"Wir sind die Lachnummer der Welt": Der Coup im Louvre hat Frankreich ins Herz getroffen – und verheerende Sicherheitsmängel offenbart. Ein Drittel der Räume ist nicht einmal videoüberwacht. Der Ablauf, die gestohlenen Schmuckstücke, ihr Bezug zu Österreich.

Es ging ganz einfach, dauerte nur acht Minuten und wäre als Filmstoff vielleicht als zu banal eingestuft worden. Am Sonntag raubten vier Männer den Louvre in Paris aus, erst knapp vor der Flucht der Täter ging der Alarm los. Die Sicherheitsmängel des Museums sind seit Jahren bekannt.
Die Frage ist nicht, wie der Coup passieren konnte, sondern warum erst jetzt jemand die Idee dazu hatte. Denn während beim Haupteingang, der Pyramide, strenge Sicherheitskontrollen vonstatten gehen, reicht beim Seitenflügel ein Winkelschleifer, um eine Fensterscheibe einzuschlagen und drin ist man.
Der Louvre blieb auch am Montag geschlossen, Frankreich zeigte indes Mitleid mit sich selbst, fühlte sich beschämt und kochte gleichzeitig vor Wut. Neun Schmuckstücke von unschätzbarem Wert sind weg, darunter auch ein Smaragd-Set, das Marie-Louise von Habsburg-Lothringen, Erzherzogin von Österreich, anlässlich ihrer Hochzeit 1810 geschenkt wurde. Was man derzeit über den Überfall weiß:
Was ist der Louvre überhaupt?
Das berühmteste Museum der Welt. Ob es auch das größte ist, hängt von der Betrachtungsweise ab. Die Ausstellungsfläche beträgt irgendwas zwischen 60.600 bis 72.735 Quadratmetern, die Quellenlage ist da etwas wankelmütig. So über den Daumen entspricht das zehn Fußballfeldern. Die Nutzfläche misst 210.000 Quadratmeter.

Aber?
Das Smithsonian-Museum in Washington DC ist zum Beispiel fast 800.000 Quadratmeter groß.
Was wird in Paris geboten?
Einiges! Der Louvre besteht aus über 400 Räumen, rund 35.000 Kunstwerke werden ausgestellt. Wer sich für jedes nur 30 Sekunden Zeit nimmt, benötigt 36 Achtstunde-Tage dafür.
Werden immer dieselben Werke ausgestellt?
Nein, der Gesamtbestand beträgt 616.000 Objekte. Die Eremitage im russischen St. Petersburg besitzt 3 Millionen Ausstellungsstücke, von denen 65.000 in 350 Räumen ausgestellt sind.
Wie viele Besucher kommen pro Jahr in den Louvre?
2024 waren es 8,7 Millionen, um 200.000 weniger als im Jahr zuvor. Trotzdem hat kein Museum der Welt mehr Besucher. Das Kunsthistorische Museum Wien zählte 2025 etwa über 1,9 Millionen Gäste.
Seit wann gibt es den Louvre?
Seit dem 13. Jahrhundert. Er war früher königliche Residenz, 1793 wurde er während der Französischen Revolution zum Museum.

Wie ist er aufgebaut?
Die Sammlungen sind auf fünf Ebenen in drei miteinander verbundenen Flügeln ausgestellt, die nach drei bedeutenden Persönlichkeiten der französischen Geschichte benannt sind: Richelieu (1585–1642), Premierminister von König Ludwig XIII., Sully (1559–1641), Premierminister von König Heinrich IV., und Denon (1747–1825), erster Direktor des Musée du Louvre.
Warum ist das relevant?
Weil der Raubüberfall im Denonflügel stattfand. Hier hängt auch die Mona Lisa.
Wann fand der Überfall statt?
Am Sonntag zwischen 9.30 Uhr und 9.38 Uhr. Am Sonntag öffnet der Louvre um 9 Uhr.
Warum kamen die Täter nicht in der Nacht?
Vermutlich, weil sie so weniger Aufmerksamkeit erregten. Sie waren als Arbeiter verkleidet. Da sie während der Öffnungszeit zuschlugen, dachten vielleicht viele, es würden Bauarbeiten stattfinden. Kleiner Einwand: am Sonntag?
Wie gingen die Männer vor?
Es handelt sich um vier Täter, alle waren maskiert. Zwei fuhren in einem silberfarbenen Lastwagen mit einer Drehleiter vor. Einer trug eine gelbe, der andere eine orangefarbene Weste. Sie stellten Pylonen um das Fahrzeug auf, um den Anschein zu erwecken, als würden sie autorisierte Reparaturen durchführen.

