Dekrete, Sonderzölle, Drohungen: Seit April versucht der US-Präsident, die Weltwirtschaft umzukrempeln. Jetzt machen sich die Folgen der Politik auch in den USA bemerkbar. Götterdämmerung? Oder alles halb so wild? Finanzexpertin Monika Rosen analysiert.
Es gibt jenen einen Moment, wo einem eine Situation gehört. Und es scheint, als sei genau dieses berühmte, so häufig bemühte Momentum für US-Präsident Donald Trump nun gekommen.
Mit dem Anspruch, die Wirtschaft der USA – und damit indirekt jene der ganzen Welt – nach seinen Vorstellungen umzugestalten, erlässt er Dekrete, setzt Zölle fest und macht auch seinen Wunsch nach sinkenden Zinsen vor den Augen der ganzen Welt überdeutlich. Und obwohl viele Ökonomen immer wieder gewarnt hatten, dass diese Politik letztlich auch in der US-Wirtschaft Schleifspuren hinterlassen wird, schien der amerikanische Konjunkturmotor ungebremst weiterzulaufen – bis jetzt.
Doch die US-Arbeitsmarktdaten für den abgelaufenen Juli brachten nun eine herbe Enttäuschung für Donald Trump. Und damit nicht genug, wurden auch die entsprechenden Datensätze für die letzten Monate massiv nach unten revidiert.
Werden die USA jetzt also doch noch von der Zollpolitik ihres Präsidenten eingeholt? Was bedeutet das für die Leitzinsen? Und verliert die Börse angesichts erster Konjunkturdellen langsam ihre Coolness? Finanzexpertin Monika Rosen zieht eine erste Bilanz:
Der US-Arbeitsmarktbericht bekommt derzeit viel Aufmerksamkeit – weshalb eigentlich?
Um die Fieberkurve der US-Konjunktur messen zu können, gibt es kaum einen wichtigeren Datensatz als den monatlichen Arbeitsmarktbericht. Er wird am ersten Freitag jedes Monats für den vorhergegangenen Monat publiziert und hat Signalwirkung für alle darauffolgenden Konjunkturdaten. Da Unternehmen auf Veränderungen in der Nachfrage unmittelbar reagieren, indem sie Stellen schaffen oder auch abbauen, liefert gerade der Arbeitsmarkt wertvolle Hinweise über den aktuellen Zustand der Konjunktur. Umso mehr in einer Volkswirtschaft, die zu zwei Dritteln vom privaten Konsum angetrieben wird, wie jene der USA
Was am jüngsten Juli-Bericht hat jetzt die Gemüter so erhitzt?
Darauf gibt es zwei Antworten. Einerseits geht es hier, wie bei allen Datensätzen, die die wirtschaftliche Lage betreffen, nicht nur um die absolute Zahl, sondern um den Abstand zwischen Erwartung und Ergebnis. Der Markt hatte diesmal 115.000 neu geschaffene Stellen erwartet, es waren dann aber nur 73.000. Das war an sich schon eine große Enttäuschung, der eigentliche Hammer lag aber woanders.
Und zwar?
In der Berichtigung der Datensätze für Mai und Juni. Die Zahl der neu geschaffenen Jobs im Mai wurde von zuvor 144.000 auf 19.000 nach unten revidiert. Und jene für Juni von 147.000 auf gar nur 14.000. In Summe waren also in den zwei Monaten 258.000 neue Stellen zu viel gemeldet worden.
Hat es etwas Ähnliches schon einmal gegeben?
Die Arbeitsmarktdaten werden häufig im Nachhinein korrigiert, allerdings kaum in diesem Ausmaß. Zuletzt gab es so etwas im April 2020, also zu Beginn der Covid-Pandemie. Aber wenn man diese Ausnahme-Situation außer Acht lässt, muss man bis ins Jahr 1979 zurückgehen, um derart umfangreiche Berichtigungen zu finden.
Wie hat Präsident Trump darauf reagiert?
Er hat noch am selben Tag die für die Arbeitsmarktdaten zuständige Leiterin des Bureau of Labor Statistics, Erika McEntarfer, entlassen.
Mit welcher Begründung?
Er wirft ihr unter anderem vor, die Daten manipuliert zu haben.
Ist der Vorwurf berechtigt?
Das ist extrem unwahrscheinlich. Experten sind ihr auch öffentlich beigesprungen und haben ihre Integrität als Wissenschaftlerin verteidigt.
Was bedeuten diese Daten jetzt für die Wirtschaftspolitik von Trump?
Wenn man sich vor Augen hält, dass Trump mit dem Slogan "Make America Great Again" angetreten ist, so stellt eine stotternde Konjunktur sechs Monate nach Amtsantritt natürlich kein Ruhmesblatt für ihn und seine Politik dar. Und es ist Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die seit langem sagen, Trumps erratische Zollpolitik würde am Ende den größten Schaden im eigenen Land anrichten.
Wie reagierte der Finanzmarkt?
