Viele kennen das Gesicht von Proschat Madani. Aus mehr als 30 Filmen, jeder Menge TV-Serien und dem Theater. Ihr Name ist weniger geläufig, wie sie selbst in ihrem neuen Buch "Leben Spielen" erzählt. Angela Szivatz hat es gelesen.

Kein Roman, keine klassische Autobiografie, also was? Wenn eine bekannte Schauspielerin ein Buch vorlegt, dann erwartet man darin in der Regel Anekdoten und Stories von Filmsets. Oder Erlebnisse mit anderen bekannten Kollegen, Backstage-Geheimnisse. So kann man sich täuschen.
Anfang Oktober präsentiert Proschat Madani ihr neues Werk "Leben Spielen" im Wien Museum. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Madani ist ein bekanntes Gesicht, wenige TV-Serien kamen in den vergangenen Jahren ohne sie aus. Der Name zum Gesicht will nicht jedem sofort einfallen. Madani weiß das und findet es okay. Was man über Buch und Autorin wissen muss:
Wie trat Proschat Madani ins Rampenlicht?
Klassisch, auf der Bühne. Sie spielte ab 1989 Theater, etwa am Tiroler Landestheater, am Schauspielhaus Graz, im Theater Drachengasse, im Volkstheater Wien und in der Josefstadt.
Dann kam das Fernsehen ...?
Ja, weithin bekannt wurde Madani als Tanja Haffner, Psychologin in der deutschen TV-Serie "Der letzte Bulle" und in den Serien "Vorstadtweiber", "CopStories" und "Walking on Sunshine". Zuletzt war sie im Kino an der Seite von Caroline Peters als lesbische Perserin in "What a feeling" zu sehen.
Wie geht sie so eine Rolle an?
Sie nimmt sie persönlich, legt in jede Rolle ihre persönlichen Gefühle und Erfahrungen mit hinein und transferiert diese. Zu bemerken war das etwa in "What a Feeling", eine lesbische Komödie, die 2024 ins Kino kam. Madani spielte Fa.

Was ist damit gemeint?
Fa liebt das Leben, sie geht eine romantische Beziehung mit einer anderen Frau ein. "In der Outing-Szene gegen Ende des Filmes ist es meine eigene Angst, meine eigene Scham, die ich meiner Filmfigur Fa – temporär – zur Verfügung stelle," schreibt Madani.
Was ist mit weiteren Filmen?
Madani wirkte in mehr als 30 Filmen mit, etwa in "Salami Aleikum" mit Michael Niavarani, "Bad Fucking", bei dem ihr Partner Harald Sicheritz für Regie und Drehbuch verantwortlich war, oder in der Tatort-Folge: "Ein Freund, ein guter Freund". Dass sie immer wieder auch Rollen mit Migrationshintergrund bekam, störte sie nicht.
Woher stammt Proschat Madani?
Sie wurde am 11. Oktober 1967 in Täbris, Iran, geboren. Ihr Vater, ein Arzt, bekam einen Job in Los Angeles, schickte die Familie vor, kam aber selbst nie nach. Erst am Sterbebett erklärte er sich ihr. Nach einem Jahr in den USA war das Visum weg, über die Türkei landete Proschat Madani gemeinsam mit drei älteren Geschwistern, ihrer Mutter und ihrer Großmutter in Österreich. Da war sie 4.
Gekommen, um zu bleiben?
Jein, sie wuchs in Wien auf, ließ sich zur Schauspielerin ausbilden, ging dann aber für 15 Jahre nach Berlin. Seit 2020 lebt sie mit ihrem Mann, dem Filmregisseur Harald Sicheritz, wieder in Wien. Tochter Sonja ist Kamerafrau und lebt in Berlin und Mexiko.
Ist das nun ihr erstes Buch?
Nein, 2013 erschien Madanis erstes Buch "Suche Heimat, biete Verwirrung" (Random House). Darin waren Fremdsein und Anpassen die großen Themen, nicht nur so, wie es Ausländer betrifft, sondern auch in persönlichen Gefühlen der Entfremdung – manchmal auch von sich selbst.

Was sagt sie selbst dazu?
„Für mich ist Heimat weniger ein Ort, mehr ein mentaler Zustand in dem ich mich angenommen fühle - von anderen, aber in erster Linie von mir selbst.“
Wovon handelt "Leben Spielen"?
Proschat Madani erzählt darin vielschichtig und klug Geschichten, die sich um ihren Beruf, die Arbeit als Schauspielerin, um Selbst-Reflexion, um den Humor, aber auch um schwere Themen wie Verlust, Krankheit und Tod drehen. Oder um das Älterwerden, als Schauspielerin und als Frau. "Wir dürfen zwar alt werden, aber um Himmels willen nicht alt aussehen. Mittlerweile nicht mal mehr mit 60, nicht mit 70, auch nicht mit 80, siehe Jane Fonda."
Worum geht es zum Beispiel?
Etwa, warum sie schon als Kind beschlossen hat, Schauspielerin zu werden. Weil sie in Peter O‘Toole und Sophia Loren verknallt war. So wie die beiden wollte auch sie Menschen bewegen und ihre eigenen Fantasien ausleben. Gute Geschichten, ob gelesen oder gesehen, später gespielt, formten Proschat Madanis Resilienz gegen das Gefühl von Ausgrenzung. Denn gerade in der Jugend litt sie noch unter dem "Anders sein". "Das tut man nicht" war früher ihr Mantra.
Wie nähert sie sich selbst einer neuen Rolle an?
Sehr unterschiedlich. Manche erschließen sich sofort. Bei anderen muss sie sich fragend an die Figur herantasten: Wie und was redet sie? Wie lebt sie? Was liebt sie, wofür würde sie töten? Die Lücke ist der Raum, in den sich die Schauspielerin allmählich hinein entwickeln, hineinspielen kann. „Schauspielerinnen und Schauspieler spielen. Immer. …Sie schlagen damit Brücken zwischen Menschen, die einander sonst fremd wären.“