Und die anderen beiden Täter?
Sie folgten dem Lastwagen auf zwei Yamaha TMAX-Motorrollern und blieben in Warteposition.
Wie drang die Bande in den Louvre ein?
Die beiden "Arbeiter" ließen sich mit der Drehleiterauf einen kleinen Balkon im ersten Stock fahren. Dort schlugen sie mit einem Winkelschleifer die Scheibe eines ziemlich verwittert aussehenden Fensters ein und rückten in die Räume vor.
Was fiel auf?
Jetzt einmal abgesehen davon, dass die Fensterscheibe als Barriere ein Witz war? Es wurde kein Alarm ausgelöst, als die Scheibe zerbarst. Das dürften die Täter gewusst haben.
Warum weiß man, wie das Duo eindrang?
Weil es über dem Balkon eine Überwachungskamera gibt, Von ihr wurde die Ankunft der vier Kriminellen am Tatort im Herzen der Hauptstadt aufgezeichnet.
Wie agierten die Täter im Louvre?
Sie liefen zielgerichtet in die Galerie d'Apollon im Denon-Flügel. Es handelt sich um den prunkvollsten Teil des Gebäudes, er beherbergt die königliche Edelsteinsammlung und die Krondiamanten, rund 800 Exponate. Die Galerie d'Apollon wurde für Ludwig XIV. errichtet. Der Spiegelsaal im Schloss Versailles ist ein Nachbau.

Wie kamen die Täter an die Beute?
Um 9.34 Uhr drangen sie mit Winkelschleifern in zwei Vitrinen ein, in die "Vitrine Napoléon", sie enthielt Napoleons Juwelen, und in die "Vitrine des Souverains Français" mit den Juwelen anderer französischer Herrscher. Den Tätern fielen zehn Stücke in die Hände.
Kein Alarm, nichts?
Offenbar. Die französische Zeitung "Le Canard Enchainé" berichtet zudem, dass die Vitrinen vor fünf Jahren getauscht wurde – und nun weniger Sicherheit bieten.
Was passierte dann?
Bewachungspersonal tauchte auf, die Räuber bedrohten die fünf Wächter mit ihren Winkelschleifern. Die Louvre-Angestellten sollen sich gemäß Protokoll verhalten haben. Um 9.37 Uhr wurde Alarm ausgelöst. 2.000 Besucher saßen im Museum fest. Hunderte warteten vor der Tür. Die Räuber suchten schließlich das Weite. Dabei verloren sie ein Schmuckstück.
Welches?
Die Krone von Kaiserin Eugène. Sie fiel in der Nähe des Museums zu Boden, wurde dabei beschädigt und später am Tag gefunden. Die Krone aus Gold ist besetzt mit 1.354 Diamanten, 1.136 Rosen und 56 Smaragden und eines der kostbarsten Stücke der Ausstellung. Sie kann repariert werden.
Wie flüchteten die Täter?
Auf dem selben Weg, wie sie gekommen waren. Also raus übers Fenster, dann fuhren sie mit der Drehleiter nach unten, sprangen zu den Komplizen auf die Yamaha-Roller und zischten ab. Zuvor sollen sie noch versucht haben, den Lastwagen anzuzünden, Wächter sollen sie davon abgehalten haben.

Was blieb am Tatort zurück?
Handschuhe, zwei Winkelschleifer, ein Schweißbrenner, Benzin, ein Walkie-Talkie, eine Decke.
Gibt es Bilder der Täter?
Ja, aber sie sind sehr verschwommen, man sieht einen der beiden Täter beim Aufflexen der Vitrine. Das Bild soll von einem Video stammen, das ein Besucher aufgenommen hat.
Warum ist der Raub so bedeutsam?
"Es handelt sich nicht nur um einen materiellen Verlust ", sagte Expertin Juliane Delsol dem Le Figaro. "Es ist das Verschwinden einer Geschichte. Diese Juwelen wurden bereits während der Revolution verstreut, dann dank Spenden zurückgekauft und Stück für Stück wiederhergestellt. Sie erneut verschwinden zu sehen, bedeutet, jahrzehntelange Arbeit zunichte zu machen."
Welche Schmuckstücke wurden gestohlen?
Französische Medien unterzogen sich der Mühe und zählten zusammen. Wenn man das Paar Ohringe doppelt zählt, wurden neun Stücke endwendet. Insgesamt umfasst die Beute 8.708 Diamanten, 34 Saphire, 38 Smaragde und 212 Perlen.

