Eugen Freund

Ehemaliger ZiB-Star macht Schredder-Affäre zu Krimi

"Die Festplatte" ist fast noch wilder als das echte Leben, falls das geht. Was im neuen Buch von Eugen Freund steht, warum er es geschrieben hat, wie er Ex-Kanzler Kurz nennt.

Eugen Freund vor der "Magdalena": Das Ausflugsschiff spielt als Versteck eine Rolle in seinem neuen Buch
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Privat
Christian Nusser
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Was wäre eigentlich passiert, wenn die Geschichte ganz anders verlaufen wäre? Also wenn die Festplatten aus dem Kanzleramt nicht geschreddert worden wären, sondern es zumindest noch Kopien gäbe? Diese Daten in die Hände dunkler Mächte gelangt wären? Wobei man in Österreich nie ganz genau weiß, wo wirklich das Licht ist und wo der Schatten.

Aus diesem Gedanken heraus hat Eugen Freund einen Roman geschaffen, eine Art Skandinavien-Krimi ohne Elche, zumindest keine auf vier Beinen, angesiedelt zwischen Wien und Kärnten, seinen beiden Lebensmittelpunkten.

Freund ist gut herumgekommen in der Welt, vor allem auch in der Welt des Journalismus. Er hat fürs "Profil" geschrieben, war im Hörfunk, Pressesekretär im Außenministerium, hat die ZiB 2 moderiert und später die ZiB 1, berichtete vom Fall der Berliner Mauer und von der Ölkatastrophe in Alaska. Elf Jahre lang lebte er in Etappen in den USA, sechs Jahre davon war er ORF-Korrespondent in Washington. Für die SPÖ saß er ab 2014 im EU-Parlament, seit Kurzem schreibt er als USA-Experte auch für Newsflix. Eine seiner Leidenschaften begleitete ihn über die Jahre wie seine Liebe zum Klopeiner See – das Schreiben.

Das Geheimnis über den Inhalt der Festplatten nahm Sebastian Kurz in die Wüste mit
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Helmut Graf

Zweiter Roman Innerhalb der letzten 13 Jahre hat Freund acht Bücher geschrieben, über die USA, Obama, seine "Zeit in Bildern", aber auch einen Roman. Zu "Der Tod des Landeshauptmanns" gesellte sich nun "Die Festplatte", eben erschienen, 220 Seiten, sehr packend, auch für Liebhaber des subtilen Humors gut geeignet. Der Kanzler in dem Buch, unschwer als Sebastian Kurz zu erkennen, heißt Stefan Wenig.

Wasser marsch! So um den März 2023 herum hat Freund damit begonnen niederzuschreiben, was noch gar nicht in seinem Kopf war, zumindest wusste er noch nichts davon. "Ich habe einfach angefangen, weil mich die Geschichte mit den Festplatten fasziniert hat", sagt er. Struktur, Mittelteil, Schluss, nichts war geplant, es floss, oder auch nicht: "Im Sommer hatte ich eine Schreibblockade." Vielleicht ist das aber auch nur eine pfiffige Umschreibung für den Klopeiner See, dessen Wasser lockte. Mehr jedenfalls als das Notebook.

"Die Festplatte" hat einen wahren Kern Die Betonung liegt auf "einen", und deshalb schreibt Freund, ehe es mit "Klick-klick, klick-klick, klick-klick" losgeht: "Dieses Buch basiert auf  e i n e r  wahren Begebenheit: im Mai 2019 bringt ein Mitarbeiter des Österreichischen Bundeskanzleramtes Festplatten zum Schreddern zu einer Firma, die sich auf die totale Vernichtung von Computerdaten spezialisiert. Alles andere, insbesondere Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, sind rein zufällig."

Zufallsfund: Ein Lastwagen der Firma Reisswolf vor dem Innenministerium in der Wiener Herrengasse
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Helmut Graf

Die Zufälligkeiten, das darf schon behauptet werden, häufen sich Es ist, als würde man zwei Lebensentwürfe nebeneinander legen. Jenen von einem gewissen Sebastian K., der als K. der Republik Ö. zur Hand ging, und jenen von Stefan Wenig, der alle Spuren seines Wirkens im Kanzleramt vernichtet haben will. Daraus entwickelt sich eine Räuberpistole, die ihre Patronen in ein ähnliches Gebiet abschießt wie das wirkliche Leben. Das Umfeld von Stefan Wenig ähnelt dem Umfeld von Sebastian Kurz wie ein zurückgekämmtes Haar dem anderen, die Karriere in der Jungen ÖVP, das Umgehen mit prominent beleuchteten Charakteren wie Ex-US-Außenminister John Kerry, es ist eine Parallelwelt, die der echten Parallelwelt sehr nahe kommt oder gänzlich mit ihr verschwimmt.

