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Was sie wen kostet

65 Euro pro Monat? So ist das wirklich mit der neuen Trinkgeld-Regel

Regierung und Sozialpartner haben eine neue Trinkgeld-Regelung für die Gastronomie auf den Tisch gelegt. Was sie bringen soll, wie viel Mitarbeiter und Arbeitgeber dadurch künftig mehr bezahlen müssen – der Überblick. Und: Welche Branchen nun nachziehen sollen.

Nach langem hin und her hat sich die Bundesregierung auf neue Trinkgeld-Regeln in der Gastronomie geeinigt. Was das bedeutet, wie viel es die Betroffenen wirklich kostet
Nach langem hin und her hat sich die Bundesregierung auf neue Trinkgeld-Regeln in der Gastronomie geeinigt. Was das bedeutet, wie viel es die Betroffenen wirklich kostetHERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com
Martin Kubesch
Akt. 26.07.2025 06:52 Uhr

Wenige Beschlüsse unserer immer noch recht jungen Bundesregierung – die Dreierkoalition ist erst seit 145 Tagen im Amt, auch wenn es sich länger anfühlt – wurden ungeduldiger erwartet als die Neuregelung des Trinkgeld-Themas. Also die Klärung der Frage, ob der Staat auch künftig an den freiwilligen Geldgeschenken im Dienstleistungsbereich mitschneiden darf – und wenn ja, in welchem Ausmaß.

Das mag zum einen daran liegen, dass das Thema so gut wie jeden anspricht – und auch (fast) jeder etwas dazu zu sagen hat. Und zum anderen, dass die Trinkgeld-Frage exemplarisch steht für jene Überregulierung und jene Föderalismus-Auswüchse, die zu bekämpfen Kanzler Stocker und sein Team angetreten sind – auch, um vielleicht in der Verwaltung irgendwann Einsparungen vorweisen zu können.

Als dann am vergangenen Donnerstag nach drei Wochen intensiver Verhandlungen zwischen Regierungsparteien und Sozialpartnern weißer Rauch aufstieg, war die allgemeine Erleichterung groß – um bald darauf einer gewissen Verständnislosigkeit Platz zu machen. Denn der erzielte Kompromiss – und vor allem, was er für jeden Einzelnen bedeutet – kam nicht bei jedem gleichermaßen gut an.

"Das Trinkgeld bleibt steuerfrei" – "die Trinkgeld-Pauschale wurde auf 65 Euro gesenkt" – "es gibt eine Generalamnestie für bisherige Trinkgeld-Sünder" – "Unternehmer haben endlich Rechtssicherheit". Mit solchen und ähnlichen Schlagworten versuchten die an den Gesprächen beteiligten Verhandlungspartner, den Polit-Kompromiss als Erfolg für ihre jeweilige Klientel "zu verkaufen". Und sorgten damit vor allem für Verwirrung. Denn viele Fragen zum Trinkgeld Neu wurden bislang noch gar nicht oder nur unzureichend beantwortet.

Physisch vorhandenes Trinkgeld wird immer seltener, die meisten Kunden zahlen bereits digital
Physisch vorhandenes Trinkgeld wird immer seltener, die meisten Kunden zahlen bereits digital
Getty Images

Worum es bei der neuen Trinkgeld-Regelung im Detail geht, wie diese funktioniert, weshalb sie überhaupt notwendig war und was die Reform für jeden Einzelnen am Ende des Tages in der Geldbörse bedeutet. Hier die wichtigsten Fakten über das Trinkgeld Neu:

Worum geht es hier grundsätzlich?
Es geht um die Frage, ob und – wenn ja – in welchem Ausmaß der Staat an den Trinkgeldern "mitschneiden" darf, die Menschen im Handwerk oder im Dienstleistungsbereich für ihre Tätigkeit bekommen.

Weshalb sollte der Staat davon überhaupt etwas bekommen?
Weil in vielen Branchen und Berufen das Trinkgeld einen nicht zu unterschätzenden Teil des Gesamteinkommens darstellt, allen voran die Bereiche Gastronomie und Hotellerie. Oft findet das Trinkgeld sogar im Arbeitsvertrag explizit Erwähnung. Mit anderen Worten: Trinkgelder sind längst kein unerwarteter Bonus für gute Dienstleistungen mehr, sondern ein wesentlicher Einkommens-Faktor.

Ja, und?
Das bedeutet weiter, dass Arbeitgeber ihre Dienstnehmer um weniger Geld beschäftigen können, weil diese zusätzlich zu ihrem Gehalt ja auch regelmäßige Einkünfte aus freiwilligen Trinkgeldern beziehen. Das macht – nach der Logik der Finanzverwaltung – Trinkgelder in einigen Branchen quantitativ zu einem relevanten Gehaltsbestandteil. Und dementsprechend sollten für diese auch – theoretisch – Steuern und Abgaben bezahlt werden, weil es sonst unfair gegenüber jenen Arbeitnehmern wäre, die keine Trinkgelder erhalten.

Heißt also, dass Trinkgelder in Österreich voll besteuert werden und auch relevante Abgaben dafür bezahlt werden müssen?
Nein. Trinkgelder sind in Österreich steuerfrei, solange sie weniger als 25 Prozent vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers ausmachen. Allerdings müssen für sie Sozialabgaben bezahlt werden.

Einer der Schrittmacher der neuen Regelung: SP-Finanzminister Markus Marterbauer
Einer der Schrittmacher der neuen Regelung: SP-Finanzminister Markus Marterbauer
Helmut Graf

Was bedeutet das?
Das heißt, dass von allen Trinkgeldern, die ein Angestellter in einem Betrieb erhält, ein Beitrag zur Sozialversicherung geleistet werden muss. Das heißt, der Arbeitgeber muss für seine Arbeitnehmer das Trinkgeld im Zuge der Lohnverrechnung für die Festsetzung der Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung und für die betriebliche Vorsorge (Abfertigung Neu) mit einberechnen.

Es muss also Buch darüber geführt werden, wie viel Trinkgeld welcher Angestellte bekommen hat?
Nein, natürlich nicht, das wäre alleine schon vom Verwaltungsaufwand her vollkommen unrealistisch. Die Berechnung der Trinkgelder geschieht in Form von Pauschalen. Es wird von der Finanz geschätzt, wie viel ein durchschnittlicher Angestellter in einem Betrieb etwa an Trinkgeldern im Monat erhält. Und für diese Summe muss dann im Zuge der Lohnverrechnung ein Anteil für die Sozialversicherung abgezogen werden. So wie auch vom Brutto-Gehalt eines Angestellten ein Teil für die Sozialversicherung abgezogen werden muss.

Was passiert eigentlich mit dem Geld, das in die Sozialversicherung fließt?
Es wird aufgeteilt auf die verschiedenen Sozialleistungen des Staates, auf die ein Arbeitnehmer im Bedarfsfall Anspruch hat. Also etwa auf die Pension, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Abfertigung im Falle der Auflösung eines Dienstverhältnisses und das Arbeitslosengeld.

Und wie wird berechnet, wie hoch die Summe ist, die in diese Sozialversicherung fließt?
Das ist ein fixer Prozentsatz vom Bruttogehalt. Und bei jenen Arbeitnehmern, die in ihrem Job eben auch Trinkgelder kassieren, ein ebenso fixer Prozentsatz auf diese Trinkgelder.

Das heißt, diese Sozialabgaben werden komplett aus meinem Bruttogehalt bezahlt?
Nein, sie werden aufgeteilt. Einen Anteil bezahlt der Arbeitnehmer aus seinem Bruttogehalt. Und einen – etwa doppelt so großen – Anteil bezahlt der Arbeitgeber zusätzlich noch.

Auch das Arbeitslosengeld wird aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer finanziert
Auch das Arbeitslosengeld wird aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer finanziert
Weingartner-Foto / picturedesk.com

Darum geht es bei der Trinkgeld-Pauschale

Das gilt auch für die Trinkgelder?
Ja, das gilt auch für jene Trinkgeld-Pauschalen, die für die einzelnen Branchen zur Anwendung kommen. Von diesen Pauschalen werden dem Arbeitnehmer – grob gesagt – zwischen knapp über 15 und knapp über 18 Prozent für die Sozialversicherung abgezogen. Und der Arbeitnehmer muss aus eigener Tasche noch einmal knapp über 22 Prozent dieser Summe für die Sozialversicherung hergeben. Das ist sein Arbeitgeberanteil.