Wie geht Frankreich mit dem Raub um?
Die Nation fühlt sich in ihrem Stolz verletzt. "In den letzten 24 Stunden war Frankreich wegen des peinlichen Diebstahls der Kronjuwelen aus dem Louvre die Lachnummer der Welt ", sagte die Europaabgeordnete Marion Maréchal, sie ist die Nichte von Marine Le Pen.
Warum wurde der Coup zum Politikum?
Weil die Sicherheitsmängel des Museums und die Baufälligkeit mancher Räume seit Jahren bekannt waren. Seit 1. September 2021 ist Laurence des Cars Präsidentin und Generaldirektorin des Louvre, die erste Frau auf diesem Posten. 2023 wies sie in einem Bericht auf den maroden Zustand des Hauses hin.
Was passierte damit?
Er ging dem Élysée-Palast zu und blieb dort zwei Jahre lang liegen. Der Bericht werde "überprüft", hieß es.
Seither passierte nichts?
Doch, heuer zu Jahresbeginn kam Bewegung in die Sache. Am 13. Jänner erhielt Kulturministerin Rachida Dati einen neuen brisanten Bericht von Laurence des Cars. Sie sprach darin von "teilweise sehr heruntergekommenen Räumen", „der Veralterung technischer Ausrüstung" und von "Besorgnis erregenden Temperaturschwankungen, die den Erhaltungszustand der Werke gefährden."
Gab es Konsequenzen?
Ministerpräsident Emmanuel Macron kaperte sich das Thema. Er besuchte den Louvre kameragerecht und gab dann in einer Rede vor der Mona Lisa den Startschuss für ein umfangreiches Renovierungsprojekt des Museums.

Was soll kommen?
Ein neuer Eingang, die Pyramide war für höchstens vier Millionen Besucher pro Jahr konzipiert, nun kommen mehr als doppelt so viele. Neue Empfangsbereiche, die Verlegung der Mona Lisa, Wartungsarbeiten, Verbesserungen bei der Sicherheit sind geplant.
Wie hoch ist das Budget dafür?
Die Kosten werden auf 500 Millionen Euro geschätzt.
Was passiert mit der Mona Lisa?
Für sie werden neue Ausstellungsräume geschaffen, die mit dem bestehenden Museum verbunden sind, kündigte Macron an. Die Mona Lisa werde unabhängig vom Rest des Museums zugänglich sein, fügte er hinzu, und zwar mit einer eigenen Eintrittskarte.
Was kostet der Eintritt in den Louvre?
Derzeit 22 Euro, für Besucher außerhalb der EU soll es zukünftig teurer werden. 80 Prozent der Besucher kommen wegen der Mona Lisa.
Sollte auch die Sicherheit verbessert werden?
Ja, das war fixer Plan. Es gibt einen vorläufigen Bericht des französischen Rechnungshofes, der mit der Sicherheit im Louvre abrechnet. Im eben erst renovierten Denon-Flügel ist nur jeder dritte Raum videoüberwacht, obwohl die Apollo-Galerie erst 2020 nach sechsjähriger Renovierung wiedereröffnet worden war. im Richelieu-Flügel sind gar drei Viertel der Säle ohne Kamera.

Aber es gibt weitere Sicherheitsprobleme, oder?
Ja, die Zahl des Bewachungspersonals wurde in den vergangenen Jahren immer weiter reduziert. Im Juni kam es deswegen sogar zu einem Streik, dabei wurde auch auf die Sicherheitsmängel hingewiesen.
Wie sicher sitzt Präsidentin Laurence des Cars im Sattel?
Sie soll am Montag bei einer Versammlung des Personals ausgebuht worden sein. Die Mitarbeiter werfen ihr auch vor, bei Sicherheit und Menschen gespart zu haben. Gleichzeitig ließ sich die Direktorin für 497.000 Euro eine Küche und ein Esszimmer bauen, um Gäste empfangen zu können.
Was passiert mit dem gestohlenen Schmuck?
Auf dem legalen Markt finden sich für diese "unbezahlbaren" Stücke keine Käufer, sagte Expertin Juliane Delsol dem Le Figaro. "Zu bekannt, zu gut dokumentiert, zu leicht auffindbar."
Also?
"Wenn sie wieder auftauchen, dann in einer nicht wiederzuerkennenden Form." Laut der Expertin ist nur ein Szenario denkbar: die Demontage. "Die Steine werden ausgefasst, die Fassungen eingeschmolzen, die Mengen reduziert, die Größen verändert", sagt sie.

Warum ist das momentan ein gutes Geschäft?
Durch die Demontage geht natürlich einiges an Wert verloren, so die Expertin. Aber bei einem Goldpreis von über 110 Euro pro Gramm "vervielfacht sich die Begehrlichkeit." Wenn die Stücke nicht schnell gefunden sind, dann werden diese Stücke Europa sehr schnell verlassen".
Wohin?
Laut einer Studie der kanadischen Gruppe IMPACT, einem Spezialisten für die Rückverfolgbarkeit natürlicher Ressourcen, ist Indien einer der wichtigsten Umschlagplätze. Hier werden große Mengen Gold eingeschmolzen. Das Land nimmt das Metall in großem Umfang auf, verarbeitet es und reexportiert es.
Wie fahndet Frankreich nach der Bande?
Rund 60 Ermittler arbeiten an dem Fall. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen "organisierten Diebstahls und krimineller Verschwörung zur Begehung einer Straftat" eingeleitet.
Wann macht der Louvre wieder auf?
Am Dienstag hat er sowieso immer geschlossen, also frühestens am Mittwoch.