Alles über scharfe Burgenländerinnen, gegenderte Pfefferoni, die weltbeste Marillenmarmelade und wie Die Cuisinière & Der Connaisseur am Ottakringer Brunnenmarkt ihr Scherflein zur gastrosophischen Erwachsenenbildung beigetragen haben.
"Was zu weit geht, geht zu weit!", schnaubte Die Cuisinière. Und meinte damit gar nicht so sehr des Connaisseurs neuerlichen Alleingang in Istrien, sondern vielmehr, dass sie selbst – ohne vorher gefragt worden zu sein ("soweit kommt’s noch", murmelte Der Connaisseur) – Testobjekt bei ihrem PfeiffersGIG im Kronbergers' wurde. "Tempus edax rerum", antwortete er, seine solide Halbbildung unter Beweis stellend, mit den Metamorphosen des Ovid. "Geh' mir nicht auf die Nerven!", schnaubte sie. "Der Satz "Die Zeit verschlingt alles" passt besonders gut für das Kulinarische, oder?", gab er sich originell.
Sie schüttelte den Kopf und gab zu, es nage noch immer an ihr, dass sie ihn im Vorfeld nicht durchschaut, seinen kruden Plan nicht erkannt habe. Und erst, als das fertige Manuskript am Tisch lag, davon erfuhr. Ein selten dagewesener Mut erfasste ihn: "Du weißt doch sonst immer alles besser!?"
Sie tat so, als ob sie das nicht gehört hätte, meinte aber dann doch, der Auftrag von Newsflix sei nicht, uns selbst zu heilen. "Ginge das überhaupt?", fragte er. "Willst du wirklich ans Eingemachte?", sagte sie, darauf er: "Ja, aber nur wenn's von Staud's ist!" Und fand dieses Wortspiel erneut überaus gelungen.
Und schon war eine Genussgesellschaft (GG) einberufen, den berühmten Staud’s in Ottakring von innen zu besichtigen, quasi eine "Special PfeiffersGIG"-Sonderedition. Denn "wir haben ja schlussendlich auch eine pädagogische Verpflichtung", waren sich die beiden endlich wieder einig.
"Bei uns geht es nämlich nicht nur um Essen und Trinken, sondern auch um Verständnis für Ware und Produktion", dozierte Die Cuisinière. Also, vor dem Genuss die Theorie, dachten die beiden, hatten aber die Rechnung ohne die Staud’s-Chefitäten Stefan Schauer und Sigrid Krassnig gemacht. Denn der Treffpunkt war das Stammhaus hinter dem Brunnenmarkt in der Hubergasse. Um die GG – und vielleicht auch sich – auf das, was da kommen würde, einzustimmen, wurden im Innenhof kleine Happen mit ausgezeichneten Produkten von Staud’s samt einem Achterl (oder zwei) gereicht.
Beim zweiten Achterl wurde Die Cuisinière ein bisschen melancholisch, fiel ihr doch ein, dass ihre erste professionelle Begegnung mit Staud's in die Neunziger-Jahren – "des vorigen Jahrtausends?!" warf sich Der Connaisseur mutig dazwischen – liege. Ein gezischtes "wann sonst?!" war die Reaktion. Und schilderte weiter, dass es schon damals, als sie im ANA Grand Hotel Lehrling war, selbstverständlich gewesen sei, Staud's-Marmeladen zu servieren.
Das war aber noch nicht alles! Bei der Eröffnung des Hotel Adlon in Berlin, wo die Damals-noch-nicht-Cuisinière auch den Kochlöffel schwang, verarbeitete sie Powidl in 1,7 Liter-Gebinden. "Wir Schluchtenscheißer – so der damals freundliche Ausdruck, bevor 'Ösi' Mode wurde – hatten den Bildungsauftrag, unseren 'Piefkes' zu erklären, was Powidl ist."
Stefan Schauer wurde warm ums Herz, denn auch er war damals bei der Adlon-Eröffnung mit dabei. Und so kramten sie in alten Geschichten - und Die Cuisinière ein Souvenir von damals heraus und erinnerte erneut an den wesentlichen, bereits damals von ihr verfolgten Auftrag zur kulinarischen Bildung. Diesfalls halt mit den deutschen Kollegen.
"Bevor du jetzt in der guten alten Zeit völlig versumperst …", so Der Connaisseur, müsse doch gesagt werden, wie faszinierend es ist, hinter die Kulissen einer derart renommierten, beeindruckenden Institution wie Staud's zu schauen. Die Tatsache beeindruckt, dass dieses Wiener Ur-Unternehmen allen Verführungen und Verlockungen, eine geschlossene Produktions-Einheit im flachen Land zu errichten, widerstanden hat und quasi in den Hinterhöfen des 16. und 17. Bezirkes Früchte und Gemüse und vieles andere verarbeitet.
