Österreich schleicht um die Frage herum, in Dänemark wurde die Reform am Freitag beschlossen: Das gesetzliche Pensions-Antrittsalter wird mit 2040 auf 70 Jahre erhöht. Das finden nicht alle Dänen cool. Vor allem weil es für Politiker eine Extrawurst gibt.
"Die größte Pensionsreform seit 20 Jahren." So verkauft Österreichs Regierung derzeit das Schrauben an ein paar Rädchen im System. Das Alter für die Korridorpension wird erhöht, eine neue Teilpension soll kommen. Für den größten Unmut sorgt aber die Verteuerung der Krankenversicherungs-Beiträge von 5,1 Prozent auf 6 Prozent. Das trifft viele mit einer kleinen Pension.
Das gesetzliche Pensions-Antrittalter aber wurde nicht angefasst. Übermut tut selten gut, heißt es auch in der Politik. Die aktuellen und die zukünftigen Pensionisten gelten als relevanteste Wählerschicht. Wer es sich mit ihnen verscherzt, benötigt als Politiker einen alternativen Berufswunsch.
Deshalb bleibt das Regierungsprogramm auch sehr vage, was das Pensions-Anrittsalter betrifft. Es ist lediglich von einem "Nachhaltigkeitsmechanismus" die Rede. Wenn die Ziele, die nicht genau genannt werden, nicht erreicht werden, dann greift eine Reform, deren Inhalte nicht verraten werden.
Aber das macht nichts, denn davon betroffen ist die nächste Regierung. Der "Nachhaltigkeitsmechanismus" soll erst 2035 greifen.
Im sozialdemokratisch geführten Dänemark hat man einen radikaleren Ansatz gewählt. Hier verständigte man sich schon 2006 auf Änderungen im Pensionsalter. Am Freitag wurde die nächste Stufe beschlossen. Was es dazu zu wissen gibt:
Worum geht es?
In Dänemark beschloss das Parlament am Freitag eine in Europa derzeit einzigartige Regelung: Im Jahr 2040 wird das gesetzliche Rentenalter von derzeit 67 Jahren auf 70 Jahre angehoben.
Wen betrifft das?
Das neue Renteneintrittsalter gilt für Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurden. Wer also 1971 oder später auf die Welt kam, wird von der neuen Regelung erfasst. Anders gesagt: Wer aktuell 54 ist, muss bis 70 arbeiten.
Nur so als Gefühl, wer ist aktuell 54?
DJ Ötzi, Mark Wahlberg, Niederlands Königin Máxima, Elon Musk oder Anna Netrebko.
Wie hoch ist das aktuelle Pensions-Antrittsalter?
Seit heuer 67 Jahre.
Wie kommt das?
Wir leben immer länger. Deshalb wurde schon 2006 im dänischen Parlament mit breiter Mehrheit der sogenannte "Wohlfahrts-Kompromiss" (Velfærdsforliget) geschlossen. Er sollte die Zukunft der staatlichen Rente sichern.
Was war der zentrale Baustein?
Die automatische Anhebung des Pensions-Antrittsalters alle fünf Jahre entsprechend der steigenden Lebenserwartung.
Wirklich automatisch?
Nicht ganz. Die Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters muss jeweils vom dänischen Parlament angenommen werden, bevor sie in Kraft treten kann.
Wie sind die Erhöhungen gestaffelt?
Schon beschlossen ist: 2030 steigt das Pensions-Antrittsalter auf 68 Jahre, betroffen sind alle Geburtsjahrgänge ab 1. Jänner 1963. Ebenfalls schon paktiert: 2035 geht man gesetzlich mit 69 Jahren in Pension, das tangiert alle Geburtsjahrgänge ab 1. Jänner 1967. Nun kam die Regelung für 2040 dazu.
Wie geht es weiter?
Folgt man den Alterstabellen, dann beträgt das Pensions-Antrittsalter 2045 schon 71 Jahre und klettert bis 2070 auf 74 Jahre (weil es auch halbe Sprünge gibt). Das ist aber noch nicht vom Parlament fixiert und es gibt massiven Widerstand dagegen.
