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umstrittene skulptur

Weshalb derzeit ganz Dänemark über Brüste aus Granit redet

Die Brüste gehören zu einer vier Meter hohen Statue, die als Ergänzung zur weltberühmten Kleinen Meerjungfrau geschaffen worden war, dann aber aus Kopenhagen vertrieben wurde. Wo die barbusige Meerjungfrau derzeit steht, wie es mit ihr weitergehen soll.

Lässt in Dänemark derzeirt die Gemüter hochgehen: Die Große Meerjungfrau – oder besser gesagt, ihre Oberweite
Lässt in Dänemark derzeirt die Gemüter hochgehen: Die Große Meerjungfrau – oder besser gesagt, ihre Oberweitemauritius images / Alamy Stock Photos / Zoonar/Graham Mulrooney
Martin Kubesch
Akt. 06.08.2025 11:27 Uhr

Es begann als Marketing-Gag und wurde zu einem Kulturkampf, der mittlerweile ein ganzes Land beschäftigt.

In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen wird derzeit über kaum etwas so leidenschaftlich debattiert wie über ein Paar Brüste aus Granit, die zu einer vier Meter hohen und 14 Tonnen schweren Statue gehören, wie man sie für gewöhnlich eher im Skulpturengarten einer zweitklassigen Shopping Mall findet, als an historischer Adresse im Zentrum einer Metropole.

Dabei geht es im Grunde gar nicht um die Statue an sich – diese stellt eine künstlerisch kaum ambitionierte Abbildung einer Pinup-Meerjungfrau dar, wie sie Playboy-Erfinder Hugh Hefner früher einmal vielleicht für seine Mansion in Auftrag gegeben hätte.

Es geht nur um die Brüste der Meerjungfrau, die so rund und wohlgeformt sind, wie es in Natura nur ein plastischer Chirurg zustande bringt. "Pornografisch" rufen viele, und "frauenverachtend". Und es wird die Frage aufgeworfen, ob so etwas überhaupt noch gezeigt werden darf in einer modernen, weltoffenen und liberalen Großstadt wie Kopenhagen. Was man über die Brust-Debatte wissen muss, woher die große Meerjungfrau eigentlich kommt und wie es mit ihr nun weiter geht – der Überblick:

Worum geht es hier?
Um eine gewaltige, vier Meter hohe und 14 Tonnen schwere Granitstatue einer Meerjungfrau, die sich aus dem Wasser stemmt und ihren Fisch-Unterleib um einen Felsen gelegt hat. Sie gehört dem Kopenhagener Unternehmer Peter Bech, der sie selbst entworfen, in einer Steinmetzwerkstätte in China anfertigen und danach vor seinem Restaurant im Zentrum der dänischen Hauptstadt aufstellen hat lassen.

Wozu das Ganze? Eine künstlerische Erweckung?
Wohl eher nicht. Peter Bech ist Geschäftsmann, kein Künstler, und er macht daraus auch gar kein Hehl. Er besitzt ein Lokal an der Adresse Langelinie in Kopenhagen. Das ist eine Uferpromenade direkt am Meer, in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Königsschloss Rosenborg, in dem heute u.a. die dänischen Kronjuwelen besichtigt werden können.

Weshalb sollte man als Tourist die Langelinie besuchen?
Weil man hier unter anderem durch einen Park spazieren kann, in dem verschiedene Denkmäler versammelt sind. Und weil hier, auf einem kleinen Felsen direkt am Ufer, seit 1913 auch die weltbekannte Bronzestatue der Kleinen Meerjungfrau steht, die der gleichnamigen Figur aus dem berühmten Märchen von Hans Christian Andersen nachempfunden ist. Sie ist ein Touristenmagnet und bringt alljährlich hunderttausende Besucher hierher.

Besucher, die auch die Restaurants vor Ort frequentieren?
Exakt, auch jenes von Peter Bech. Und die sich bei ihm immer wieder drüber mokiert hätten, dass die Kleine Meerjungfrau tatsächlich sehr klein sei, wie der Unternehmer im interview mit der Lokalzeitung Dragør Nyt erzählt.