Der schaute zur gleichen Zeit in auf ganz andere Zahlen, nämlich die Leitzinsen der US-Notenbank.
Und zwar weshalb?
Gerade Donald Trump hat die Währungshüter und speziell deren Chef Jerome Powell wiederholt dafür kritisiert, die seiner Meinung nach zu hohen Leitzinsen nicht zu senken. Und ausgerechnet zwei Tage vor der folgenschweren Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts hatte die letzte Sitzung der Notenbank vor der Sommerpause stattgefunden.
Mit welchem Ergebnis?
Man hatte, wie erwartet, von einer Zinssenkung Abstand genommen, allerdings mit zwei Gegenstimmen. Diese beiden Notenbank-Gouverneure hatten eine potenzielle Abschwächung im US-Arbeitsmarkt als Begründung für eine Senkung angeführt. Im Rückspiegel betrachtet, lagen sie damit offenbar richtiger, als sie wohl selbst geglaubt hatten.
Damit steigt aber die Wahrscheinlichkeit einer Senkung im September, oder?
Absolut. Vor Veröffentlichung des desaströsen Arbeitsmarktberichtes wies der Markt einer Zinssenkung im September eine Wahrscheinlichkeit von 38 Prozent zu. Danach schoss die Erwartung auf über 80 Prozent in die Höhe.
Was bedeutet das für das weitere Schicksal von Notenbankchef Jerome Powell?
Die Amtszeit von Powell als Chef der Notenbank endet im Mai 2026. Trump würde ihn ab liebsten sofort loswerden, das ist kein Geheimnis. Powell begegnet den Attacken des Präsidenten aber seit Monaten mit stoischer Gelassenheit und verteidigt damit auch die Unabhängigkeit der Notenbank. Rechtlich ist die Lage nicht ganz eindeutig.
Inwiefern?
Eine Ablöse des Chefs der Notenbank ist möglich, allerdings nur aus schwerwiegenden Gründen. Eine derartige Verfehlung wird Powell nicht leicht nachzuweisen sein. Außerdem wäre er damit nur seines Amtes als Notenbankchef enthoben. Gouverneur der Notenbank (einer von insgesamt sieben) würde er bleiben, und das wiederum hätte eine andere Konsequenz.
Nämlich welche?
Das Gremium, das die US-Leitzinsen festsetzt, besteht aus den Gouverneuren der zwölf regionalen Notenbanken der USA. Dieses Gremium wählt seinen Vorsitzenden aus den eigenen Reihen, der Präsident hat hier nichts mitzureden. Üblicherweise fällt die Wahl auf den Chef der zentralen Notenbank, aber das muss nicht so sein.
Was würde das also konkret bedeuten?
Trump müsste Powell aus dem Amt befördern und einen anderen zum Chef der Notenbank machen. Das Zinsgremium könnte aber dennoch Powell zum Vorsitzenden wählen – vielleicht auch gerade, um die eigene Unabhängigkeit zu unterstreichen. Eine Ablöse von Powell ist für Trump also mit einer ganzen Reihe von Widerständen und Risiken verbunden.
Und es gibt jetzt auch einen Rücktritt im Zinsgremium …?
Ja, per 8. August tritt Adriana Kugler als Gouverneurin der Notenbank zurück. Sie hätte bis Ende Jänner 2026 im Amt bleiben sollen. Trump kann also jetzt schon eine Weichenstellung vornehmen. Allerdings ist auch das wieder mit einigen Fußangeln verbunden.
Und zwar?
Die Gouverneure der Notenbank müssen vom Senat bestätigt werden. Außerdem wäre sein Kandidat nur bis Ende Jänner im Amt, dann wäre eine neue Bestätigung oder ein neuer Kandidat fällig.
Klingt alles reichlich kompliziert …
Ja, das ist es auch. Diese Vorgänge finden im Allgemeinen wenig Beachtung und laufen quasi im Hintergrund ab. Durch die Einmischung von Trump hat das Ganze aber eine stark politische Färbung bekommen. Und es geht um das höchste Gut jeder Notenbank, nämlich ihre Unabhängigkeit. Das letzte Urteil über die Qualität der Vorgänge fällt aber jemand anderer.
Nämlich wer?
Die Finanzmärkte. Wenn die Märkte den Eindruck gewinnen, dass hier zu viel Politik gemacht wird, werden sie darauf reagieren. Der Dollar könnte abwerten, die Käufer von US-Staatsanleihen könnten höhere Zinsen verlangen. Spätestens dann wäre der Moment gekommen, in dem auch Trump zuhören würde. Das hat man bereits im April gesehen: Als die Renditen auf US-Staatsanleihen plötzlich drastisch angestiegen sind, hat er die Zölle für 90 Tage ausgesetzt.
Und wie geht der Markt derzeit mit all dem um?
Er reagiert, wie nicht anders zu erwarten gewesen ist, mit Kursrückgängen. Der Leitindex Dow Jones verbuchte letzte Woche den stärksten Rückgang seit Anfang April, also seit Beginn des von Trump losgetretenen Zoll-Dramas.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen