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Supermarkt-Teuro

Warum kosten unsere Lebensmittel eigentlich, was sie kosten?

Preiszuwächse von fast 100 Prozent, "Österreich-Aufschläge", verärgerte Kunden, hilflose Politiker: Die Lebensmittelpreise sind gefühlt außer Kontrolle geraten. Warum alles immer teurer wird, wieso Gegensteuern so kompliziert ist. Und manches anders als man denkt.

Die Entwicklung der Lebensmittelpreise stößt bei der Kundschaft auf immer mehr Unverständnis
Die Entwicklung der Lebensmittelpreise stößt bei der Kundschaft auf immer mehr UnverständnisiStock
Martin Kubesch
Akt. 29.08.2025 23:57 Uhr

1 Kilo Faschiertes um 22 Euro. 1 Kilo Himbeeren um 28 Euro. Oder 1 Kilo Wurst um 38 Euro. Wer derzeit einkaufen geht und dabei auch aufs Geld schauen möchte, für den wird der Weg durch den Supermarkt schnell zum Spießroutenlauf: Eine böse Überraschung jagt die nächste. Und mit der Rechnungssumme steigt auch die Wut der Konsumenten.

Die Lebensmittelpreise in Österreich scheinen außer Kontrolle geraten. Selbst, wer auf Eigenmarken oder Diskonter setzt, ist vor galoppierenden Teuerung nicht mehr gefeit. Denn hier fallen die Preissteigerungen derzeit – prozentuell – noch gravierender aus als bei den Markenprodukten.

Der heimischen Politik fällt dazu – bis jetzt – nicht viel mehr ein, als Stehsätze. Man werde dieses oder jenes "nicht mehr akzeptieren" und "gegensteuern", sich "offenen Fragen widmen" und Vorschläge ausarbeiten. Wie sehr welche Ideen letztlich geeignet sind, das Preisniveau in den heimischen Supermärkten tatsächlich wieder zu senken, muss sich erst zeigen.

Aber wer ist "schuld" am der Teuerung? Weshalb kann man in Deutschland um vieles billiger einkaufen kann als bei uns. Was hat es mit dem ominösen "Österreich-Aufschlag". Was Sie über die aktuelle Preis-Entwicklung und ihre Ursachen wissen müssen:

Auch Rabattaktionen der Handelsketten können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Lebensmittelpreise seit Jahren massiv steigen
Auch Rabattaktionen der Handelsketten können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Lebensmittelpreise seit Jahren massiv steigen
HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com

Brot und Butter, Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst: Die Preise für Grundnahrungsmittel gehen durch die Decke – warum?
Stimmt schon – das tun sie aber bereits seit Jahren und sie schossen schon stärker nach oben. Es fällt jetzt offenbar nur stärker auf. Es scheint für viele Menschen die Schmerzgrenze erreicht zu sein.

Um wie viel sind Lebensmittel zuletzt teurer geworden?
Im Juli waren es, laut Statistik Austria, 4,4 Prozent gegenüber Juli 2024 (bei einer Gesamt-Inflation von 3,6 Prozent). Im Juni betrug die Lebensmittel-Teuerung 4,7 Prozent (Gesamt 3,3 Prozent). Zum Vergleich: Im Jänner 2023 wurden Lebensmittel bei uns sogar um 17 Prozent teurer (Gesamt 11,2 Prozent) – die größte Steigerung seit Aufzeichnungs-Beginn.

Sind die Lebensmittel die stärksten Inflations-Treiber?
Nein. die Lebensmittel liegen aktuell auf Platz 3. Die Preise für Gastronomie und Wohnen legten statistisch gesehen noch stärker zu.

Wie entwickelt sich die Inflation in Österreich generell?
Sie liegt derzeit ein Prozent über dem EU-Durchschnitt. Österreich hatte von Jänner bis Juni 2025 etwa 3,1 Prozent Inflation, die EU etwa 2,1 Prozent. Im Juli lag die Inflation bei uns jetzt bei 3,6 Prozent, im EU-Schnitt bei 2 Prozent. 2024 hatten wir eine Inflation von 2,94 Prozent, in der EU waren es 2,6 Prozent. Die hohen Lebensmittelpreise sind dafür auf jeden Fall mitverantwortlich.