Die Große Meerjungfrau steht derzeit noch in der Ortschaft Dragør südlich von Kopenhagen, muss aber demnächst wieder umziehen
Die Große Meerjungfrau steht derzeit noch in der Ortschaft Dragør südlich von Kopenhagen, muss aber demnächst wieder umziehen
mauritius images / Alamy Stock Photos / Zoonar/Graham Mulrooney

Ist das so?
Ja, die Statue ist tatsächlich sehr zierlich und hat eine Höhe von gerade einmal 125 Zentimetern. Neben dem Manneken Pis, jenem Wasser lassenden Buben in einem Brunnen in Brüssel, ist die "Lille Havfrue", also die Kleine Meerjungfrau, eines der kleinsten Städte-Wahrzeichen der Welt. Und so entstand irgendwann bei Lokalbesitzer Bech die Idee, eine "Große Meerjungfrau" zu erschaffen, um seinen Gästen eine Alternative bieten zu können – auch und nicht zuletzt als Fotomotiv.

Der Gastronom gab die Statue in Auftrag?
Ja, er entwarf sie selbst und gab sie auf eigene Kosten in China in Auftrag. 2006 wurde die "Store Havfrue" (Große Meerjungfrau) schließlich ganz in der Nähe ihres kleinen Pendants aufgestellt. Doch während sich viele Touristen – jedenfalls laut Initiator Peter Bech – an der Statue erfreuten und fleißig Selfies mit ihr knipsten, waren Anrainer weniger begeistert von der vier Meter hohen Meeres-Hünin.

Proteste?
Die "Große Meerjungfrau" wurde von vielen Kopenhagenern als "falsch" und "vulgär" verspottet, schreibt der britische Guardian. Das Missfallen entzündete sich vor allem an der Größe und der künstlerischen Eindimensionalität der Skulptur, die tatsächlich aussieht, als hätte sie eine computergesteuerte Fräse aus einem riesigen Granitfelsen geschnitten. Das ging so bis 2018, dann beschloss die Stadtverwaltung, dass die Große Meerjungfrau von der Langelinie verschwinden muss.

Zurück ins Meer mit ihr?
Das wäre vielen wohl am liebsten gewesen, aber Besitzer Peter Bech fand einen anderen Platz: Die Meerjungfrau übersiedelte nach Dragør, einige Kilometer südlich von Kopenhagen. Hier, auf dem Gelände einer alten Seebesfestigung, dem Fort Dragør, wo mittlerweile Hochzeitsfeiern und Firmen-Incentives stattfinden, fand die Meerjungfrau einen neuen Platz – bis zum Frühling dieses Jahres.

Die kleine Artgenossin der vollbusigen Meerjungfrau: Die weltberühmte Bronzestatue aus dem Jahr 1913 von Edvard Eriksen wurde nach dem Ebenbild der Frau des Künstlers, Eline, geschaffen
Die kleine Artgenossin der vollbusigen Meerjungfrau: Die weltberühmte Bronzestatue aus dem Jahr 1913 von Edvard Eriksen wurde nach dem Ebenbild der Frau des Künstlers, Eline, geschaffen
Frank Rumpenhorst / dpa / picturedesk.com

Was ist geschehen?
Die Dänische Agentur für Paläste und Kultur ordnete im März die Entfernung der Statue aus der Festung an. Sie sei "nicht mit dem kulturellen Erbe des Wahrzeichens von 1910 vereinbar", so die Kulturhüter aus Kopenhagen. Seither ist Eigentümer Peter Bech mit einer großen Gefährtin erneut auf Herbergsuche – und im dänischen Feuilleton wie in weiten Teilen der Gesellschaft tobt ein Kulturstreit um die Meerjungfrau, als würde die Porno-Website Pornhub.com künftig das Nachmittagsprogramm im dänischen TV gestalten.

Worum geht es dabei?
Die Meerjungfrau wird von Journalisten und Kommentatoren als "hässlich" und "pornografisch" bezeichnet und als "der heiße Traum eines Mannes davon, wie eine Frau aussehen sollte" – und das, obwohl die große Meerjungfrau weit weniger zeigefreudig ist als ihre kleine Artgenossin. Neben dem Fisch-Unterleib sieht man nur ihre Brüste – diese allerdings aufgeblasen auf XXL-Format und so sehr der Schwerkraft trotzend, als wäre ihr Inneres aus Granit (was es ja tatsächlich ist, aber das einzugestehen würde Humor erfordern).

