wurde dabei erlöst?
Das gibt Aurena nicht bekannt. Nur so viel: Insgesamt gab es mehr als 11.600 Bieter, die sich für die Exponate interessierten.

Weiß man, wofür bislang am meisten bezahlt wurde?
Das war ein riesiger, ellipsenförmiger Besprechungstisch aus der Signa-Zentrale, der am Ende für mehr als 37.000 Euro losgeschlagen werden konnte.

Könnte das Gästebuch vom Gardasee diesen Betrag noch toppen?
Das wäre extrem ungewöhnlich, aber kann natürlich nicht ganz ausgeschlossen werden. Man muss sich vor Augen halten, um welche Summen es hier bereits jetzt geht. So viel Geld bietet niemand aus Jux und Tollerei, einfach nur weil es witzig ist, das Benko-Gästebuch daheim liegen zu haben. Es scheinen also sehr ernsthafte Interessen dahinter zu stecken, warum hier tausende Euro für persönliche Widmungen geboten werden, die vor Jahren in ein Notizbuch gekritzelt worden sind.

Zuletzt aktualisiert am 28. Juni um 0,.30 Uhr

Martin Kubesch
Akt. 28.06.2025 00:31 Uhr