Newsflix.at Logo
HArry Bergmann

Frieden in Nahost? "Vielleicht für die übernächste Generation"

Harry Bergmann wurde in Haifa geboren, machte in Wien Karriere. Nun erlebte er die Tage der Geisel-Befreiung hautnah mit. Wie er die Euphorie sieht, Trump, ob der Pakt hält. Und warum man den Geist des Antisemitismus nicht mehr in die Flasche zurückbekommt.

Verbrachte die letzten zwölf Tage in Israel: Ex-Werbeguru und Kolumnist Harry Bergmann
Verbrachte die letzten zwölf Tage in Israel: Ex-Werbeguru und Kolumnist Harry BergmannHarry Bergmann
Martin Kubesch
Akt. 14.10.2025 08:50 Uhr

Er saß gerade im Flugzeug nach Wien, als in Israel Millionen Menschen stundenlang vor den Fernsehgeräten verharrten. Von Sonntag auf Montag erlebte das Land die längste Nacht seiner jüngeren Geschichte. Alles wartete sehnsüchtig darauf, dass die letzten Gefangenen von der Hamas freigelassen werden. Nach 738 Tagen Geiselhaft.

Harry Bergmann, 74, in Österreich Werbelegende ("Demner, Merlicek & Bergmann"), ist heute als Kolumnist feinsinniger Analytiker des Nahost-Konfliktes. Einer mit viel Expertise.

Er wurde als Kind von Holocaust-Überlebenden in Haifa geboren, seit er drei Jahre alt ist, lebt er in Österreich. Bergmann besitzt beide Staatsbürgerschaften und pendelt regelmäßig zwischen Wien und Tel Aviv.

Die letzten zwölf Tage verbrachte Bergmann wieder in Israel und war Zeuge des beeindruckenden Stimmungswandels, der das gesamte Land ergriff, nachdem der Trump-Deal bekannt geworden war. Bergmann: "Ein Freund rief mich eigens um drei Uhr nachts an, um mir davon zu erzählen – das sagt viel darüber aus, wie wichtig den Menschen im Land diese Nachricht war."

Aus unzähligen Kontakten und Gesprächen weiß Harry Bergmann auch, weshalb viele Menschen vor Ort Donald Trump aufrichtig dankbar für seine Initiative sind, während sie Israels Premier Benjamin Netanjahu eher für ein Problem als eine Lösung halten.

Am Platz der Geiseln in Tel Aviv warteten am Montag Tausende auf die Freilassung der letzten Gefangenen
Am Platz der Geiseln in Tel Aviv warteten am Montag Tausende auf die Freilassung der letzten Gefangenen
MENAHEM KAHANA / AFP / picturedesk.com

Wie Trumps "Geisel-Deal" dem ganzen Land neue Kraft geschenkt hat, wie er die Chancen auf einen dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern beurteilt und warum sich Juden auch in Österreich mittlerweile wieder mit Anfeindungen und latentem Antisemitismus auseinander setzen müssen – Harry Bergmann im Interview:

Wie ist aktuell die Stimmung in Israel?
Da muss man unterscheiden zwischen vor und nach dem Geisel-Deal. Seit dem 7. Oktober 2023 war die Stimmung im Land unendlich deprimierend und depressiv. Ich bin in Israel geboren und kenne das Land mein ganzes Leben, aber so habe ich es zuvor noch nie erlebt.

Was hat sich nach Bekanntwerden des Geisel-Deals verändert?
Als die Meldung kam, dass die Hamas der Freilassung der Geiseln zugestimmt hat, ging ein Ruck durch das ganze Land. Wo man auch hingekommen ist, hat man in den Gesichtern der Menschen auf einmal wieder eine Stimmung  gesehen, die die zwei Jahre davor nicht zu sehen gewesen ist. Die Menschen haben auf der Straße gemeinsam gesungen und getanzt, es war unglaublich, kaum zu beschreiben.

Welche Gefühle sind noch zu spüren gewesen?
Zum einen die Angst, dass man jetzt auf halbem Weg stecken bleibt und der Krieg doch weiter geht. Und zum anderen eine riesige Wut auf die Regierung, die es so weit hat kommen lassen, dass es jetzt einen Donald Trump braucht, um alle an den Verhandlungstisch zu zwingen. Natürlich die Trauer um all die Toten. Und nicht zuletzt auch Mitgefühl für die Menschen in Gaza und ihre horrende Situation.

