heisser reise-sommer

Warum heuer jeder 3. Urlauber zu spät im Hotel einchecken wird

Die europäische Luftfahrtbehörde Eurocontrol fürchtet, dass es in diesem Sommer so viele Flugverspätungen wie nie zuvor geben könnte. Dafür verantwortlich: Immer mehr Passagiere, zu wenige Fluglotsen, der Klimawandel – und Putins Krieg gegen die Ukraine.

Bereits jetzt ist in Europa jeder 3. Flug während der Sommer-Monate verspätet. Laut Luftfahrtbehörde Eurocontrol wird sich diese Situation heuer noch einmal verschärfen
Bereits jetzt ist in Europa jeder 3. Flug während der Sommer-Monate verspätet. Laut Luftfahrtbehörde Eurocontrol wird sich diese Situation heuer noch einmal verschärfen
Getty Images
Martin Kubesch
Akt. Uhr
Teilen

Auf heimische Urlauber kommt heuer ein heißer Sommer zu – und das ist keineswegs nur meteorologisch gemeint. Denn die europäische Luftfahrtbehörde Eurocontrol warnt bereits jetzt davor, dass die Sommermonate 2025 zur Verspätungs-intensivsten Jahreszeit überhaupt in der europäischen Luftfahrt werden könnten.

Schuld daran seien die stetig steigende Zahl an absolvierten Flügen einerseits und andererseits diverse Einschränkungen seitens der Flugsicherung, die am Himmel teilweise Verhältnisse schaffen wie auf der Wiener Südosttangente am Freitagnachmittag.

Wie eng es am europäischen Himmel tatsächlich zugeht, auf welche Wartezeiten sich Ferienreisende jetzt bereits einstellen sollten und wo die schlimmsten Nadelöhre lauern – der Verspätungs-Flugplan für die Sommerferien 2025 im Überblick:

Was ist Sache?
Die Luftfahrtbehörde Eurocontrol geht davon aus, dass es im Sommer 2025 zu noch mehr Verspätungen im europäischen Flugverkehr kommen wird als 2024. Dabei war das letzte Jahr bereits eines der schlimmsten Verspätungs-Jahre überhaupt. Jeder dritte Flug innerhalb Europas war im vergangenen Sommer (also von Anfang Juni bis Ende August) um mehr als 15 Minuten verspätet.

Ein gewohntes Bild im Abflugbereich: Warten, warten, warten
Ein gewohntes Bild im Abflugbereich: Warten, warten, warten
Getty Images

Gibt es genauere Zahlen?
Es gilt eine Toleranz von 15 Minuten, deshalb wird erst alles, was darüber hinaus geht, als Verspätung gewertet. Die durchschnittliche Verspätung der Flüge lag 2024 bei 21,4 Minuten, wobei inzwischen jeder 3. Flug innerhalb Europas nicht pünktlich abhebt oder ankommt. Für den Sommer 2025 erwartet Eurocontrol eine weitere Verschärfung dieser Lage, berichtet die britische Times.

Von wie vielen Flügen sprechen wir hier eigentlich?
Durchschnittlich hat Eurocontrol im Jahr 2025 bisher europaweit etwa 26.500 Flüge registriert – pro Tag. Das sind um 3 Prozent mehr als im Vergleichzeitraum des Vorjahres. Der verkehrsreichste Tag im Jahr 2024 war der 14. Juni mit insgesamt 35.710 Flügen.

Wer hat das untersucht?
Eurocontrol, das ist die europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt. Eurocontrol hat 41 Mitgliedsstaaten, auch einige außereuropäischer wie Marokko und Israel. Die Hauptaufgabe von Eurocontrol ist das Luftraum-Management. Also die Planung und Optimierung der Nutzung des europäischen Luftraums, um Überlastungen und Verspätungen so gut es geht zu vermeiden.

Die Zentrale von Eurocontrol in Luxembourg: Die Behörde koordiniert das Luftraum-Management in Europa
Die Zentrale von Eurocontrol in Luxembourg: Die Behörde koordiniert das Luftraum-Management in Europa
Horst Galuschka / dpa / picturedesk.com

Was sagt man dort denn über die Pünktlichkeit am Flughafen Wien?
Diese liegt laut Eurocontrol unter dem europäischen Durchschnitt von 65 Prozent – also dass 65 von 100 Flügen an einem Airport pünktlich starten oder landen. Der Flughafen Wien wurde 2024 auf Platz 21 in Europa gelistet mit einer Pünktlichkeit von 62 Prozent, das war gleich um 10 Prozent schlechter als im Jahr davor. Top: Der Flughafen Oslo mit einer Pünktlichkeits-Rate von 76 Prozent.

Und Eurocontrol sieht auch ein Problem für den kommenden Sommer?
Ja. Steven Moore, einer der Leiter des Netzwerkmanagements bei Eurocontrol, wird in der Times folgendermaßen zitiert: Der erwartete Anstieg des Verkehrsaufkommens in diesem Sommer stelle "eine erhebliche Herausforderung in einem eingeschränkten Netz" dar. Und weiter, mit britischem Understatement: "Es ist klar, dass wir keinen Sommer ohne Verspätungen haben werden."

