Ende der landesweiten Fahndung. Am Mittwoch war der strammrechte Aktivist und Trump-Influencer Charlie Kirk auf offener Bühne erschossen worden. Ein Pastor übergab den Tatverdächtigen nun der Polizei. Was man bisher weiß, was noch unklar ist.
Es war, als hätte man ein Pulverfass entzündet. Mitten in die ohnehin schon aufgeheizte politische Stimmungslade in den USA hinein, kam es am MIttwoch auf dem Campus der Utah Valley University (UVU) in Orem zum Attentat auf Charlie Kirk. Der Gründer von Turning Point USA, der bekanntesten konservativen Jugendorganisation des Landes, starb wenig später im Spital.
Das Attentat führte schnell zu einem hitzigen Schlagabtausch der politischen Lager. Die einen verehren Kirk als Held, der US-Werte verteidigt, für seine Gegner ist er ein Rechtsradikaler, Rassist und Antisemit. Es gibt wenig dazwischen.
Fakt ist, dass Kirk einer der relevantesten Unterstützer von Donald Trump war. Er trieb dem Lager des US-Präsidenten junges Publikum zu und das massenhaft: 10,5 Millionen Follower auf Instagram, 8,9 Millionen Follower (und 274 Millionen Likes) auf TikTok, 4,3 Millionen Follower auf YouTube, seine Jugend-Organisation Turning Point USA hat Gruppen an 3.500 Universitäten.
Es war maßgeblich Kirk, der Trump bei der Wahl 2024 junge Stimmen sicherte. So viele Unter-30-Jährige gaben den Republikaners zuletzt 2008 ihre Stimme. Nun ist Kirk tot und der mutmaßliche Schütze gefasst. Das weiß man zum Stand der Ermittlungen:
Wer ist der mutmaßliche Todesschütze?
Er soll Tyler James R. heißen, 22 Jahre alt sein und aus Washington, Utah, stammen.
Ist er vorbestraft?
Soweit bis jetzt bekannt, nein.
Studiert er auf der Utah Valley University, dem Tatort?
Nein! Er ist im dritten Jahr eines elektrischen Lehrlingsprogramms (electrical apprenticeship program) am Dixie Technical College. 2021 studierte er für ein Semester an der UVU.
Was wird ihm vorgeworfen?
Er soll am Mittwoch um 12.25 Uhr Ortszeit vom Dach eines Gebäudes aus einen einzelnen Schuss auf Kirk abgegeben haben.
Was war die Tatwaffe?
Laut mehreren US-Medien ein Mauser-Repetiergewehr Modell 98 mit Zielfernrohr, Kaliber .30-06, ein älteres Modell des deutschen Waffenherstellers.
Was ist ein .30-06 Repetiergewehr?
Zunächst: Das .30-06 wird Thirty aught six" (also „dreißig-null-sechs“) ausgesprochen. Es handelt sich um eine zuverlässige und robuste Waffe, die vor allem bei Jägern, Sportschützen und Scharfschützen beliebt ist. Meistens handelt es sich um einen Einzellader.
Das heißt?
Der Schütze muss manuell den Verschlusshebel (den „Bolt“) nach oben, hinten, wieder nach vorn und runter bewegen, um die verschossene Patrone auszuwerfen, eine neue Patrone aus dem Magazin in die Kammer zu laden und den Verschluss wieder zu verriegeln.
Was bedeutet .30?
Der Punkt (.) vor .30-06 kommt von der amerikanischen Bezeichnung für Kaliber. In den USA wird der Durchmesser des Geschosses traditionell in Zoll angegeben – nicht in Millimetern. .30 Zoll sind 0,30 Zoll Durchmesser, das entspricht 7,62 mm im metrischen System.
Wo wurde die Waffe gefunden?
In einem bewaldeten Gebiet in der Nähe des Campus, eingewickelt in ein Tuch oder Handtuch.
Von wo wurde der Schuss abgegeben?
Vom einem Dach eines benachbarten Gebäudes aus, es soll zwischen 130 und 180 Meter entfernt liegen, die Quellen schwanken hier.
Was fällt an den Patronen auf?
Es wurden mehrere Hülsen gefunden, die Aufschriften tragen sollen.
Welche?
"Hey, Faschist! Fang!" Oder "Bella Ciao", ein italienisches antifaschistisches Lied. Auch Sprüche soll es geben, etwa "If you read this you are gay lmao" und Hinweise auf Games. Lmao steht für "laughing my ass off".
Was ist da mit Videospielen?
Das Gewehr wurde in einem Koffer gefunden, auf der Munition darin befanden sich auch Gravuren mit einem nach oben, rechts und drei nach unten gerichteten Pfeilen. Es scheint, dass diese Pfeile mit Videospielen in Verbindung stehen.
Was ist damit gemeint?