Wie beim Wandertag in der Schule marschierte also die Gourmet-Gruppe auf Weiterbildung in Zweierreihen (weniger aus Disziplin, sondern wegen der schmalen Gehsteige) von Ottakring nach Hernals, um die zweite Produktionsstätte zu visitieren. Mit entsprechenden notwendigen hygienischen Vorkehrungen, die in der Lebensmittelbranche üblich sind, konnte die Gourmet-Gruppe, die nun noch kurioser aussah, die Anlagen auch tatsächlich besichtigen.
Der Tatsache geschuldet, dass da bereits um die 90 Minuten ohne flüssiger und fester Nahrung zu verbringen waren, obwohl die berühmten achteckigen Gläser ständig vor Augen standen, ordnete Stefan Schauer, der seit 1991 dabei ist, den Rückweg an. Und führte die Gruppe in jenen Bereich, wo die Wurzeln des Familienbetriebes liegen, nämlich am berühmten Brunnenmarkt. Bereits der Urgroßvater von Hans Staud wickelte hier seine Geschäfte ab. Nun betreibt Staud's seit geraumer Zeit den Pavillon, wo sozusagen "ab Hof" eingekauft werden kann. Ein sehr schickes Markt-Standl.
Um so manches G'schichtl reicher, traf die GG am Yppenplatz ein, und Gott sei Dank gab es wieder einen kleinen Happen – flüssig wie fest. Wobei vor allem die Dehydrierung bekämpft werden musste.
Groß war die Freude, als Hansi Staud, die Legende, die den modernen Staud's 1971 gegründet hatte, es sich – obwohl schon im Ruhestand – nicht nehmen ließ, die GG zu begrüßen und als begnadeter Pianist einige Ständchen mit seinem Haus- und Hofmusiker Thomas Strobl zum Besten zu geben. Was übrigens auch sonst an manchen Mittwochen am Nachmittag im schicken Pavillon stattfindet.
Sigrid und Stefan hatten in dem Pavillon extra eine wunderschöne Tafel aufgebaut und mit Sanny & Michi (den Wirten von gegenüber) eine Speisenfolge vorbereitet. Der Apero im Freien machte mit Bratlfettn und Radieschen-Aufstrich eine gute Unterlage. Dazu wurde Pet Nat "Wolke für Zwei" vom Weingut Salomon Undhof (23 Euro) gereicht.
"Wolke für Zwei heißt dieser spezielle Riesling Petillant Naturél", erläuterte Die Cuisinière, die bekanntlich auch viel vom Trinken versteht und schilderte weiter, dass der fast fertig vergorene Traubenmost in Sektflaschen gefüllt werde und die natürliche Kohlensäure in der Flasche verbleibe, samt der Hefe. Der Connaisseur – eher für das Traditionelle – murmelte: "Ganz allgemein: zu lange in der Sonne gestandener Apfelsaft" – und erntete für diese böse Anmerkung von einem (wenigstens nur) kleinen Teil der GG strafende Blicke.
Natürlich wurde auch im Pavillon des Connaisseurs Lieblingsversion derartiger bacchantischer Zusammenkünfte gehuldigt: "Only sharing is caring" erläuterte er – diesfalls nicht lateinisch. Und los ging es mit großen Platten in der Mitte, wo sich jeder aus der GG selbst bedienen konnte. Übrigens auch nachhaltiger, "weil viel weniger übrig bleibt", wird Die Cuisinière ernst und grundsätzlich. Aber wo sie recht hat, hat sie recht.
Also, nach den Amuse Bouche, oder "Papp'nschmierer", wie Hans, unser Freund von der Zloam das so treffend nennt, folgte ein nicht ganz rosiges aber dennoch g'schmackiges Beef Tartar vom Hödl mit gebeiztem Ei, roter Zwiebel, Kräuterbutter, Chili-Mayonnaise und natürlich Gurkerln von Staud's (18,90 Euro). Danach die Burrata auf Paradeiser-Chutney, mit Zitronenöl und Basilikum-Croutons (17,90 Euro). Auch diese löste große Begeisterung in der geneigten, mittlerweile schon etwas gebildeten Gruppe aus.
Bei den Suppen – klar, in Wien – konnte es nur Frittaten oder Grießnockerl sein. Für den Vegetarier ("ja, wir sind sehr tolerant!", so Cuisinière und Connaisseur unisono) gab es eine Spargelsuppe, die "selbst für mich Karpatenvorländer hervorragend gewürzt und geschmacklich sensationell war", so der Nämliche.