Und was macht gutes Schauspiel aus?
Da ist Madani ganz klar: Die zentrale Aufgabe ist es, aus einer fiktiven Rolle einen echten Menschen zu machen. Schauspieler müssen mit Wahrhaftigkeit spielen, damit man vergisst, dass sie es tun. Auch Klischeehaftes darf sein, denn es hilft den Zusehern bei der Orientierung. Nur flach und plump darf das Klischee nicht bleiben. Im Bösen steckt immer auch ein bisschen Gutes, im Tragischen Komisches, davon ist die Autorin überzeugt.
Wieso sind Proschat Madani Geschichten so wichtig?
Weil gute Geschichten Macht haben. Schon seit der Steinzeit, so Madani, halten sie Generationen und Völker zusammen. "Ich konsumiere sie nicht einfach so. Sie werfen Fragen auf und regen zum Nachdenken an…Jede gute Geschichte holt mich von meinem Sofa."
Wo bleibt bei all den Geschichten die Realität?
Darauf geht Madani oft in ihrem Buch ein. Sie beschreibt das Auseinanderklaffen von Freundschaften und Beziehungen auch in ihrem persönlichen Umfeld. Die Pandemie bot dafür ein reiches Feld. "Ich kenne eine vegane Yogalehrerin, die Trump toll findet. Einen Pazifisten, der ernsthaft die Existenz Israels zur Diskussion stellt. … Und einige mehr, die die Sinnhaftigkeit von Impfungen und die menschengemachte Klimakrise anzweifeln," schreibt sie.
Wie kommt die Autorin damit zurecht?
Schlecht, zunächst reagierte Madani darauf mit Rückzug, um sich zu schützen. "Meine Enttäuschung darüber, dass Menschen, die mir nahe sind, von mir wichtigen Werten abweichen, ist groß." Weil auch die alternativen Geschichten Macht haben und von Mächtigen instrumentalisiert werden. "Das Grobe und Gemeine wächst rasant, ich kann es deutlich spüren."

Bleibt es dabei?
Madani will es so nicht belassen. Nicht einfach aufgeben. Sie denkt im Schreiben darüber nach, wie sie selbst Brücken schlagen könnte. "Ich stimme mein Herz darauf ein, das Gemeinsame zu feiern, anstatt das Trennende zu bedauern. Ich erkläre mein Sofa zur handy- und gesinnungsfreien Zone und lade alle ein, die ich begonnen habe zu meiden."
Was folgt daraus?
Proschat Madani will ihrer Leserschaft hilfreich sein. Sie dazu ermuntern, sich auch den großen, schweren Themen wie etwa Krankheit und Tod mit spielerischem Zugang zu nähern. Aus Betroffenheit heraus hat sie während ihrer Jahre in Berlin eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin gemacht. Geholfen hat ihr aber nur der spielerische Umgang, immer wieder, im Leben und beim Spielen.
Das führt geradewegs zum Buchtitel oder?
Madani gibt auch dem Thema "Wirkung in der Öffentlichkeit", ausreichend Raum. Was Social Media zum Beispiel mit den Menschen macht, wie sehr man von sich selbst entfremdet und warum es gerade jetzt so wichtig ist, sich in aller Ruhe und Stille zurückzuziehen aus dem Trubel. Um sich selbst wahrzunehmen, um sich seiner Scham und Verletzlichkeit zu stellen. Um geerbte Familientraditionen verlernen zu dürfen. Auch dabei kann "Ich spiele das mal nur" fürs Leben sehr wirkungsvoll sein, so Madani.

Wie das Buch aufgebaut ist
Nach einem "Vorspiel" wechseln sich längere Geschichten – besonders lustig das Kapitel "Felicitas" - und Gedanken rund um ein bestimmtes Thema mit so genannten Dramoletten ab. Sehr amüsant: "Wirklich nicht", "Die zerbrochene Brille", bei der es sich tatsächlich um eine Klobrille handelt. "Tja, Stars müssen auch mal!" Oder die Kurzstory "Die kleine Bar". Im abschließenden "Nachspiel" entdeckt die Autorin, weshalb sie das Buch tatsächlich geschrieben hat.
Lohnt sich das Lesen?
Bei Interesse an klugen, gut geschriebenen Lebensbetrachtungen, hilfreichen Erkenntnissen und Lebenserfahrungen lautet die Antwort ja. Madani schreibt sehr persönlich, offen und oft voller Witz – auch über sich selbst. Wer eher auf Klatsch und Tratsch aus der Film- und Fernsehwelt hofft, ist hier nicht richtig.
"Leben Spielen" von Proschat Madani, 196 Seiten, Molden Verlag 2025, € 25,00
Angela Szivatz ist Autorin, Moderatorin und Bloggerin ("Oma aus dem Kirschbaum"). Für Newsflix schreibt sie über aktuelle Literatur. Sie lebt in Wien. Ihr erster Krimi "Tödliches Gspusi" ist heuer erschienen.