Die Pfeilsymbole entsprechen den Eingaben, die zum Einsatz einer Kriegslist im Videospiel Helldivers 2 erforderlich sind. Die "Kriegslist", genannt Eagle 500kg Bombe, extern, gilt als einer der zerstörerischsten Spezialzüge im Spiel. Das Game, das Anfang des Jahres zwei Bafta-Awards gewann, war ein Riesenerfolg.
Was war da auf den sozialen Medien?
Auf der Pressekonferenz behauptete Utahs Gouverneur Spencer Cox, der Verdächtige sei auf Discord aktiv gewesen. Robinsons Mitbewohner habe den Ermittlern Nachrichten auf der Kommunikationsplattform gezeigt, in denen etwa Aspekte wie das Abholen eines Gewehrs, das Verstecken („ wrapped in a towel“) und Überwachung eines Lagerpunkts („drop point“) besprochen wurden.
Trifft das zu?
In einer Erklärung gegenüber NBC News sagte ein Sprecher von Discord, das Unternehmen habe zwar ein Konto des Verdächtigen identifiziert, die in der Pressekonferenz erwähnten Nachrichten seien jedoch vermutlich nicht über Discord gesendet worden.
Wie kam die Festnahme zustande?
Tyler James R. war von einer Überwachungskamera fotografiert worden. Sein Vater erkannte ihn auf veröffentlichten Fahndungsfotos und forderte ihn auf, sich zu stellen. Zunächst weigerte er sich, gab aber die Tat zu.
Was passierte dann?
Die Familie zog einen Pastor bei. Sein Name wurde bisher nicht öffentlich genannt – vermutlich aus Sicherheitsgründen. Es handelt sich laut Medienberichten um einen Jugendpastor, den Robinson bereits seit Jahren kennt.
Was war seine Funktion?
Robinsons Vater kontaktierte diesen Pastor, nachdem sein Sohn gestanden hatte, Charlie Kirk erschossen zu haben. Der Pastor nahm dann Kontakt zu lokalen und bundesstaatlichen Behörden (z. B. U.S. Marshals Service) auf, um eine sichere und friedliche Übergabe zu organisieren.
Warum war das notwendig?
Robinson war zu diesem Zeitpunkt bewaffnet und befand sich außerhalb des Sichtbereichs der Polizei. Es bestand das Risiko, dass er flieht, sich selbst etwas antut, oder es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung bei der Festnahme kommt.
Weiß man etwas über das Motiv?
Es gibt vage Hinweise auf eine politische Motivation: Die Gravuren auf Patronenhülsen („Hey fascist, catch!“, „Bella Ciao“). Aussagen gegenüber Angehörigen über Kirk als "Hassprediger" und die angeblichen Discord-Nachrichten mit anti-rechten Anspielungen.
Hat die Familie etwas von einer Radikalisierung bemerkt?
Sie sagt, Tyler James R. sei "in den letzten Jahren politischer geworden". Er habe sich negativ über Charlie Kirk geäußert („hat Hass verbreitet“). Das geschah bei einem Abendessen, auf dem erwähnt wurde, dass Kirk zu einer Veranstaltung an der UVU kommen würde.
Was weiß man über die Familie?
Tyler James R. ist der älteste von drei Brüdern. Sein Vater besitzt ein Unternehmen, das Küchen installiert, seine Mutter ist staatlich anerkannte Sozialarbeiterin. Die Familie ist mormonischen Glaubens und in der Kirche aktiv. Aus den Aufzeichnungen des Staates Utah geht hervor, dass Robinson als Wähler ohne religiöse Zugehörigkeit registriert war.
Was ist unklar?
Ob der Verdächtige Mitglied einer extremistischen Gruppe war, eine psychische Erkrankung eine Rolle spielt. Ob es sich um ein "Einzeltäter-Szenario" handelt oder eine Planung im Netzwerk vorlag.
Gab es tatsächlich möglicherweise Komplizen?
Bisher wurde kein Komplize offiziell identifiziert. Aber: Ein Video, das kurz nach der tödlichen Erschießung von Charlie Kirk aufgenommen wurde, zeigt offenbar eine Gestalt, die über ein Dach gegenüber dem Platz rennt, an dem der konservative Aktivist saß.
Wo befindet sich Tyler James R. derzeit?
In Untersuchungshaft ohne Möglichkeit auf Kaution. Eine erste Anhörung (arraignment) ist für nächste Woche angesetzt.
Welche Delikte werden ihm vorgeworfen?
Vorerst drei. Aggravated murder (schwerer Mordes), Einsatz einer Schusswaffe, und Obstruction of Justice (Behinderung der Justiz).
Was sagt Trump?
Er gab als Erster bekannt, dass der Verdächtige geschnappt sei. Im Interview mit Fox News sagte er zudem, er hoffe, dass der Täter die Todesstrafe bekomme.