Der Zoll-Deal zwischen der EU und den USA wird sowohl inhaltlich wie formell als Demütigung Europas durch Donald Trump gesehen. Wie es dazu kommen konnte, weshalb Europa von Anfang an schlechte Karten hatte, wie es weiter geht – die wichtigsten Antworten.
Die Symbolik hätte nicht deutlicher sein können. US-Präsident Donald Trump reiste "zum Golfspielen" für vier Tage nach Europa, in seinen eigenen Golfclub im schottischen Turnberry – und schloss am vergangenen Sonntag, quasi nebenbei, den für die EU wichtigsten Handelspakt der jüngeren Geschichte ab. Trump lässt grundsätzlich niemanden im Unklaren darüber, wo er in seiner Hierarchie steht. Und die EU passt für den US-Präsidenten derzeit gerade noch in die Pause zwischen dem 18. und dem 19. Loch.
Das Abkommen soll die Handelsbeziehungen zwischen der EU (450 Millionen Bürger) und den USA (340 Millionen Bürger) völlig neu regeln, nachdem der amerikanische Präsident den bisherigen, Jahrzehnte alten Status quo Anfang April ohne Not in den Ausguss gekippt und massive Strafzölle für Importe aus der EU in den Raum gestellt hatte – für den Fall, dass man zu keinem "Deal" finden werde.
Vier Monate lang hatten seither Beamte beider Länder miteinander verhandelt. Was dabei heraus kam, kann laut Wirtschafts-Experten kaum noch als "Kompromiss" gewertet werden, so klar scheinen die Vorteile für die USA zu sein. Nicht von ungefähr nannte Trump das Verhandlungsergebnis "den großartigsten Deal", während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom "bestmöglichen Ergebnis" sprach und damit im Grunde sagte: "Mehr war nicht drinnen, sorry." Sieger sehen anders aus.
Trump und von der Leyen sprachen am Sonntag nur über die wichtigsten Eckpunkte und noch längst sind nicht alle Details des Deals final verhandelt. Doch schön langsam wird klar, was der neue Handelspakt mit den USA für die EU tatsächlich bedeutet – und wo es trotz offizieller Einigung noch Zores geben könnte. Was Sie über den Zoll-Deal der EU mit Trump wissen müssen, welche Fallen darin noch lauern und was das Paket für Österreich bedeuten könnte – hier die wichtigsten Punkte im Überblick:
Weshalb mussten die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA überhaupt neu verhandelt werden?
Weil US-Präsident Donald Trump Anfang April des Jahres sämtliche Handelsbeziehungen der USA mit dem Rest der Welt aufkündigte bzw. auf neue Beine stellte. Da, seiner Diktion nach, alle anderen Länder die USA über den Tisch ziehen würden, verhängte Trump Sonderzölle unterschiedlicher Höhe, um die Unterschiede in den Handelsbilanzen auszugleichen.
Stimmt diese Rechnung denn?
Nein, und sie hat nie gestimmt. Trump hat für seine Behauptungen verschiedene Faktoren zusammengerechnet oder auch außer Acht gelassen, je nachdem, was besser ins Bild gepasst hat.
Was ist damit konkret gemeint?
Es ist grundsätzlich richtig, dass die USA ein Handelsdefizit gegenüber vielen Ländern der Welt aufweisen, die Ursachen dafür sind allerdings vielfältig und bei weitem nicht alle sind auf "mangelnde Fairness" gegenüber den USA zurückzuführen. Verantwortlich dafür sind eher Faktoren wie ein starker Dollar. Oder die Tatsache, dass die USA selbst inzwischen eher wenige Güter produzieren, sondern die Produktionen vielfach ausgelagert worden sind, während gleichzeitig der Konsum in den USA sehr stark ist.
Was exportieren die USA dann?
Vor allem Dienstleistungen, primär in den Bereichen Hightech und Finanzen. Da ist man Weltmarktführer. Aber das zieht bei Trumps Anhängern nicht so toll, ihnen hat er vor allem versprochen, dass er wieder Produktionsstätten in die USA zurückholt.
Was ist das mit den Zöllen?
Sie sind das liebste "Wirtschaftsinstrument" von Donald Trump und er benutzt sie nach Gutdünken als Drohung oder Bestrafung. Vor allem deshalb, weil sie einerseits plakativ sind und andererseits rasch umgesetzt werden können – jedenfalls theoretisch. Ehe sich tatsächlich Effekte aus Sonderzöllen einstellen, vergehen in der Regel mehrere Monate. Aber die Angst vor ihnen greift sofort.
Welche Zölle hat Trump der EU angedroht?