Okay. Und wie kommt man auf diese Pauschalen?
Sie werden geschätzt, aufgrund von vorhandenem Datenmaterial, wirtschaftlichen Entwicklungen, Branchenbeobachtungen und Stichproben. Die Pauschale soll ja für sämtliche in einer Branche tätigen Personen gleichermaßen Gültigkeit haben, keinem zu viel abverlangen und gleichzeitig die Realität möglichst genau abbilden.

Wie hoch sind diese Trinkgeld-Pauschalen?
Bleiben wir beim Beispiel Gastronomie und Hotellerie, denn hier sind von der Personenzahl her die meisten Menschen beschäftigt, für die es eigene Trinkgeld-Regelungen gibt. Bislang war es so, dass es für jedes Bundesland eine eigene Pauschale gab – das hat sich mit der Zeit so entwickelt, weil die Annahme bestand, dass die lokalen Unterschiede (Tourismus, soziales Gefälle, Art und Qualität der Gastronomie bzw. Hotellerie) zu groß seien, um alle Angestellten über einen Kamm zu scheren.

Trinkgeld per Fingertipp: Je mehr digital gezahlt wird, desto einfach ist es für die Finanz, die wahren Trinkgeld-Flüsse zu ermitteln
Trinkgeld per Fingertipp: Je mehr digital gezahlt wird, desto einfach ist es für die Finanz, die wahren Trinkgeld-Flüsse zu ermitteln
Getty Images

Was bedeutet das konkret?
Der Durchschnitt aller neun Bundesländer-Pauschalen für die Trinkgeld-Berechnung lag zuletzt bei 42 Euro pro Person und Monat (Stand 2024). Also der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass ein durchschnittlicher Angestellter pro Monat 42 Euro an Trinkgeldern erhält. Und für diese pauschal angenommenen 42 Euro Trinkgeld pro Monat wurden dem Arbeitnehmer bei der Lohnverrechnung die Abgaben für die Sozialversicherung abgezogen – zwischen 15 und 18 Prozent (je nach Einkommenshöhe). Etwa zwischen 7 und 10 Euro pro Monat.

Alles klar. Aber weshalb hat man das dann nicht einfach so bei behalten?
Die grundsätzliche Mechanik wurde beibehalten, daran ändert sich nichts. Es wurden nur die Pauschalen angepasst.

Die neuen Trinkgeld-Pauschalen

Weshalb wurden die Pauschalen angepasst?
Erstens, weil davon ausgegangen wird, dass die durchschnittliche Trinkgeld-Höhe inzwischen um einiges höher liegt. Dementsprechend sollte auch der Sozialversicherungstopf im selben Maße aufgefüllt werden, damit auch die Ausschüttungen steigen können.

Bitte zahlen! Gastro-Mitarbeiter mit Inkasso-Berechtigung werden ab 2026 auf ein monatliches Trinkgeld von 65 Euro eingestuft, solche ohne Inkasso auf 45 Euro
Bitte zahlen! Gastro-Mitarbeiter mit Inkasso-Berechtigung werden ab 2026 auf ein monatliches Trinkgeld von 65 Euro eingestuft, solche ohne Inkasso auf 45 Euro
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Wie kommt man darauf, dass mehr Trinkgeld gegeben wird?
Weil mittlerweile sehr viele Trinkgeldzahlungen nicht mehr als Bargeld in der Geldtasche des Kellners landen, sondern bei der elektronischen Zahlung einfach dazu abgebucht werden. Heißt, die Summen sind fürs Finanzamt wesentlich genauer nachvollziehbar.

Und zweitens?
Außerdem wollte man die Berechnungen vereinfachen und nur mehr eine Pauschale haben, die für alle Bundesländer gleichermaßen gilt. Oder besser gesagt zwei Pauschalen, denn man wollte jene Angestellten, die wirklich sehr nahe am unteren Einkommens-Level sind, nicht mit genauso hohen Trinkgeld-Abgaben belasten wie jene Arbeitnehmer, die im gehobeneren Bereich verdienen.

