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Geld-Expertin

KI-Aktien: Droht den Überfliegern nun die Bruchlandung?

Donald Trump hat wieder die Zoll-Daumenschrauben angezogen. Wie der Markt auf die neuen Drohungen gegen China reagiert. Ob die KI-Blase nun platzt. Und ob sie nun kaufen oder ihr Geld in Sicherheit bringen sollten. Börsen-Profi Monika Rosen erklärt's.

Meta CEO Mark Zuckerberg bei der Präsentation seiner neuen Smart Glasses
Meta CEO Mark Zuckerberg bei der Präsentation seiner neuen Smart GlassesReuters
Monika Rosen
Akt. 13.10.2025 23:45 Uhr

Es fühlt sich an wie am Flughafen. Man glaubt, das Gepäck schon erfolgreich durch die Zoll-Schleuse befördert zu haben, und im letzten Moment steuert der Zollbeamte auf einen zu und will kontrollieren.

In so einer Lage befinden sich die Finanzmärkte derzeit. Das Thema "Zölle" schien abgehakt, die Börse beschäftigte sich mit ganz anderen Dingen, wie zum Beispiel dem astronomischen Anstieg der KI-Aktien.

Aber dann kam, wie so oft, Donald Trump ins Spiel. Er will chinesische Importe in die USA ab 1. November mit einem zusätzlichen Zoll von 100 Prozent belegen. Die Wall Street wurde aus ihren Tech-Träumen geschreckt, es folgt der stärkste Kursrückgang seit April.

Ist das jetzt endgültig der Auslöser für eine größere Korrektur, wie sie viele schon länger erwarten? Oder handelt es sich wieder nur um einen kurzzeitigen Taucher und damit quasi um eine Gelegenheit, günstiger einzusteigen? Und wie stark ist das Blatt von China in diesem Pokerspiel tatsächlich? Monika Rosen hat die Zoll-Papiere schon vorbereitet:

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Die Zölle sind wieder zum Thema für die Börse geworden. Warum?
Das hat mit den zunehmend schwierigeren Verhandlungen zwischen den USA und China über ein Handelsabkommen zu tun. China hat vorige Woche Exportkontrollen für alle Produkte und Technologien verhängt, die mit der Gewinnung und Verarbeitung von Seltenen Erden in Zusammenhang stehen.

Und?
Nun, daraufhin hat US-Präsident Trump die Zollrate für Importe aus China von derzeit 30 Prozent auf 130 Prozent angehoben. Außerdem soll es Exportbeschränkungen für jede Art von "kritischer Software" geben. All das soll am 1. November in Kraft treten.

Diese Reaktion scheint sehr drastisch, oder?
Ja, aber dazu muss man die herausragende Bedeutung von Seltenen Erden für die Produktion von High-Tech und Rüstungsgütern bedenken. Man braucht sie zur Herstellung von Smartphones ebenso wie für die Batterien in E-Autos. Ohne sie gibt es auch keine MRT-Scanner, keine Satelliten oder Kampfflugzeuge und U-Boote.

Und China ist hier offenbar in einer starken Verhandlungsposition?
Das ist noch gelinde ausgedrückt. Zwischen 2020 und 2023 kamen 70 Prozent der in den USA verwendeten Seltenen Erden aus China. Seit Jahren entwickelt die Volksrepublik ihre herausragende Dominanz auf diesem Gebiet als Verhandlungsmasse im Rahmen der "Industriepolitik".

US-Präsident Donald Trump droht China mit neuen Monsterzölllen
US-Präsident Donald Trump droht China mit neuen Monsterzölllen
Reuters

Die Börse hat sich von dieser Verschärfung im Ton erschrecken lassen. Warum?
Eigentlich müsste die Frage lauten: Warum nicht schon längst? Die Kursanstiege an der Wall Street waren zuletzt beachtlich, es gab wenig Platz für Fehler. Die äußeren Ereignisse, von militärischen Konflikten bis zum Shutdown der öffentlichen Verwaltung in den USA, wurden weitgehend ignoriert.

Und jetzt auf einmal nicht mehr?
Man beobachtet derartige Phänomene an der Börse immer wieder. Eine Zeit lang sieht der Markt quasi über solche externen Faktoren hinweg … bis er es nicht mehr tut. Im gegenständlichen Fall kann man aber schon auch eine rationale Begründung finden.

Nämlich?
So tragisch die geopolitischen Konflikte sind, haben sie doch relativ wenig wirtschaftliche Auswirkungen. Man erinnere sich an die Tatsache, dass Israel bei seinem Angriff auf den Iran im Juni die Ölförderanlagen, die für den Export arbeiten, verschont hat. Eine Verschärfung im Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, bei der alles von High-Tech bis Rüstung auf dem Spiel steht, ist da natürlich ein anderes Kaliber. Und darauf haben die Kurse reagiert.

Wie kann man die Reaktion der Börse einordnen?
Der amerikanische Leitindex S&P 500 verlor 2,7 Prozent und erlebte damit den stärksten Tagesverlust seit Anfang April, also seit der Hochphase der Zoll-Thematik. Trump hat mit seiner Ankündigung, die Zölle auf Importe aus China auf insgesamt 130 Prozent anzuheben, quasi im Handstreich über zwei Billionen Dollar an Marktkapitalisierung ausgelöscht.