Ist Österreich bei den Lebensmittelpreisen Spitzenreiter in Europa?
Nein, die Mehrheit der EU-Staaten hatten noch größere Sprünge zu verkraften. In 20 Ländern fiel die Preissteigerung bei Lebensmitteln zwischen 2021 und 2025 (laut Eurostat) größer aus als in Österreich. In Ungarn stiegen die Preise um mehr als 60 Prozent, in Estland, Litauen und Bulgarien um mehr als 50 Prozent.

Und bei uns?
Österreich liegt mit ziemlich exakt 30 Prozent in fünf Jahren im letzten Viertel (zum Vergleich: Die Gesamt-Inflation betrug für diesen Zeitraum 28 Prozent). Am geringsten war die Teuerung in Zypern und Finnland mit knapp über 20 Prozent.

Wieviel geben die Österreicher eigentlich für Nahrungsmittel generell aus?
Laut Eurostat etwa 11 Prozent ihres Einkommens. Damit liegt unser Land am Ende dieser Statistik. Prozentuell noch weniger in Nahrungsmittel investiert wird nur mehr in Deutschland, Luxemburg und Irland. Der EU-Schnitt liegt bei 16 Prozent, ganz vorne liegt Rumänien mit 28 Prozent.

Aufgrund von Missernten stieg der Kakaopreis 2024 binnen weniger Wochen um 280 Prozent
Aufgrund von Missernten stieg der Kakaopreis 2024 binnen weniger Wochen um 280 Prozent
Getty Images

Warum schnalzen die Lebensmittelpreise eigentlich so nach oben?
Dafür sind primär drei Faktoren verantwortlich, auf die weder der Handel, noch die heimische Politik Einfluss haben. Und das macht das Gegensteuern auch so schwer.

Welche Faktoren sind das?

  • Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Also vor allem Dürre, Hitze und Überschwemmungen, die zu Missernten führen. Die Folge: Zahlreiche Ausgangsprodukte für die Lebensmittelindustrie werden knapp – und dadurch massiv teurer. So schoss etwa der Kakao-Preis im Frühjahr 2024 binnen Wochen um 280 Prozent in die Höhe.
  • Höhere Kosten in der Wertschöpfungskette vieler Lebensmittel. Ob Rohstoffe, Düngemittel, Energiepreise oder Transportkosten, alles wird derzeit rasant teurer. Diese Mehrkosten werden dem Produkt, das am Ende der Wertschöpfungskette steht, draufgeschlagen.
  • Eine Benachteiligung österreichischer Lebensmittelhändler am internationalen Markt. Billa, Spar, Hofer oder Lidl müssen für ein und dasselbe Produkt eines Herstellers mehr bezahlen, als etwa eine Supermarktkette aus Deutschland. Diese Praxis wird unter dem Fachbegriff "territoriale Lieferbeschränkungen" zusammengefasst, in der aktuellen Diskussion heißt sie meistens "Österreich-Aufschlag".

"Österreich-Aufschlag"? Sind die Österreicher etwa Konsumenten zweiter Klasse?
Nein, aber darum geht es gar nicht. Unsere Supermärkte müssen für bestimmte Produkte einen höheren Einkaufspreis zahlen, damit die Hersteller diese Produkte überhaupt an kleine Märkte wie Österreich liefern. Denn hier kann nur ein Bruchteil jener Stückzahlen abgesetzt werden, die große Märkte wie Deutschland schaffen. Dafür wollen die Lieferanten eine größere Gewinnspanne.

Alleine drei Mal so umsatzstark wie der gesamte österreichische Lebensmittelhandel: der deutsche Supermarkt-Riese Edeka
Alleine drei Mal so umsatzstark wie der gesamte österreichische Lebensmittelhandel: der deutsche Supermarkt-Riese Edeka
Michael Bihlmayer / ChromOrange / picturedesk.com

Ist der österreichische Markt wirklich so unbedeutend im Vergleich?
Ja, das ist eine Tatsache. Ein Beispiel: Der gesamte heimische Lebensmittelhandel setzte 2022 Waren im Wert von etwa 26 Milliarden Euro um. Der größte deutsche Lebensmittelhändler, die Edeka-Gruppe, setzte 2023 alleine 65,5 Milliarden Euro um.