Bis Donald Trump im Jänner 2025 erneut Präsident wurde, lagen die US-Zölle auf Produkte aus der EU bei durchschnittlich 1,5 Prozent. Mit seinem "Zoll-Hammer" im April stellte er 20 Prozent Zoll auf sämtliche EU-Produkte binnen Wochenfrist in Aussicht. Zwischenzeitlich betrug der Basis-Zoll 10 Prozent. Während die Verhandlungen über einen neuen Handelspakt schon seit Monaten liefen, drohte Trump im Juli kurzfristig eine Erhöhung auf 30 Prozent an, ehe nun die Einigung von Turnberry bekannt gegeben wurde.
Wie steht die EU damit im Vergleich mit anderen Ländern da?
Es gibt tatsächlich noch nicht so viele Länder, die ähnliche Deals mit Trump abgeschlossen hätten. Zwar gibt es immer wieder neue Zölle, Drohungen oder Verschnaufpausen für einzelne Länder, konkrete Deals mit Brief und Siegel hat der US-Präsident allerdings bislang noch nicht so viele abgeschlossen. Auch wenn er Anfang April ankündigen ließ, "90 Deals in 90 Tagen" abschließen zu wollen.
Mit wem gibt es bereits Abschlüsse?
Neben Großbritannien, das bereits Anfang April einen Deal erhalten hat, bislang nur mit den Philippinen, Vietnam, Indonesien und Japan.
Und wie viel mussten diese Länder den USA zugestehen?
Die Ergebnisse sind unterschiedlich. Am besten abgeschnitten hat Großbritannien. Die Briten haben einen Basis-Zoll von 10 Prozent erhalten, dazu weitere 10 Prozent auf Auto-Importe (bis 100.000 Stück, danach steigt der Zoll auf 27,5 Prozent) sowie 25 Prozent auf Stahl und Aluminium.
Und die asiatischen Länder?
Japan hat die exakt selben Zölle wie die EU, mit der Ausnahme, dass das Land nicht ganz so hohe Investitions- und Energieabnahme-Zusagen geben musste wie die EU. Wobei man bedenken muss: Das Handelsvolumen Japans mit den USA ist nicht annähernd so groß wie jenes der EU. Indonesien und die Philippinen (19 Prozent Basiszoll) sowie Vietnam (20 Prozent Basiszoll) haben noch schlechtere "Deals" erhalten als die EU, allerdings ebenfalls ein wesentlich geringeres Handelsvolumen.
Wie sieht es mit China aus?
Hier werden bereits Verhandlungen auf hoher Ebene geführt, um bald zu einer Einigung zu kommen, nachdem es in den vergangenen Monaten teils absurde Zoll-Additionen gegeben hatte. Am Ende wollten sich beide Länder Zölle von weit über 100 Prozent berechnen. Aktuell gelten auf China-Exporte in die USA 30 Prozent Zoll. Es ist davon auszugehen, dass China die aktuellen Verhandlungen mit der EU aufmerksam beobachtet hat.
Und wie sieht man den Deal in Europa?
Auf EU-Ebene ist man der Meinung, alles Menschenmögliche unternommen zu haben. In den einzelnen Ländern wird das differenziert wahrgenommen. Deutschlands Friedrich Merz und Italiens Giorgia Meloni beschwichtigen und halten die Einigung – bei allen wirtschaftlichen "Schmerzen" – für vertretbar. Frankreich hingegen ist auf Krawall gebürstet. Premierminister François Bayrou nannte den vergangenen Sonntag einen "dunklen Tag" und Industrieminister Marc Ferracci sagte, es müsse mehr getan werden, um die Handelsbeziehungen mit den USA wieder ins Gleichgewicht zu bringen: "Das ist nicht das Ende der Geschichte."
Warum hat die EU den Bedingungen überhaupt zugestimmt?
Einerseits, weil sie aus einer Position der Schwäche heraus verhandeln musste. Europa ist wirtschaftlich weit zurückgefallen und militärisch nach wie vor von den USA abhängig, nicht zuletzt angesichts der Bedrohung durch Russland (Stichwort Ukraine-Krieg). Schlechte Voraussetzungen für gute Deals.
Das war's schon?
Und andererseits, weil man ein Signal der Stabilität und Sicherheit in die Welt der Wirtschaft senden wollte. Ein schlechter Deal ist immer noch besser als gar kein Deal und ständig wechselnde Zölle, die davon abhängen, wie ihr Verursacher zuletzt geschlafen hat.
Was sagt die Wirtschaft selbst dazu?
Euphemistisch könnte man sagen, wirklich glücklich ist man nicht mit dem Verhandlungsergebnis. Und auch die Wirtschaftsforschung ist skeptisch: "Der Sonntag war ein trauriger Tag für den Freihandel", so Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo: "Der Deal ist teuer erkauft. Vielleicht zu teuer." Das entspricht dem grundsätzlichen Tenor der meisten Kommentare: Die EU sei hier von Trump bewusst gedemütigt worden, so das Fazit der Beobachter.