Heißt was?
Es gab bisher bereits zwei Pauschalen. Eine für Angestellte mit Inkasso-Berechtigung – also für Mitarbeiter mit mehr Verantwortung, die entsprechend auch besser verdienen sollten. Und eine für Mitarbeiter ohne Inkasso-Berechtigung. Nur dass es diese beiden Pauschalen eben bisher neun Mal gab – für jedes Bundesland extra.

Und darüber wurde jetzt verhandelt?
Exakt. Die Verhandler von ÖVP und SPÖ bzw. den Sozialpartnern waren sich eigentlich bereits einig, dass die höhere Pauschale bei 95 Euro pro Monat angesetzt werden sollte, haben da aber die Rechnung ohne den NEOS-Wirt Sepp Schellhorn gemacht, der als Hotelier ein Vollprofi auf dem Gebiet ist (siehe Video unten). Schellhorn erreichte eine Herabsetzung der oberen Pauschale um fast ein Drittel und sparte so den Arbeitgebern einen nicht zu geringen Teil ihrer Arbeitgeberpauschale.

Also welche neuen Pauschalen gelten jetzt?
Ab 2026 wird es österreichweit nur mehr zwei Trinkgeld-Pauschalen für Angestellte in der Gastronomie und Hotellerie geben. 65 Euro pro Monat (für Angestellte mit Inkasso-Berechtigung) und 45 Euro für solche ohne Inkasso-Berechtigung. Für diese Beträge haben dann alle Angestellten pauschal Sozialversicherungsabgaben zu entrichten.

Und auf diesem Niveau bleibt das dann?
Nein, die Summen steigen an. Für das Jahr 2027 werden 85 bzw. 45 Euro Pauschale zugrunde gelegt, für 2028 dann 100 bzw. 50 Euro pro Monat. Und ab 2029 sollen die Pauschalen dann mit der Inflation weiter steigen.

So teuer wird die neue Trinkgeld-Pauschale

Was bedeutet das in echtem Geld?
Von der höheren Trinkgeld-Pauschale, also den 65 Euro ab 2026 ausgehend, bedeutet das:
Ein Arbeitgeber zahlt dann für jeden Angestellten, der in diese Kategorie fällt, pro Monat in die Sozialversicherung einen Arbeitgeberanteil von 14,63 Euro – eben für angenommene Trinkgeld-Einkünfte in der Höhe von 65 Euro. Das sind etwa zwischen 4 und 5 Euro mehr als bisher (je nach Bundesland).
Und ein Arbeitnehmer bezahlt künftig für die angenommenen 65 Euro Trinkgeld pro Monat zwischen 9,83 und 11,75 Euro in die Sozialversicherung ein. Das sind etwa um die 2 Euro mehr als bisher (abhängig von der Höhe des Brutto-Einkommens).

Und ab 2027?
Die Anteile steigen in dem Maß, wie auch die Trinkgeld-Pauschalen steigen.

Ändert das irgend etwas an den Sozialversicherungsbeiträgen, die für das Angestelltengehalt fällig werden?
Überhaupt nicht, diese werden, wie gehabt, nach der Einkommenshöhe berechnet. Die Beträge für die Trinkgelder kommen dazu on top, so wie bisher auch schon.

Und ändert das etwas an der Höhe der Steuer, die man bezahlt?
Nein. Wie bisher, werden auch künftig die Trinkgeld-Pauschalen nicht besteuert. Steuer muss nur auf das Bruttogehalt bezahlt werden.

Also die Mehrkosten für die Arbeitnehmer durch die neue Regelung liegen bei etwa 2 Euro pro Monat?
Korrekt. Weil man davon ausgeht, dass die monatlichen Trinkgeld-Einnahmen der Arbeitnehmer um mehr als 20 Euro höher sind, als bislang pauschal angenommen (42 Euro Pauschale im Österreich-Durchschnitt im Jahr 2024 zu 65 Euro Pauschale ab 2026).

Und wenn jemand viel mehr als 65 Euro pro Monat an Trinkgeldern verdient?
Dann fallen im Jahr 2026 dadurch trotzdem nicht mehr als maximal 11,75 Euro Beitrag zur Sozialversicherung pro Monat an. Im Jahr 2027 wird die höhere Trinkgeld-Pauschale bei 85 Euro liegen, dann wird sich auch der Arbeitnehmer-Anteil weiter erhöhen, erwartungsgemäß um etwa 2 Euro pro Monat.