Und weshalb bestellen dann nicht die Mutterkonzerne der Supermärkte für Österreich gleich mit?
Das ist grundsätzlich richtig gedacht, aber rechtlich derzeit noch nicht möglich. Auch wenn 90 Prozent des Lebensmittelhandels in internationaler Hand sind – die Rewe-Gruppe (Billa, Penny, Bipa, Adeg), Hofer und Lidl haben deutsche "Mütter", Spar hat seine Wurzeln in den Niederlanden –, gelten für sie bei den meisten internationalen Lieferanten andere Konditionen als für ihre Muttergesellschaften.

Das widerspricht aber sicher dem EU-Recht, oder?
Im Grunde schon. Vor allem: Solche "territorialen Beschränkungen" gibt es für mehrere EU-Länder. Deshalb will Brüssel hier auch eine Änderung erwirken – Motto "gleiche Konditionen für alle". Allerdings ist man dabei noch nicht sonderlich weit gekommen, die politische Diskussion darüber scheint sich im Kreis zu drehen.

Wird man nun aktiv?
Ja, aber das dauert. Selbst Optimisten gehen davon aus, dass eine gesetzliche Änderung frühestens 2027 greift.

Wie teuer kommt dieser "Österreich-Aufschlag" die heimischen Konsumenten zu stehen?
Laut Arbeiterkammer gibt es dazu nur EU-weite Zahlen: "Jene EU-Bürger, deren Heimatländer von Einkaufs-Beschränkungen betroffen sind, bezahlten dadurch 2024 insgesamt 17 Milliarden Euro mehr als nötig", so Daniel Witzani-Haim von der AK Wien.

Heißt das, die österreichischen Lebensmittelpreise werden mittlerweile in Brüssel festgelegt?
Die Preise werden in Österreich kalkuliert. Aber viele der Parameter, die für die Preisgestaltung verantwortlich sind, werden jenseits unserer Grenzen festgelegt und die Einflussmöglichkeiten darauf sind recht gering. Ob das jetzt die Einkaufspreise von internationalen Konzernen sind, oder Regelungen wie der "Österreich-Aufschlag".

Territoriale Lieferbeschränkungen wie der "Österreich-Aufschlag" sind auch Brüssel ein Dorn im Auge. Die EU-Bürger kosteten sie zuletzt 17 Milliarden Euro mehr
Territoriale Lieferbeschränkungen wie der "Österreich-Aufschlag" sind auch Brüssel ein Dorn im Auge. Die EU-Bürger kosteten sie zuletzt 17 Milliarden Euro mehr
Getty Images

Wo könnte man eingreifen, um die Preise trotzdem zu drücken?
Vor allem bei jenen Kosten, die "hausgemacht" sind.

Welche Kosten-Faktoren sind "hausgemacht"?

  • Der Einkaufspreis von Produkten macht etwa zwei Drittel vom Verkaufspreis eines Produktes aus. Er ist nur bis zu einem gewissen Grad verhandelbar und hängt davon ab, welche Stückzahlen man einem Hersteller abnimmt. Der Einsparungs-Spielraum ist hier sehr gering.
  • Die Personalkosten für den Handel sind ein "hausgemachter" Faktor, der zwischen 12 und 15 Prozent vom Verkaufspreis eines Produktes ausmacht. Allerdings: Die Gehaltsabschlüsse waren hier zuletzt relativ hoch, bei den Lohnnebenkosten liegt Österreich ohnedies im internationalen Spitzenfeld. Dazu kommt: Die meisten Konzerne beschäftigen aus Kostengründen vor allem Teilzeitkräfte, die Politik will, mit Blick aufs Budget, dass mehr Vollzeitkräfte beschäftigt werden. Hier ist nur wenig zu holen, was die Preise senkt.
  • Die Energiekosten, Steuern und Abgaben machen etwa 20 Prozent vom Verkaufspreis eines Produktes aus. Hier wären theoretisch die größten Eingriffe möglich – allerdings müssten dann die öffentliche Hand bzw. die Energieversorger auf Einnahmen verzichten, was angesichts der Budget-Situation derzeit nur schwer vorstellbar ist.
  • Die Gewinnspanne (Marge) für den Handel liegt im Schnitt bei 1 Prozent vom Verkaufspreis. "Bei Margen in dieser Größenordnung bleibt für den Lebensmittelhandel praktisch kein Spielraum, die Teuerung abzufedern", so Wolfgang Hoffer vom Bundesgremium Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer.

Der Lebensmittelhandel macht wirklich nur 1 Prozent Gewinn?
Es sieht so aus. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) untersucht das regelmäßig. Im entsprechenden Papier, das im Herbst 2023 veröffentlich wurde, schreibt die BWB: "Da Handelsspannen weitgehend unverändert blieben, kam es auch zu keiner Verbesserung der Gewinnmargen im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel (LEH)." Schlussfolgerung: "Der österreichischen LEH nutzte in den letzten beiden Jahren das inflationäre Umfeld nicht dazu, seine Gewinne und Gewinnmargen zu steigern." Das blieb auch 2024 so.

Auch bei Diskontmärkten und Eigenmarken haben die Preise zuletzt deutlich angezogen, erhob jetzt die Arbeiterkammer Wien
Auch bei Diskontmärkten und Eigenmarken haben die Preise zuletzt deutlich angezogen, erhob jetzt die Arbeiterkammer Wien
Georges Schneider / photonews.at / picturedesk.com

Kann ich wenigstens bei Diskontern oder durch den Kauf von Eigenmarken noch sparen?
Naja. Grundsätzlich ist die Preisgestaltung bei Diskontern und Eigenmarken nach wie vor moderater. Aber: Laut dem "AK Preismonitor" für Billig-Lebensmittel stiegen auch hier die Preise zuletzt – und zwar überdurchschnittlich stark. Je nach Produkt um bis zu 96 Prozent.

Warum ist das so?
Vor allem, weil die Margen bei Eigen- und Diskontmarken noch geringer sind als bei Markenprodukten. Gibt es aber auf Produktionsseite Kostensteigerungen wie derzeit, kommen die günstigeren Preise noch stärker unter Druck und die Preiserhöhung muss prozentuell fetter ausfallen, um eben diese Kostensteigerung wieder einzuspielen.

Weshalb sind die Supermarktpreise in Deutschland durch die Bank billiger als bei uns?
Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Und einige haben vor allem damit zu tun, dass Deutschland groß und eben ist …

Bitte ein bisschen genauer …

  • Deutschland ist über weite Strecken flach und es gibt zahlreiche Großstädte. Das bedeutet, dass deutsche Supermarktketten mit einem einzigen großen Markt wesentlich mehr Menschen erreichen als bei uns. Das senkt die Personal- und Betriebskosten und macht es leichter, Produkte billiger anzubieten. Konkret verfügt ein durchschnittlicher deutscher Supermarkt über eine Verkaufsfläche von 985 Quadratmetern, in Österreich sind es 658 Quadratmeter.
  • Österreich ist auch zersiedelter als Deutschland und durch die Berge wesentlich schwerer zu erschließen. Das hat dazu geführt, dass es bei uns sehr viele kleine Supermärkte gibt, die verhältnismäßig wenige Kunden bedienen, aber dennoch erhalten werden (müssen).
  • Bereits oben genannt und augenfällig ist der Österreich-Aufschlag, den der Handel in jedem Fall einpreisen muss. Also die Tatsache, dass ein und dasselbe Produkt für den Einkäufer eines deutschen Supermarktes weniger kostet als für einen österreichischen.
  • Dazu kommt: Die Mehrwertsteuer ist  niedriger als bei uns. Sie beträgt 7 bzw. 19 Prozent, in Österreich 10 bzw. 20 Prozent.
  • In Deutschland gibt es zwar auch nur vier große Handelskonzerne, doch ist die Vielfalt bei den Supermarkt-Marken größer als bei uns, was den Konkurrenzkampf erhöht.
  • Zudem ist die Produktqualität in Österreich im Durchschnitt höher als bei unseren Nachbarn. Der Bio-Anteil bei Lebensmitteln liegt in Österreich laut Wirtschaftskammer bei etwa 13 Prozent – mehr bio gibt es nur mehr in Dänemark zu kaufen.
  • Und auch die Strukturen der heimischen Zulieferbetriebe sind durchschnittlich kleiner als in Deutschland – heißt, die Einkaufspreise für die Handelskonzerne sind tendenziell höher, dafür findet sich weit mehr lokal Produziertes in den Regalen.
Der Bio-Anteil bei Lebensmitteln ist in Österreich der zweithöchste in der gesamten EU
Der Bio-Anteil bei Lebensmitteln ist in Österreich der zweithöchste in der gesamten EU
Getty Images