In weiterer Folge flogen mit Sanny & Michi das ausgelöste Backhendl aus dem Sulmtal mit Erdäpfel-Rucola-Salat um 20,90 Euro über den Yppenplatz aus ihrem Restaurant in den Pavillon. Außerdem Spinatknödel mit brauner Butter und Bergkäse auf Rucola (16,90 Euro) und Blunzngröstl mit Krautsalat, ebenso um 16,90 Euro. Die Verzückung war kaum in Worte zu fassen.
"Eine Wirtshausküche wie sie im Buche steht – großartig!", war sich die Bagage sicher. "Vielleicht waren die Knödel ein bisschen kompakt", meinte Die Cuisinière nobel, nicht ohne hinzuzufügen "aber geschmacklich hervorragend!" Die einzige Misere: die Hendl-Teile: Der Connaisseur wie auch einige andere sind Brust-Esser, für Die Cuisinière wiederum bräuchte ein Hendl nur Haxen haben.
Also geht es sich dann meistens doch irgendwie aus. Zwischendurch ließ es sich Stefan Schauer nicht nehmen, immer wieder hinter die Budl zu hüpfen und Staud's-Spezialitäten zur Verkostung zu reichen. Beispielsweise Pfefferoni verschiedener Grade und "unterschiedlicher Schweißperlen-Intensität". Besonders angetan hatten es der Cuisinière die "scharfen Burgenländer:innen"!
Der Connaisseur wurde ob ihres Pfefferoni-Genderns blass ums Naserl und meinte: "Und wenn du jetzt auch noch die vegane Kochlehre beginnst, dann ist alles aus!" Leicht begann Die Cuisinière zu zittern, erlaubte sich dann aber doch, ihren Mund aufzumachen: "So steht's am Etikett!" – und hielt ihm das Glas hin. Seinen Rückzug fand sie etwas arm, als er das mit "ach so, aus dem Seewinkel!" quittierte.
Weil die Gruppe kleinspeisig erwartet wurde, war es nach dem Hendl noch nicht vorbei. Natürlich muss in einer Wiener Wirtshausküche und in einem Traditionsbetrieb wie Staud's ein Schweinsbraten auf den Tisch, nämlich vom Karree mit warmen Krautsalat und Semmelknödel, von Chefin Sanny höchstpersönlich gebraten, im Ganzen vorgelegt und tranchiert. Besser geht's kaum! Auf Nachfrage schwand die vermeintliche Exklusivität, denn die jungen Wirtsleute verrieten, dass dies natürlich für jedermann möglich wäre, nämlich diesen Schweinsbraten im Ganzen vorzubestellen.
Selbst der Tele-Oberösterreicher in der GG (die Mostinger halten sich ja für Schweinsbraten-Weltmeister) war hin und weg und so schwer begeistert, dass nicht nur er den angebotenen Nachschlag auch noch verputzte.
Bei derart "ausgedehnten kulinarischen Eskapaden" ist eines besonders wichtig: "Auf gut gespült kommt's an!", weiß Der Connaisseur. Apropos: Die eine oder andere Flasche Grüner Veltliner Zehenthof 2024 / Holzapfel Wachau (15,50 Euro) und Weißburgunder Lehm-Eisen-Kalk 2022 / Thom Wachter Südburgenland (8,50 Euro) begleitete den SpecialPfeiffersGiG, bevor die großartigen Marillen-Palatschinken mit der besten Fülle, Staud’s-Marillenmarmelade, serviert wurden.
Langsam trat, man glaubt es kaum, ermattete Stille ein. "Nur a bissi Käs noch", vermeinte Stefan Schauer eine rhetorische Frage zu stellen …
"Vergiss den Service-Hinweis nicht", ermahnte Die Cuisinière. "Im Pavillon kann man wunderbar einkaufen und die Staud's-Produkte auch verkosten, das Menü war wohl eine PfeiffersGiG-Special Edition, aber das Essen gibt es vis-à-vis auch im Schanigarten von Sanny & Michi, von dem aus man das bunte Markt-Treiben gut beobachten kann", kommt Der Connaisseur der völlig berechtigten Aufforderung der Cuisinière nach. – "Endlich einmal!" – Natürlich hat Die Cuisinière das letzte Wort.
Ach so, übrigens haben Die Cuisinière und Der Connaisseur eine eigene Facebook-Seite und zum Newsletter kann man sich hier anmelden!
Kommentare, Wünsche, Beschwerden, Anregungen bitte an [email protected]