Darum geht es Bülent Erdovan, ein erfahrener Investigativ-Journalist und stellvertretender Chefredakteur des "Profil", wird während seiner Reise nach Kärnten von seinem Bekannten Erich kontaktiert, der im Kabinett des Bundeskanzlers arbeitet. Sie vereinbaren ein Treffen in einem abgelegenen Berggasthof in Trögern. Dort findet Bülent seinen Freund Erich schwer verletzt vor. Der übel Zugerichtete erklärt ihm, dass ihm eine Festplatte, die aus dem Kabinett des ehemaligen Bundeskanzlers Stefan Wenig stammt, gestohlen wurde. Im Auftrag des Ex-Kanzlers hätte Erich die Festplatte an eine Firma übergeben sollen, die darauf enthaltene Daten vernichten sollte.

Blöd nur, dass sich Erich dafür entschieden hatte, die Festplatte Bülent zu übergeben, was nicht ganz gelingt, zumindest nicht gleich. Denn ein paar Raubeine legen, wie gesagt, Hand an ihn am und stehlen das gute – oder schlechte – Stück. Die Jagd auf die drei Auftragskiller und die gespeicherten, geheimnisvollen Geheimnisse kann beginnen.

Teile des Kurz-Kernteams: Sebastian Kurz (r.) mit Kabinettsmitarbeiter Axel Melchior (1.v.l.) und Pressesprecher Gerald Fleischmann (2.v.l.)
Teile des Kurz-Kernteams: Sebastian Kurz (r.) mit Kabinettsmitarbeiter Axel Melchior (1.v.l.) und Pressesprecher Gerald Fleischmann (2.v.l.)
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Die Affäre hinter der Affäre Wenn Ihnen das möglicherweise bekannt vorkommt, dann lässt sich dazu sagen: Ja. Die Schredder-Affäre im Mai 2019 sorgte landesweit  für Schlagzeilen und brachte uns auch überregional etwas Fremdenverkehrswerbung ein. Ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes war bei der Firma Reisswolf aufgetaucht, die nicht ohne Grund so heißt, und ließ fünf Festplatten vernichten - nur wenige Tage, nachdem das Ibiza-Video aufgetaucht war. Bis heute bleibt es ein gut gehütetes Geheimnis der ÖVP, welche Inhalte damals unwiederbringlich vernichtet wurden. Sebastian Kurz hat sich selbst damit in die Wüste geschickt.

Juristisch verlief die Schredder-Affäre ebenfalls im Sand, aus ein paar Körnchen aus dem Original hätte sich auch gut ein Buch machen lassen. Ein Kanzleramts-Mitarbeiter, der unter falschem Namen in der Schredderei auftaucht, darauf besteht, dass die fünf Festplatten unter seiner Aufsicht so lange zermalmt werden, bis nur mehr Staub davon übrig ist. Geht, ohne zu bezahlen, da die Firma kein Bargeld akzeptiert und er keine Spuren hinterlassen möchte. Der vom Reisswolf dann auf den Fernsehbildern erkannt wird. Es ist viel echtes Leben im falschen Leben und umgekehrt.

Kein Haar gekrümmt Am 2. September 2019 erhielt die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ein Schreiben vom Bundeskanzleramt. In dem Schriftstück steht, dass aufgrund des Schredderns der Festplatten nicht mehr festgestellt werden kann, was sich darauf befunden hat. Die  WKStA muss den Fall an die Staatsanwaltschaft Wien abgeben, am 4. Januar 2022 werden die Ermittlungen endgültig eingestellt. Keiner der Beteiligten wird angeklagt oder verurteilt.

Der echte falsche Kanzler hat das im Buch irgendwie vorhergesehen, genutzt hat es ihm nichts: "Jetzt kommen ein paar schwierige Tage auf uns zu", meldete sich der Bundeskanzler zu Wort, "aber wir werden das überstehen. Mit den Freiheitlichen kann das so nicht weitergehen, also werden wir früher oder später Neuwahlen abhalten. Und wir werden gewinnen, das versprech' ich euch!"

Eugen Freund, "Die Festplatte, Ein Kriminalroman", 220 Seiten, Verlag Wieser, 21,95 Euro

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