Wie ging die Abstimmung diesmal aus?
Im dänischen Parlament (Folketing) stimmten am Freitag 81 Abgeordnete dafür, 21 dagegen.
Wie wird Dänemark regiert?
Die aktuelle Regierung Frederiksen II wurde am 15. Dezember 2022 von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gebildet. Sie setzt sich aus den Parteien Socialdemokraterne (Sozialdemokraten), Venstre (liberal-konservativ) und Moderaterne (liberal-zentristisch) zusammen. Zusätzlich wird die Regierung von der färöischen Unionspartei, den färöischen Sozialdemokraten und der grönländischen Partei Siumut unterstützt.
Wie stabil ist die Regierung?
Sie besetzt im Parlament 93 von 179 Sitzen (175 Abgeordnete Dänemark, zwei von den Färöern und zwei aus Grönland), einschließlich der Unterstützung durch die genannten Parteien.
Wie schauen die Machtverhältnisse im Parlament aus?
Der sogenannte "rote Block" (Sozialisten, Sozialliberale, Grüne) hat mit 90 Sitzen im Folketing eine zarte Mehrheit gegenüber dem "blauen Block" (Konservative, Wirtschaftsliberale, Rechtspopulisten) und den Moderaten (zusammen 89 Sitze).
Wann wird das nächste Mal gewählt?
Mutmaßlich am 31. Oktober 2026.
Wie finden die Dänen die automatische Anpassung?
Gemischt. Menschen in körperlich fordernden Berufen können sich nicht vorstellen, bis 70 zu arbeiten.
Wie sieht das die Ministerpräsidentin?
Mette Frederiksen schließt eine weitere Anpassung nicht aus, will die Erhöhung aber "gerechter" gestalten. Sie glaube nicht mehr an den Automatismus. Es müsse die Tatsache berücksichtigt werden, dass es unterschiedliche Arbeitsleben gibt.
Was sorgt für Empörung?
Für viele Politiker gilt die neue Regelung nicht. Wer vor 2007 gewählt wurde, kann ab dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand gehen. Diejenigen, die zwischen 2007 und 2017 gewählt wurden, können ihre Rente mit 62 antreten. Erst danach korreliert das Renteneintrittsalter der Politiker mit dem der Bevölkerung.
Wen betrifft das?
Im dänischen Parlament sitzen wie gesagt 179 Abgeordnete. 89 kommen in den Genuss der alten Regelung. Dazu gehört auch die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die 2001 ins dänische Parlament gewählt wurde. Die 47-Jährige kann mit 60 in Rente gehen. Sie erhält dann 3.200 Euro im Monat.
Was ist die Höchstrente für Parlamentarier?
Rund 4.700 Euro.
Was hat Dänemark für ein Rentensystem?
Es ist dreistufig und besteht aus der staatlichen Rente, den Arbeitsmarkt-Rentensystemen und individuellen Rentensystemen. Zwei Drittel der Rentenbeiträge werden von den Arbeitgebern und ein Drittel von den Arbeitnehmern gezahlt.
Gehen Männer und Frauen im gleichen Alter in Pension?
Nein, aber es gibt wie in Österreich eine stufenweise Anpassung, die gerade läuft.
Wie steht Dänemark eigentlich wirtschaftlich da?
Im Vergleich zu uns rosig. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2025 voraussichtlich um 2,5 % (EU-Kommission) bis knapp 3 % (dänisches Finanzministerium) steigen. Für 2025 ist eine Inflation von etwa 1,8 Prozent prognostiziert.
Und die Staatsfinanzen?
Dänemark gehört zu den Ländern mit einer relativ niedrigen Staatsverschuldung in der EU. Für das Jahr 2025 wird die Schuldenquote in Prozent des BIP auf rund 26,6 Prozent prognostiziert. In Österreich betrug die Schuldenquote im Vorjahr 81,8 Prozent. Ach ja: Dänemark erzielt 2024 einen Haushaltsüberschuss von 17,9 Milliarden Euro.