Weshalb ist "das Netz eingeschränkt"? Und: Welches Netz meint er überhaupt?
Mit dem "Netz" sind die europäischen Luftstraßen gemeint, die aufgrund verschiedener Einschränkungen (siehe Auflistung unten) bereits jetzt häufig an ihre Kapazitätsgrenze gelangen.

Das bedeutet mit anderen Worten, die Zahl der verspäteten Flüge nimmt zu?
Ja, und zwar gravierend, seit die Corona-Pandemie als beendet betrachtet werden kann. Kamen etwa im Sommer 2019 – dem letzten regulären Jahr vor Corona – noch 73 Prozent aller inneuropäischen Flüge auch pünktlich an, so waren es 2024 nur mehr 65 Prozent. Und das wird sich weiter in diese Richtung bewegen.

Auf Platz 21 abgerutscht in Sachen Pünktlichkeit: Der Flughafen Wien-Schwechat
Auf Platz 21 abgerutscht in Sachen Pünktlichkeit: Der Flughafen Wien-Schwechat
MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

Und bei den Starts sieht es ähnlich aus?
Ja, was primär damit zu tun hat, dass Flüge, die schon verspätet landen, ihre Verspätung am Boden kaum komplett aufholen können. 2019 starteten 66 Prozent – also 2 von 3 – Flüge pünktlich, mittlerweile sind es nur mehr 57 Prozent.

Womit hängt das zusammen?
Die zunehmenden Verspätungen im europäischen Flugverkehr haben mehrere Ursachen, die – das muss man fairerweise sagen – nicht alle unmittelbar behoben werden können. Einige allerdings sehr wohl.

Welche Ursachen sind für die zunehmenden Verspätungen im europäischen Flugverkehr verantwortlich?

  • Einerseits die Zahl der absolvierten Flüge – diese nimmt von Jahr zu Jahr zu. 2024 waren es 10,6 Millionen Flüge, heuer werden es bereits zwischen 10,8 und 11,2 Millionen sein.
  • Auch sind die Flugsicherungsbehörden teilweise hart am Limit, was ihre Leistungsfähigkeit betrifft. Jesus Garcia von der spanischen Flugsicherungsbehörde Enaire bringt es auf den Punkt: "Wir brauchen mehr Fluglotsen."
  • Dazu kommt die Zunahme von Extremwetterereignissen durch den Klimawandel. Perfide: Oft entwickeln sich Unwetterzellen rasant und reichen weit in die Höhe, so dass es nicht mehr möglich ist, sie zu überfliegen. Dann müssen hunderte Jets einen Umweg fliegen.
  • Kurzfristige Flugplanänderungen der Airlines tragen ebenfalls nicht zur Zuverlässigkeit bei.
  • Last but not least hat der Ukraine-Krieg und die großräumige Sperre des Luftraumes die Möglichkeiten für die zivile Luftfahrt noch weiter eingeschränkt.
"Mussten im Sommer 2024 nur 9 von 577 Flügen canceln": AUA-CEO Annette Mann
"Mussten im Sommer 2024 nur 9 von 577 Flügen canceln": AUA-CEO Annette Mann
MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

Was lässt sich dagegen tun, um die Kapazitäten zu erhöhen?
Nun, die Möglichkeiten sind relativ beschränkt. Wetter, Ukraine-Krieg und Zunahme des Passagierverkehrs sind allesamt Faktoren, die man als gegeben betrachten muss. Dass die Zahl der Flugbewegungen steigt, ist ja klarerweise im Sinne der gesamten Branche.

Und sonst?
Bleiben die Punkte, die an den Strukturen festzumachen sind. Natürlich wäre es sehr sinnvoll, rasch neue, zusätzliche Fluglotsen einzustellen. Nur: Die Ausbildung zum Fluglotsen dauert 3 Jahre und ist recht kostenintensiv. Da aber viele Behörden während Corona davon ausgegangen sind, dass der Flugverkehr noch länger auf dem niedrigen Niveau bleiben wird, wurden altgediente Kräfte in den Ruhestand geschickt und kaum junge neu ausgebildet. Die dadurch entstandene personelle Lücke spüren wir jetzt.

Wie ist die Situation in Österreich?
Besser als in vielen anderen Ländern. Die Austro Control, die für die Flugsicherung in Österreich verantwortlich ist, hat auch während Corona weiter neue Lotsen ausgebildet. "Wir haben Rekord-Bewerberzahlen und genügend fertig ausgebildete Lotsen, um auch weitere Kapazitätssteigerungen abfedern zu können", sagt Markus Pohanka von Austro Control.

Und nimmt die Zahl der Flüge bei uns ebenfalls so stark zu wie in Rest-Europa?
Sogar noch stärker. Laut Austro Control-Sprecher Markus Pohanka gab es alleine zwischen Jänner und März 2025 um 8 Prozent mehr Flugbewegungen in Österreich als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gesamteuropäisch sind die Zuwachsraten nicht ganz so dynamisch wie bei uns, liegen derzeit aber immer noch bei 3 Prozent.