Warum sind viele Israelis auf ihre Regierung wütend?
In den Augen vieler Menschen hätte der Krieg auch vor einem Jahr bereits beendet werden können – oder eigentlich müssen. Ich gehöre da übrigens auch dazu.

Dank-Bekundungen an US-Präsident Donald trump finden sich in ganz Israel – diese Spezielle hat die Größe von drei Fußballfeldern
Dank-Bekundungen an US-Präsident Donald trump finden sich in ganz Israel – diese Spezielle hat die Größe von drei Fußballfeldern
STRINGER / AFP / picturedesk.com

In ganz Israel sieht man Transparente, auf denen Donald Trump gedankt wird. Meinen die Menschen das ehrlich?
Ja, diese Dankbarkeit ist ehrlich und echt. Man kann über ihn denken, was man will, aber da hat er etwas geschafft, was andere nicht geschafft haben. Das muss man ihm lassen. Viele Menschen in Israel haben geglaubt, wir werden die Geiseln nie wieder sehen und der Krieg wird nie enden. Damit hat Trump aufgeräumt. Deshalb sind ihm die Menschen wirklich dankbar.

Woran merkt man das?
In Tel Aviv gibt es ja diesen Platz der Geiseln, vor dem Museum of Modern Art. Seit dem 7. Oktober haben sich dort fast jeden Samstag die Angehörigen der Geiseln getroffen und es sind oft tausende weitere Menschen hingekommen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Vergangenen Donnerstag, nachdem die Einigung im Geisel-Deal bekannt geworden ist, hat Trumps Schwiegersohn Jared Kushner eine Rede auf dem Platz der Geiseln gehalten. Und jedes Mal, wenn Kushner den Namen Trump erwähnt hat, haben die Menschen gejubelt und applaudiert. Hat er aber den Namen Netanjahu gesagt, dann wurde gebuht.

Der aktuelle Premierminister wurde ausgebuht …
Genau. Das ist die aktuelle Stimmung im Land: Die Menschen wissen ganz genau, wem sie die Befreiung der Geiseln zu verdanken haben – und wem nicht.

Ist Trump der wichtigste Freund des israelischen Volkes?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob bei ihm da so große Gefühle mit im Spiel sind. Er präsentiert sich natürlich so. Wer seine Rede vor der Knesset (dem israelischen Parlament, Anm.) am Montag gehört hat, der hatte das Gefühl, er ist nach Moses der neue Führer des israelischen Volkes. Aber ich glaube, er hat sich einfach vorgenommen, das jetzt zu machen. Beim Ukraine-Krieg ist er ja bisher gescheitert, an Putin beißt er sich die Zähne aus. Also hat er sich in den Gaza-Krieg verbissen.

Warum hat es hier funktioniert?
Weil Trump offenbar genau jene Fähigkeiten mitbringt, die es benötigt. Erstens ist er skrupellos. Dann ist Politik für ihn immer nur ein Deal. Er behandelt ein Friedensabkommen wie ein Geschäft. Das schließt aber gleichzeitig mit ein, dass er versteht, dass alle Beteiligten etwas davon haben müssen, um wirklich dahinter zu sein. Dadurch ist es Trump gelungen, all die arabischen Länder dahin zu bringen, dass sie sich gegen die Hamas wenden und für den Deal arbeiten. Anders wäre dieses Abkommen vermutlich niemals möglich gewesen.

Donald Trump in Scharm El-Scheich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisiund dem Emir von Katar, Scheich Tamim ben Hamad al-Thani (v. l., erste Reihe)
Donald Trump in Scharm El-Scheich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisiund dem Emir von Katar, Scheich Tamim ben Hamad al-Thani (v. l., erste Reihe)
EVAN VUCCI / AFP / picturedesk.com

Was bekommen die arabischen Länder für ihren Schwenk?
Der Wiederaufbau von Gaza wird ein Multimilliarden-Geschäft. Man wird sehen, wer da aller davon profitiert.

War er auch gegenüber Netanjahu skrupellos?
Ja. Er hat auch Netanjahu gezwungen, auf den Deal einzugehen und der musste sich dann sogar noch öffentlich bei ihm dafür bedanken. Auf der anderen Seite lässt er ihn aber auch nicht im Regen stehen. Bei seiner Rede vor der Knesset hat Trump heute gesagt, Präsident Jitzchak Herzog solle doch dafür sorgen, dass die Ermittlungen im Korruptionsverfahren gegen Netanjahu eingestellt werden. Wir sprechen hier von Ermittlungen der unabhängigen Justiz gegen der Premier. Trump will, dass jeder bei einem Deal etwas gewinnt.