Auf Gastro-Großunternehmer wie Bernd und Irmgard Querfeld (u.a. Café Landtmann, Café Mozart, Bootshaus) kommen durch die neue Regel relativ hohe Mehrkosten zu
Auf Gastro-Großunternehmer wie Bernd und Irmgard Querfeld (u.a. Café Landtmann, Café Mozart, Bootshaus) kommen durch die neue Regel relativ hohe Mehrkosten zu
Sabine Hertel

Was muss man als Arbeitnehmer tun, damit die neue Trinkgeld-Regelung bei einem angewendet wird?
Gar nichts, das wird von der Lohnverrechnung des Arbeitgebers vorgenommen. Der Arbeitnehmer muss selbst überhaupt nichts tun.

Ist die neue Regelung eher arbeitgeber- oder arbeitnehmerfreundlich?
Das hängt klarerweise vom Blickwinkel der Betrachtung ab. Objektiv kann man sagen, dass die Belastung für die Unternehmen größer ist als für die Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer muss im Schnitt etwa 2 Euro pro Monat mehr abführen, sollte aber – wenn die Berechnung der Pauschale halbwegs korrekt ist – mindestens 20 Euro pro Monat mehr an Trinkgeld verdienen. Der Arbeitgeber muss etwa 5 Euro pro Mitarbeiter und Monat zusätzlich abführen, hat aber im Regelfall nichts von den höheren Trinkgeldern. Je nach Betriebsgröße, können dadurch schon ein paar hundert Euro Mehrkosten pro Monat zustande kommen.

Was ist mit jenen Gastronomie-Mitarbeitern, die überhaupt keine Trinkgelder bekommen, etwa im Fastfood-Bereich?
Für diese Arbeitnehmer gibt es eine Ausnahmeregelung, für sie muss selbstverständlich keine Trinkgeld-Pauschale abgeführt werden.

Für Mitarbeiter in der Systemgastronomie gilt eine Ausnahmeregelung, sie müssen keine Trinkgeld-Pauschale abführen
Für Mitarbeiter in der Systemgastronomie gilt eine Ausnahmeregelung, sie müssen keine Trinkgeld-Pauschale abführen
Utrecht, Robin / Action Press / picturedesk.com

Was hat es mit der "Rechtssicherheit für Arbeitgeber" auf sich?

Ein weiterer Vorteil der neuen Regelung – neben der Einheitlichkeit – sei die "Rechtssicherheit für Arbeitgeber" – was heißt das?
Nicht alle Unternehmen haben bislang die Trinkgeld-Pauschalen zur Anwendung gebracht. Manche haben auch eigene, oft sehr viel geringere, Trinkgeld-Einnahmen geltend gemacht. Besonders auffällige – weil aus der Reihe fallende – Abrechnungen wurden dann von der Sozialversicherung oft nachgeprüft. Und wenn fehlerhafte Abrechnungen festgestellt wurden, bekamen die entsprechenden Unternehmen Nachzahlungs-Bescheide, die oftmals ziemlich hoch ausgefallen sind.

Und weiter?
Im Zuge der jetzt paktierten Neuregelung wurde auch vereinbart, dass es eine Generalamnestie für sämtliche bisherigen "Falschmeldungen" erlassen wird.

Was bedeutet das?
Unternehmen, die sich vielleicht nicht ganz sicher sein konnten, ihre Sozialversicherungsbeiträge in Zusammenhang mit der Trinkgeld-Regelung immer korrekt abgerechnet zu haben, müssen nicht mehr fürchten, eventuell noch einen Nachzahlungsauftrag zu erhalten. Sämtliche Falschmeldungen der Vergangenheit werden mit in Kraft treten der neuen Regelung amnestiert.

Es kann also keine Nachzahlungs-Aufforderung mehr kommen?
Genau, somit besteht für Unternehmen diesbezüglich eine Rechtssicherheit, dass sie hier nicht noch einmal zur Kasse gebeten werden. "Schlussstrich und Neuanfang" lautet die Devise der Dreier-Koalition.

Und was ist mit jenen Unternehmen, die bereits eine Nachzahlungs-Aufforderung erhalten und auch bezahlt haben?
Für diese Unternehmen soll es eine Rückabwicklung dieser Zahlungen geben, damit sie nicht schlechter gestellt sind als jene, die Zahlungsaufforderungen erhalten, aber nicht bezahlt haben. "Härtefallregelung" nennt das die Regierung.