Eine Satellitenaufnahme der Atomanlage Natanz im Iran nach einem israelischen Angriff, die Ölförderanlagen blieben unangetastet
Eine Satellitenaufnahme der Atomanlage Natanz im Iran nach einem israelischen Angriff, die Ölförderanlagen blieben unangetastet
Reuters

Welcher Sektor war am stärksten betroffen?
Wenig überraschend war das die Technologie. Die Nasdaq, an der viele Tech-Unternehmen notieren, musste einen Tagesverlust von 3,5 Prozent hinnehmen. Einzelne Werte schmierten aber noch deutlich stärker ab.

Zum Beispiel?
Nvidia und Tesla verloren je 5 Prozent, der Chiphersteller Advanced Micro Devices (AMD) ging um satte 8 Prozent in die Knie. Diese Unternehmen haben, neben ihrer Zuordnung zur Technologie, auch allesamt einen starken Bezug zu China.

Letztlich sind aber so gut wie alle Aktien unter Druck gekommen, oder?
Ja, leider. Von den 500 Werten im S&P haben an diesem Tag 424 im Minus geschlossen. Es herrscht schon auch die Angst, dass diese Eskalation im Zollstreit die US-Konjunktur insgesamt belastet.

Ist das in diesem Ausmaß berechtigt?
Durchaus. Das lässt sich recht deutlich am Ölpreis ablesen. Der ist ja immer ein Gradmesser für die Einschätzung des globalen Wachstums. Der Tagesverlust belief sich um die 4 Prozent, wobei die US Ölsorte WTI erstmals seit Mai unter die Marke von 60 US-Dollar je Fass gefallen ist.

Zurück zur Börse: kommt jetzt eine längere Durststrecke auf uns zu?
Eine seriöse Antwort müsste hier lauten: das weiß niemand.

Der Ölpreis sank, tanken wurde in Österreich in den vergangenen Tagen etwas günstiger
Der Ölpreis sank, tanken wurde in Österreich in den vergangenen Tagen etwas günstiger
iStock

Kann man sich einer Antwort vielleicht mit ein paar Argumenten annähern?
Ja, das kann man schon. Gerade die Einzel-Anleger haben in den letzten Jahren gelernt, dass Korrekturen Kaufgelegenheiten sind. Besonders ausgeprägt war das Phänomen beim Ausbruch von Corona. Der S&P verlor Anfang 2020 in etwas über 30 Tagen rund ein Drittel seines Wertes, danach ging es aber wieder rasant bergauf, auch dank des Engagements der Retail-Anleger.

Und wie war die Situation heuer im April?
Durchaus ähnlich. Zwischen dem 2. und dem 7. April verlor der S&P 23 Prozent. Danach begann eine rasante Aufholjagd, bei der immer neue Rekorde gebrochen wurden. Bis Trump mit seiner Zollankündigung dazwischengefahren ist.

Wie sehen denn die Fundamentaldaten derzeit aus?
Die Gewinnsteigerungsraten sind offenbar nicht mehr ganz so hoch wie im ersten Halbjahr, aber mit geschätzten 5,5 Prozent für das jetzt zur Veröffentlichung anstehende dritte Quartal immer noch recht gut. Aber auch hier sticht die Technologie heraus. Dort sind die Gewinne im dritten Quartal laut Schätzungen um 12 Prozent gestiegen, also doppelt so stark wie im Index insgesamt.

Und reflektieren die Kurse diese gute Dynamik?
Leider ja, von günstigen Bewertungen sind wir weit entfernt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P, bezogen auf die nächsten 12 Monate, steht derzeit bei 23. Zum Vergleich: während des Dot-Com Booms rund um das Jahr 2000 lag das KGV in der Spitze bei 25. Wir sind von dem alten Hoch also nicht mehr sehr weit weg.

Das Problem bei Wendepunkten an den Börsen: man erkennt sie oft ist im nachhinein
Das Problem bei Wendepunkten an den Börsen: man erkennt sie oft ist im nachhinein
Picturedesk

Deutet das doch vielleicht auf einen Wendepunkt in der Rallye hin?
Nicht unbedingt. Es zeigt sich immer wieder, dass Bewertungen kein gutes Instrument sind, um den Markt zu timen, sprich einen Wendepunkt zu erfassen. Kurse können schon längere Zeit hoch (oder auch günstig) bewertet sein und bleiben.

Wenn es die Bewertungen nicht sind, was dann?
Na ja, wie schon angedeutet, sind Wendepunkte im Markt notorisch schwer zu erkennen. Aber einen besseren Hinweis als das KGV könnte die hohe Marktkonzentration geben. 40 Prozent der US-Marktkapitalisierung entfallen auf 10 Aktien, die allesamt von KI angetrieben werden.

Was sollen die Anleger also tun?
Abgesehen von den grundsätzlichen Hinweisen, sprich Beratung einholen, Ziele definieren, eigene Risikotoleranz überlegen, sollte man sich vielleicht der Tatsache bewusst sein, dass wir eine exzellente Marktphase hinter uns haben. Der S&P hat 2023 und 2024 mit jeweils über 20 Prozent Jahresperformance abgeschlossen. Auch heuer sind wir, trotz der jüngsten Rücksetzer, noch gut unterwegs.

Heißt?
Irgendwann kommt eine Konsolidierung. Wenn man sich dieser Tatsache bewusst ist, kann man dann auch besser damit umgehen.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

Monika Rosen
Akt. 13.10.2025 23:45 Uhr