Was hat Israel gewonnen, außer dass die letzten Geiseln freigelassen worden sind?
Das ist der höchste Gewinn, den dieses Land im Moment machen konnte. Und natürlich wäre auch ein Friedensabkommen ein großer Gewinn. Ob es tatsächlich dazu kommen wird, weiß ich nicht. Aber es besteht zumindest wieder die Aussicht auf Frieden. Und das ist es, was Israel mehr braucht als alles andere.

Wird Netanjahu bei der nächsten Wahl abgewählt?
Ich möchte, dass Netanjahu lieber gestern als heute die politische Bühne verlässt. Er ist das Schlimmste, was diesem Land meiner Meinung nach politisch passieren kann. Aber nach der heutigen Rede von Trump bin ich mir nicht mehr so sicher, dass er abgewählt wird. Wobei, es gibt schon viele Dinge, die ihm die Menschen in Israel nicht verzeihen werden.

"Vergesst die Anklage": Bei seiner Rede in der Knesset machte Donald Trump dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu "die Mauer"
"Vergesst die Anklage": Bei seiner Rede in der Knesset machte Donald Trump dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu "die Mauer"
EVELYN HOCKSTEIN / AFP / picturedesk.com

Was zum Beispiel?
Einmal das Versagen der Sicherheitskräfte am 7. Oktober, das kreiden ihm die Leute ganz persönlich an. Oder dass der Krieg, nach Ansicht vieler Israelis, ein ganzes Jahr zu lange dauert hat. Man hätte ihn auch bereits vor einem Jahr beenden können, seither hat sich inhaltlich nicht mehr viel getan. Aber bei vielen herrscht der Eindruck vor, Netanjahu hat den Krieg künstlich in die Länge gezogen, um seinen eigenen Hals aus der juristischen Schlinge zu bekommen – Stichwort Korruptionsermittlungen.

Wie beurteilen Sie die Chancen von Trumps 20-Punkte-Friedensplan?
Ich weiß es ehrlich nicht. Da gibt es diesen Plan und die Geiselbefreiung war der erste Punkt. Der wurde jetzt einmal erreicht. Aber es fehlen noch 19 weitere. Und von einem wissen wir bereits fix, dass er nicht eingehalten wird, nämlich die Entwaffnung der Hamas.

Sie glauben nicht, dass die Hamas dazu gezwungen werden kann?
Von wem denn? Wer soll sie denn entwaffnen? Die französische Fremdenlegion? Eine britische Spezialeinheit? Nein, wenn sie ihre Waffen nicht freiwillig hergeben, dann müssen die Israelis sie entwaffnen. Und dann stehen wir wieder genau dort, wo wir waren.

Viele Hamas-Kämpfer sind in den letzten zwei Jahren getötet worden …
Ja, und jetzt kommen als Gegenleistung für die Freilassung der letzten israelischen Geiseln 2.000 Hamas-Kämpfer aus den Gefängnissen frei. Darunter sind Massenmörder. Und die können sich in aller Ruhe auf den nächsten 7. Oktober vorbereiten, zynisch gesagt.

Insgesamt an die 2.000 Palästinenser wurden im Austausch für die israelischen Geiseln freigelassen und mir Bussen nach Gaza gebracht
Insgesamt an die 2.000 Palästinenser wurden im Austausch für die israelischen Geiseln freigelassen und mir Bussen nach Gaza gebracht
- / AFP / picturedesk.com

Wie geht es mit Gaza jetzt weiter?
Das ist die nächste offene Frage. Selbst wenn man die Hamas los würde, die palästinensische Autonomiebehörde, die im Westjordanland das Sagen hat und jetzt immer wieder genannt wird als mögliche Ordnungsmacht auch für Gaza, ist das Korrupteste, was man sich nur vorstellen kann. Sie sind um keinen Deut besser als die Hamas, nur schwächer.

Wie sehen die Menschen in Israel eigentlich ihre Nachbarn in Gaza? Gibt es eine Form von Verständnis für das Leid?
Viele Israelis fühlen sich schlecht, dass da auch Unschuldige zu Schaden kommen. Andererseits ist ein Teil der Bevölkerung auch der Meinung, dass die wenigsten Bewohner von Gaza wirklich unschuldig sind.