Ihr Ministerium ist primär für die neue Trinkgeld-Regelung verantwortlich: SP-Sozialministerin Korinna Schumann
Ihr Ministerium ist primär für die neue Trinkgeld-Regelung verantwortlich: SP-Sozialministerin Korinna Schumann
Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com

Wie soll diese "Härtefallregelung" funktionieren?
Das weiß man im zuständigen Sozialministerium noch nicht so genau. Dem Entwurf der Regierung für die neue Regelung liege kein expliziter Plan bei, wie mit solchen Fällen zu verfahren sei, heißt es aus dem Ministerium. Und man spielt den Ball an die Sozialversicherungen weiter. Diese seien autonom und hätten sich zu überlegen, wie sie das mit den Unternehmen, die sich in dieser Sache melden werden, klären möchten.

Was soll man also als Unternehmer tun, wenn man denkt, man fällt unter die Härtefallregelung?
Auf jeden Fall so rasch wie möglich bei der zuständigen Sozialversicherung melden und auf den Fall aufmerksam machen. Was dann passiert – und wie rasch es geht – muss sich erst zeigen. "Man wird sich jeden Fall einzeln anschauen müssen", so das Ministerium.

Wie geht es jetzt weiter?

Was sind die nächsten Schritte?
Der Gesetzesentwurf der Regierung geht jetzt in Begutachtung und wird aller Voraussicht nach im Herbst im Nationalrat zur Abstimmung kommen. Dann kann der Start mit den neuen Pauschalen ab Jänner 2026 zeitgerecht umgesetzt werden.

Ist damit die leidige Trinkgeld-Debatte endlich vom Tisch?
Ganz im Gegenteil. Gastronomen und Hotellerie (die genaue Bezeichnung lautet Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe) haben jetzt einmal den Anfang gemacht. Es gibt aber noch vier weitere Berufsgruppen, bei denen der Wildwuchs an Trinkgeld-Pauschalen beinahe ebenso ausufernd ist wie bei den Gastronomen.

Welche Berufsgruppen sind das?
"Kosmetiker/Fußpfleger/Masseure", "Friseure", "Lohnfuhrwerkgewerbe" (also Taxi, Mietautos, Busse etc.) sowie "Arbeitnehmer in Heilbadeanstalten, Kuranstalten, Heilquellenbetrieben und Bädern". Alleine für diese vier Berufsgruppen bestehen derzeit insgesamt 24 verschiedene Trinkgeld-Pauschalen quer durch die Bundesländer.

Friseure, Kosmetiker und "Lohnfuhrwerker" wären die nächsten Berufsgruppen, die einheitliche Trinkgeld-Pauschalen benötigen
Friseure, Kosmetiker und "Lohnfuhrwerker" wären die nächsten Berufsgruppen, die einheitliche Trinkgeld-Pauschalen benötigen
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Das war's dann aber, oder?
Schön wär's. Darüber hinaus ist für Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen (etwa Paketzusteller, Servicemitarbeiter, Monteure …) überhaupt kein Trinkgeld-Pauschale definiert. Hier müssen die Arbeitgeber Aufzeichnungen über das tatsächlich zugeflossene Trinkgeld führen und bei der Lohnabrechnung zur Anwendung bringen. Geschieht das nicht oder erscheinen diese Aufzeichnungen den Sozialversicherungsanstalten nicht glaubhaft, können diese individuell festgelegt werden. Wodurch sich – wie oben erwähnt – immer wieder teils horrende Nachzahlungen für einzelne Betriebe ergeben können.

Und wann möchte man diese Bereiche angehen?
Dazu gibt man sich im Sozialministerium realistisch – und setzt sich kein Zeitlimit. Man habe mit der Einigung im Bereich Gastronomie und Hotellerie die Blaupause geschaffen, wie man alle Gesprächspartner an einen Tisch bringen und in annehmbarer Zeit Ergebnisse erzielen kann. Nun seien die Protagonisten in den anderen Trinkgeld-Bereichen gefordert und angehalten, ebenfalls Lösungen zu finden.

Martin Kubesch
Akt. 26.07.2025 06:52 Uhr