Um wie viel sind deutsche Supermärkte billiger als österreichische?
Die Bandbreite der Angaben dazu reicht von fünf bis 20 Prozent, das hat auch mit kurzfristigen Preisentwicklungen und Verkaufsaktionen zu tun. Eurostat liegt mit seiner Schätzung von einem durchschnittlichen Preisvorteil von etwa zehn Prozent aber vermutlich relativ gut.

Weshalb sind dann aber auch Produkte, die in Österreich erzeugt werden, in Deutschland meist günstiger?
Ganz einfach: Möchte ein heimisches Unternehmen am deutschen Markt Fuß fassen, muss es sich zunächst den örtlichen Preis-Gegebenheiten anpassen, um überhaupt einen Weg in die Regale zu finden. Sonst kann es das Abenteuer gleich wieder beenden.

Haben wir in Österreich zu viele Supermärkte? In vielen Orten stehen oft, zwei, drei verschiedene Filialen nebeneinander auf frisch versiegelten ehemaligen Ackerflächen und fünf Kilometer weiter warten schon die nächsten Filialen …
Der Lebensmittelhandel bestreitet das zwar, aber die Filialdichte in Österreich ist wirklich bedeutend größer. Im Schnitt kommen in Österreich auf 100.000 Einwohner 60 Supermärkte, in Deutschland sind es 40 Märkte.

Die deutschen Märkte sind auch wesentlich größer, oder?
Ja. Jedem deutschen Kunden stehen – statistisch gesehen – 0,45 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung. In Österreich sind es 0,39 Quadratmeter – bei einem Drittel mehr Märkten.

Ist das auch der Grund, weshalb keine anderen Handelskonzerne den Markteintritt bei uns wagen?
Es ist wohl einer der Gründe. Der wichtigere ist aber der, dass Supermarkt-Giganten wie etwa der französische Carrefour-Konzern in Österreich zu wenig potenzielle Kunden sehen für ihre riesigen Märkte und deshalb lieber in dichter besiedelte Länder expandieren.

Was heißt das in der Praxis?
"Wenn ich einen neuen Markt besetzen möchte", so Wirtschaftskammer-Experte Wolfgang Hoffer, "dann will ich so viele potenzielle Kunden erreichen wie möglich. Die Fixkosten eines Markteintritts sind hoch. Also gehe ich lieber da hin, wo ich 200 Märkte aufsperren kann und nicht maximal 20."

Wo der eine ist, ist der andere meist nicht seit: Die Supermarkt-Dichte in Österreich ist deutlich höher als in Deutschland
Wo der eine ist, ist der andere meist nicht seit: Die Supermarkt-Dichte in Österreich ist deutlich höher als in Deutschland
ZOE-SOPHIE ZIMMERMANN / APA / picturedesk.com

Okay, was könnte man jetzt also konkret tun, um das Preisniveau bei Lebensmitteln wieder zu senken?
Dazu gibt es Ideen, kaum eine davon ist auch nur annähernd neu. Schlimmer aber: Die wenigsten scheinen erfolgversprechend zu sein.

Welche Ideen wären das?