Harte Worte …
Als am 7. Oktober 2023 die verschleppten Geiseln nach Gaza gebracht wurden, hat jeder Zweite in den Straßen getanzt und gefeiert. Die Menschen haben gefeiert, als Frauen vergewaltigt wurden und Menschen hingerichtet. Das hat Israel nicht vergessen. Meiner Ansicht nach bedarf es schon einer großen humanistischen Leistung, ein Israeli zu sein und zu sagen, die dort drüben tun mir alle leid.

Und die israelische Friedensbewegung?
Selbst Menschen, die noch vor ein paar Jahren Friedensaktivisten waren, sind heute weit nach rechts gerückt. Man darf eines nicht vergessen: Dieses Land lebt seit seiner Gründung im Jahr 1948 im Kriegszustand. Die letzten beiden Jahre waren wahrscheinlich die schlimmsten, aber es ist immer Krieg oder Terror. Es ist keine Überraschung, dass die Menschen da verhärten.

Die israelische Geisel Evyatar David bei seiner Ankunft im Beilinson Hospital in Petah Tikva. Er war 738 Tage in der Hand der Hamas
Die israelische Geisel Evyatar David bei seiner Ankunft im Beilinson Hospital in Petah Tikva. Er war 738 Tage in der Hand der Hamas
MENAHEM KAHANA / AFP / picturedesk.com

Wie kann unter solchen Bedingungen eine Zwei-Staaten-Lösung umgesetzt werden?
Es ist leicht zu sagen, früher oder später muss es einen eigenen Staat Palästina geben, aber es sind so viele Punkte ungeklärt. Solange Israel nicht sicher sein kann, neben einem Staat zu leben, der Frieden haben möchte, kann man das Land auch nicht dafür verurteilen, wenn es sagt, wir behalten lieber das labile Gleichgewicht und setzen auf unsere militärische Stärke.

Es mangelt an Friedenswillen bei den Palästinensern?
Wenn sie in Frieden leben wollten, könnten sie es auch. Aber wenn die ganze Zeit "From the River to the Sea …" gesungen wird, dann weiß man, woher der Wind weht. Denn zwischen dem "River", also dem Jordan, und der "Sea", also dem Mittelmeer, liegt Israel. Und dieser Slogan bedeutet nichts anderes, als dass Israel ausgelöscht werden soll.

Der Spruch ist auch in Europa oft zu hören. Warum schlägt Israel so viel Ablehnung entgegen?
Israel ist zu einer Projektionsfläche geworden. Viele der Menschen, die da auf die Straße gehen und mit Palästinenserfahnen herumfuchteln, wissen gar nicht, worum es hier konkret geht. Ich habe einmal bei einer Demonstration in Wien einen der Demonstranten gefragt, ob er denn wisse, wo dieses Palästina genau liegt. Seine Antwort: "Wuascht." Kein Spaß.

Aber worum geht es dann?
Um Antisemitismus. Ich weiß schon, sobald man das sagt, hört man als Antwort "Bitte, nicht schon wieder". Es wird auch häufig darauf hingewiesen, dass man ja auch selber jüdische Freunde habe. Aber ich glaube, dass ein Großteil der Israel-Hasser auch Juden-Hasser sind. Und selbst wenn es irgendwann – so Gott will – in und um Israel wirklich Frieden geben sollte: Den Geist des Antisemitismus, der wie ein Tsunami über die ganze Welt schwappt, bekommen wir nicht mehr in die Flasche zurück.

Die letzten 20 überlebenden israelischen Geiseln wurden mit Rot-Kreuz-Bussen aus Gaza gebracht
Die letzten 20 überlebenden israelischen Geiseln wurden mit Rot-Kreuz-Bussen aus Gaza gebracht
OMAR AL-QATTAA / AFP / picturedesk.com

Was meinen Sie damit?
Das heißt, es wird irgendwann einmal wieder die Situation kommen, wo sich jemand wie ich oder wie meine Kinder überlegen muss, ob der sicherste Platz auf der Welt für Juden nicht doch Israel ist. Ganz egal, wie viel sie dort herum schießen.

Nicht jede Kritik an Israel ist Antisemitismus.
Nein, und Kritik ist ja auch okay. Ich könnte jenen, die Israel kritisieren, viele weitere Punkte nennen, wofür man Israel kritisieren könnte. Es liegt vieles im Argen in Israel. Aber die meisten sogenannten Kritiker haben keine Ahnung und plappern nur irgendwelche Dinge nach.