Vor allem in den Sommermonaten ein gewohnter Anblick: Delay-Hinweise auf den Abflug-Monitoren am Flughafen Schwechat
Vor allem in den Sommermonaten ein gewohnter Anblick: Delay-Hinweise auf den Abflug-Monitoren am Flughafen Schwechat
GERNOT BUCHEGGER / APA / picturedesk.com

Gibt es dazu auch konkrete Zahlen?
Am Flughafen Wien-Schwechat, dem größten Airport Österreichs, wurden 2024 insgesamt 31,72 Millionen Fluggäste gezählt – neuer Rekord. Für 2025 wird eine weitere Steigerung der Passagierzahlen erwartet.

Wie sieht es für den kommenden Sommer aus?
Juni, Juli und August sind traditionell die stärksten Monate für Flugreisen, hier wird am meisten geflogen. Aber auch da sind die Forecasts der Airlines, die diese bei Austro Control und Eurocontrol deponieren, sehr zuversichtlich und gehen von einer weiteren Zunahme der Flugbewegungen von 3 bis 5 Prozent aus.

Was sagen eigentlich die Austrian Airlines dazu?
Dort ist man sehr zuversichtlich, sowohl was die bevorstehenden Osterferien, als auch den Sommer betrifft. "Wir sehen eine große Reiselust", so die offizielle Auskunft der zum Lufthansa-Konzern gehörenden Airline. Besonders hoch im Kurs würden Flüge nach Madeira, Kreta, auf die Kanaren (Fuerteventura, Teneriffa sowie Gran Canaria) und – hoppla! – nach Japan stehen.

Gibt es auch da exakte Zahlen dazu?
Die gibt es sicher, man hält sich bei der Kommunikation allerdings bedeckt, da diese demnächst koordiniert veröffentlicht werden sollen.

Ob Urlaubs- oder Business-Flieger: Vor Verspätungen ist keiner gefeit. Aktuell liegt die durchschnittliche Wartezeit in Europa bei gut 21 Minuten
Ob Urlaubs- oder Business-Flieger: Vor Verspätungen ist keiner gefeit. Aktuell liegt die durchschnittliche Wartezeit in Europa bei gut 21 Minuten
Getty Images

Stichwort Verspätungen – wie steht man dazu bei der AUA?
Man sieht sich "gut gerüstet" für die Hauptreisezeit im Sommer, gibt aber zu bedenken, dass es eben Ereignisse geben kann wie schwere Unwetter, die alle Planungen über den Haufen werfen können.

Wie sehr wahren die Austrian Airlines denn bislang von Verspätungen und Verschiebungen betroffen?
Es dürfte sich in Grenzen gehalten haben. Im vergangenen Sommer seien nur 9 von insgesamt 577 Flügen ausgefallen, berichtete AUA-Chefin Anette Mann im letzten September. 7 davon seien wegen unerwarteter Wetterereignisse gecancelled worden.

Also zusammengefasst kann man sagen, dass mehr denn je geflogen wird, es aufgrund verschiedener Erschwernisse wie Wetterkapriolen, Kapazitätsproblemen bei der Flugsicherung und dem Ukrainekrieg immer enger wird im europäischen Luftraum und diesen Sommer mindestens jeder 3. Flug Verspätung haben wird - korrekt?
Im Grunde ist das korrekt. Eine durchschnittliche Verspätung von 21 Minuten ist natürlich nicht die Welt, aber oft bleibt es ja nicht dabei, die Verspätungen summieren sich und am Ende ist man erst ein paar Stunden später als gedacht in seinem Hotel.

Fluglotse im Tower des Hamburg Airport: In vielen Ländern fehlt derzeit das Personal, um die Abwicklung der vielen Ferienflieger zu beschleunigen
Fluglotse im Tower des Hamburg Airport: In vielen Ländern fehlt derzeit das Personal, um die Abwicklung der vielen Ferienflieger zu beschleunigen
Marcus Brandt / dpa / picturedesk.com

Kann man sich als Passagier gegen zu große Verspätungen eigentlich wehren?
Selbstverständlich. Ab einer Verspätung von 3 Stunden sind die Airlines zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet – wenn sie für die Verspätung verantwortlich sind. Es gibt zahlreiche Seiten im Internet, die betroffene Fluggäste unkompliziert darüber informieren, ob bzw. wie viel Entschädigung ihnen zusteht und sie oft auch noch gleich dabei unterstützen, die Entschädigung einzufordern.

Abschließend: Wird sich die Lage im europäischen Flugverkehr punkto Verspätungen auch wieder einmal bessern?
Das sei grundsätzlich natürlich möglich, so Branchen-Insider, die nicht genannt werden wollen. Dafür müssten allerdings alle Flugsicherheitsbehörden an einem Strang ziehen und ihre Kapazitäten massiv aufstocken, um in dem engen Rahmen, der den Airlines in Europa bleibt, das Optimum an Flugbewegungen möglich zu machen. Ob es dazu kommen wird, darf zumindest bezweifelt werden.

Akt. Uhr
#Menschenwelt
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.