Wo ist das Problem dabei?
Es geht, herunter gebrochen, den meisten Meinungsmachern um die Darstellung des weiblichen Körpers in der Öffentlichkeit. Was sein darf oder besser überhaupt nicht mehr sein soll. Und dabei argumentieren viele der Kommentatoren, als wäre der moralisch-kulturelle Leitfaden unserer modernen Gesellschaft von Calvinisten geschrieben worden, die bei den Taliban in die Schule gegangen sind.

Geht es etwas konkreter?
Die Journalistin und Pastorin Sørine Gotfredsen kommentiert für die konservative dänische Zeitung Berlingske, die Statue sei "dem feuchten Traum eines Mannes entsprungen" und werde kaum dazu beitragen, "dass Frauen ihren eigenen Körper so akzeptieren, wie er ist". Und weiter: "Die ständige Reproduktion großer Brüste und entblößter Frauen in unserer Kultur ähnelt zunehmend einer langen tyrannischen Folge der schamlosen Körperverehrung, die einst als befreiend galt, die aber meiner Meinung nach mindestens ebenso sehr eine menschliche Gefangenschaft darstellt."

Weitere Kommentare?
Der Kunstkritiker der Zeitung Politiken bezeichnete die Statue als "hässlich und pornografisch". Und für die Autorin und Journalistin Aminata Corr Thrane kam kam die Untersuchung der Brüste der Meerjungfrau einer "Körperbeschämung" gleich."Müssen nackte weibliche Brüste eine bestimmte akademische Form und Größe haben, um in der Öffentlichkeit gezeigt werden zu dürfen?", schrieb sie.

Die alte Festung von Dragør, im Hintergrund die Øresund-Brücke: Hier ist die Große Meerjungfrau auch nicht mehr willkommen
Die alte Festung von Dragør, im Hintergrund die Øresund-Brücke: Hier ist die Große Meerjungfrau auch nicht mehr willkommen
Getty Images/iStockphoto

Müssen sie?
Die Autorin bleibt eine klare Antwort schuldig. Aminata Corr Thrane bemerkt aber, dass die Große Meerjungfrau "wohl etwas weniger nackt" sei als ihre berühmte zierliche Zeitgenossin aus Bronze, fügte aber gleichzeitig hinzu: "Andererseits hat sie größere Brüste, und da liegt wahrscheinlich das Problem." Denn "vielleicht repräsentieren die beiden Statuen – die Große und die Kleine Meerjungfrau – zwei Seiten der Frau und das ewige Tauziehen darüber, was eine echte Frau ist".

Starker Tobak …
Der Schöpfer der Großen Meerjungfrau, Peter Bech, versteht seither die Welt nicht mehr. Schließlich habe er sich bei der Gestaltung der Figur und ihrer Proportionen etwas gedacht: "Die hohe Position der Statue soll zeigen, dass Frauen im Laufe der Zeit einen unabhängigen Platz erlangt haben und welchen Respekt sie sich erarbeitet haben", so Bech in Dragør Nyt. "Ich denke, sie steht im Einklang mit dem allgemeinen Wunsch nach mehr Statuen von Frauen", sagt er.

Wie geht es jetzt weiter?
Der "Vater" der Großen Meerjungfrau ist mit seiner Schöpfung nun wieder auf Standortsuche. Sein Angebot, die 14-Tonnen-Skulptur der Gemeinde Dragør, wo Bech auch selbst wohnt, zu schenken, wurde von der Gemeinde abgelehnt – zu groß, zu schwer, zu unhandlich.

Also?
Der Nachbarort Tårnby gewährt der großen Dame eventuell Asyl. Ein Kommunalpolitiker will sich dafür einsetzen. "Ich werde nicht verhehlen, dass die Statue ein Blickfang ist", so Paw Karslund im Sender TV2. Auf Facebook hat er seine Mirbürger bereits ausführlich über seinen Plan informiert. Die Reaktionen waren geteilt, manche finden die Idee gut, andere eher weniger. Karslund bleibt gelassen und hält die heftige Kritik an der Statue für ziemlich überzogen: "Man muss doch keine Furcht vor ein paar Brüsten haben." Es sieht so aus, als hätte die Große Meerjungfrau bald wieder ein Zuhause – zumindest bis auf Weiteres.

Martin Kubesch
Akt. 06.08.2025 11:27 Uhr