Leben Sie lieber in Österreich oder in Israel?
Meine Gefühle diesbezüglich sind nicht scharf abgegrenzt. Ich wurde in Israel als Kind von Holocaust-Überlebenden geboren und kam mit drei Jahren nach Österreich. Seither lebe ich hier und ich hatte ein wunderbares Leben. Das Land war gut zu mir und ich war, soweit ich weiß, auch gut zu dem Land. Es gibt aber immer wieder Situationen, wo ich mir denke, die wollen mich hier einfach nicht.

Wann?
Es ist diffus. Es geht um diesen latenten Antisemitismus, der einem immer wieder begegnet, in Nebensätzen oder Redewendungen. Das ist zum Teil wirklich unerträglich, obwohl es viele der Menschen, die so etwas sagen, nicht einmal annähernd so einschätzen würden. Aber ich habe in letzter Zeit oft das Gefühl, dass es wieder so weit kommen könnte wie vor dem Zweiten Weltkrieg.

Hamas-Geisel Matan Zangauker nach der Freilassung mit seiner Mutter Einav Zangauker, einer bekannten Friedensaktivistin
Hamas-Geisel Matan Zangauker nach der Freilassung mit seiner Mutter Einav Zangauker, einer bekannten Friedensaktivistin
- / AFP / picturedesk.com

Haben Sie Angst in Österreich?
Ich bin kein ängstlicher Mensch und sage auch nicht, dass es passieren wird – aber ich habe das Gefühl, dass es passieren könnte. Und das habe ich bis vor kurzem noch nie gehabt. Es fallen viele Barrieren, in der Sprache, im Umgang miteinander. Irgendwann könnte es auch wieder physisch werden. In Österreich ist es Gottseidank noch nicht so weit.

Wo sonst?
Ich würde zum Beispiel niemandem empfehlen, in Paris mit einer Kippa in die Metro zu steigen, wenn er wieder wohlbehalten aussteigen möchte. Und deshalb ist es so wichtig, dass es für Juden Israel gibt. Ich sage nicht, dass man dann nach Israel auswandern muss. Aber allein das Wissen, dass es Israel als Rückzugsort gibt, verleiht einem Stärke. Weil es einem sagt, dass das, was im Zweiten Weltkrieg geschehen ist, nicht mehr passieren wird. Ganz hart formuliert: Wir werden nicht mehr wehrlos ins Gas gehen.

Vor einem Jahr haben Sie gesagt, "es ist derzeit nicht angenehm, Jude zu sein". Sehen Sie das nach wie vor so?
Nein, ich möchte das zurücknehmen. Ich möchte nichts lieber sein als ein Jude. Ich glaube, wenn man in einer Minderheit lebt, noch dazu einer Minderheit, die oft angegriffen wird, entwickelt man ein anderes Sensorium. Und man lernt ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das einem Schutz gibt. So schwierig es auch sein mag, desto mehr glaube ich, dass ich als Mensch davon profitiert habe.

Begleitete die Verhandlungen und sprach auch am Platz der Geiseln zu den Menschen: Trump-Schwiegersohn Jared Kushner mit Ehefrau Ivanka Trump
Begleitete die Verhandlungen und sprach auch am Platz der Geiseln zu den Menschen: Trump-Schwiegersohn Jared Kushner mit Ehefrau Ivanka Trump
EVAN VUCCI / AFP / picturedesk.com

Wie wird die Welt in ein paar Jahren auf den 13. Oktober 2025, den Tag der Geiselbefreiung, schauen?
Das hängt ganz davon ab, wie es jetzt weiter geht. Wenn der 20-Punkte-Plan schon beim zweiten oder dritten Punkt scheitert, dann wird der Tag keine Bedeutung bekommen. Wenn aber wirklich etwas aus dem Abkommen entstehen sollte, dann wird er in die Geschichte eingehen. So oder so, Israel hat zumindest den Trost, alle seine Geiseln zurückbekommen zu haben.

Denken Sie, dass Frieden in Nahost möglich ist?
Vielleicht in der nächsten, oder eher in der übernächsten Generation. Ich werde es nicht mehr erleben. Es haben sich Völker oft über Jahrhunderte den Schädel eingehaut und dann irgendwann Frieden geschlossen. Prinzipiell ist alles möglich.

Martin Kubesch
Akt. 14.10.2025 08:50 Uhr