Lässt sich bereits abschätzen, welche Auswirkungen der Deal auf die Wirtschaftsleistung der Union haben wird?
EU-weit sollen die nun beschlossenen Zölle das Bruttoinlandsprodukt BIP um 0,1 Prozent senken. 2023 erwirtschaftete die EU ein BIP von etwa 18 Billionen, also 18.000 Milliarden Euro. Das wäre ein Verlust von etwa 18 Milliarden Euro pro Jahr. Wobei die Belastungen sehr ungleich verteilt wären. Deutschland und Österreich wären überdurchschnittlich betroffen (ca. 0,15 Prozent des BIP), Frankreich wesentlich weniger (0,01 Prozent des BIP).
Wie viel könnte Österreich verlieren?
Die reinen Export-Verluste würden, nach aktueller Schätzung, etwa 24 Millionen Euro pro Jahr ausmachen. Aber laut Berechnungen der Bank Austria könnte Österreichs Wirtschaft durch die Zölle insgesamt einen Viertel Prozentpunkt an Wirtschaftswachstum einbüßen. Das wäre ein Verlust von umgerechnet einer Milliarde Euro – oder aber bis zu 10.000 Arbeitsplätzen, die gefährdet sein könnten.
Wie wichtig sind die USA als Handelspartner für die EU?
Die USA sind der wichtigste Handelspartner für Europa. Laut EU-Kommission belief sich das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU 2023 (das letzte Jahr, für das abschließende Zahlen vorliegen) auf 1,6 Billionen Euro, Waren und Dienstleistungen zusammen gezählt. Der Überschuss der EU gegenüber den USA betrug dabei knapp 50 Milliarden Euro, das sind etwa drei Prozent des Gesamtvolumens.
Und für Österreich?
Sind die USA nach Deutschland der wichtigste Exportmarkt. 2024 erreichten Österreichs Exporte laut Wirtschaftsministerium mit rund 16,2 Milliarden Euro einen historischen Höchstwert – ein Anteil von 8,5 Prozent am gesamten Export. Laut Wirtschaftskammer sind die Exporte aber von Jänner bis April bereits um 13 Prozent eingebrochen.
Was exportiert Österreich in die USA?
Primär Maschinen (um etwa 4,6 Milliarden Euro), Pharmaprodukte (4,5 Mrd. Euro) und Autoteile (1,6 Mrd. Euro).
Gibt es im Gegenzug eigentlich auch Zölle auf US-Waren in Europa?
Nein, die EU verzichtet künftig ganz auf Zölle auf US-Produkte. Dadurch werden etwa US-Autos und -Motorräder – theoretisch – billiger.
Ist der Deal fertig verhandelt?
Nein, es stehen bislang vor allem die politischen Grundzüge, viele Details fehlen noch. Manche – durchaus kontroverse – Kapitel sind überhaupt noch nicht besprochen worden. Etwa der Export von Weinen und Spirituosen. Darin könnte noch Sprengstoff liegen.
Gibt es noch weitere umstrittene Kapitel?
Vor allem die zugesicherten Abnehme an Energie – in Form von Flüssiggas, Öl oder nuklearen Brennelementen in der Höhe von 750 Milliarden Dollar binnen drei Jahren – gilt mittlerweile als kaum durchführbar. Wie die F.A.Z vorrechnete, wären diese enormen Summen nicht einmal dann in drei Jahren abbaubar, wenn die EU nur mehr in den USA einkauft und bestehende Abnahmeverpflichtungen in anderen Ländern (wie Algerien, Norwegen, Katar oder auch Russland) storniert oder ignoriert.
Wie geht es jetzt weiter?
Ende dieser Woche soll zunächst einmal eine politische Absichtserklärung unterzeichnet werden – wenn man denn bis dahin zu einem Abschluss kommt. Die finale Unterschrift wird erst geleistet, wenn wirklich alle Punkte geklärt sind und alles haarklein niedergeschrieben worden ist. Bis dahin werden sicher noch Wochen, eventuell sogar Monate vergehen.
Und dann?
Müssen sämtliche EU-Staaten sowie das EU-Parlament der fertigen Vereinbarung zustimmen, ehe sie offiziell in Kraft treten kann.
Und danach ist die EU sicher, dass Trump nicht doch irgendwann die Zölle neuerlich erhöht?
Nein, davor ist man nie sicher, Vereinbarung hin oder her. Die New York Times rechnet sogar damit, dass es Trump selbst sein wird, der die Vereinbarung über den Haufen wirft – oder zumindest einzelne Punkte aufweicht. Dann heißt es zurück an den Verhandlungstisch.