  • Ein Preisdeckel für Lebensmittel oder andere ordnende Eingriffe der Politik in den Markt. Kommt meist aus dem linken politischen Spektrum, überzeugte Marktwirtschaftler schlagen die Hände zusammen. "Das ist das Schlimmste, was man tun kann", so WKÖ-Mann Wolfgang Hoffer. Das habe noch in keinem Markt funktioniert. Warnende Beispiele seien Ungarn und Rumänien, die es versucht hätten: "Leere Regale und Lieferengpässe waren die Folge, weil die Produzenten lieber woanders hinliefern als dahin, wo man ihnen einen Verkaufspreis diktiert", so der Wirtschaftskammer-Experte.
  • Ein "Gentlemen's Agreement" mit den Handelskonzernen, wie es Finanzminister Markus Marterbauer ventiliert hat, bei dem man sich darauf einigt, einen gewissen Grundstock an Lebensmitteln günstig zu halten, um den unteren Einkommensschichten eine Auswahl an günstigen Produkten anzubieten. Klingt engagiert, ob sich der Handel darauf aber tatsächlich einlässt, darf bezweifelt werden.
  • Ein staatliches Vergleichsportal für sämtliche Lebensmittel, um den Konsumenten einen Überblick über die jeweils günstigsten Produkte zu offerieren. Die Arbeiterkammer sieht darin eine Möglichkeit für mehr Preistransparenz, etwa um sogenannte Fake-Rabatte zu entlarven. WKÖ-Mann Hoffer ortet vor allem einen riesigen Datenfriedhof – und einen exorbitanten Kostenfaktor: "Wir haben heute in einem Supermarkt bis zu 25.000 Produkte", so Hoffer. Diese auf dem Preis-Letztstand zu halten, wäre ein logistischer Alptraum ohne Sinn, denn kein Konsument würde sich durch hunderte Daten arbeiten, um seinen Wochenendeinkauf zu planen.
  • Eine Transparenzdatenbank, in der für jedes Produkt verzeichnet ist, welche Kosten in der Wertschöpfungskette dafür anfallen – vom verwendeten Dünger über die Frachtgebühren bis zum Preis der verwendeten Verpackung. "Dadurch würde man leichter identifizieren können, wer in der Wertschöpfungskette überdurchschnittlich von einem Produkt profitiert, so Daniel Witzani-Haim von der AK Wien, "und könnte politische Konsequenzen ziehen". Nachteil: Auch hier wäre der administrative Aufwand vermutlich gewaltig – bei einem offenen Ende, was den praktischen Nutzen betrifft.
  • Abschaffung oder Reduktion der Mehrwertsteuer für bestimmte Lebensmittel: Diese Idee tauchte kurz auf und ist bereits wieder in der Versenkung verschwunden, nachdem den Regierungsparteien klar geworden ist, was dieser Schritt für ihr Budget bedeuten würde.
Sucht noch nach gangbaren Wegen aus der Lebensmittelpreis-Misere: Finanzminister Markus Marterbauer
Sucht noch nach gangbaren Wegen aus der Lebensmittelpreis-Misere: Finanzminister Markus Marterbauer
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Selbst wenn man mehrere dieser Ideen umsetzt – wie groß wäre das tatsächliche Verbilligungs-Potenzial dadurch?
Laut WKÖ-Mann Wolfgang Hoffer wäre eine Preisreduktion um maximal 5 bis 8 Prozentpunkte das Höchste der Gefühle. Alle Vorstellungen darüber hinaus bezeichnet er als illusorisch: "Es ist nicht realistisch zu glauben, dass die Verkaufspreise um zehn oder sogar 20 Prozent sinken würden."

Wie geht es nun weiter?
Kommende Woche, am 2. und 3. September, geht die Bundesregierung in Klausur und will unter dem Motto "Gemeinsam am Aufschwung arbeiten" auch Maßnahmen gegen die Lebensmittelteuerung erarbeiten. Unterstützung holt sie sich dafür von Sebastian Koch vom Institut für Höhere Studien (IHS) und der deutschen Wirtschaftsexpertin Ulrike Malmendier, die an der Universität Berkley in Kalifornien lehrt.

Martin Kubesch
Akt. 29.08.2025 23:57 Uhr