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zwei jahre haft

Nach dem Urteil: Plötzlich ist René Benko wie vom Erdboden verschluckt

Wo ist Benko? Die einen wissen es nicht, die anderen wollen es nicht sagen. Um den Aufenthaltsort des Pleitiers wird ein Geheimnis gemacht – "aus Gründen der Sicherheit", wie es heißt. Währenddessen bereitet der sich auf seine nächsten Gerichtstermine vor.

René Benko am 15. Oktober kurz vor der Urteilsverkündung am Landesgericht Innsbruck: Um die Frage, wo sich der Signa-Gründer seither aufhält, macht die Justiz ein Geheimnis
René Benko am 15. Oktober kurz vor der Urteilsverkündung am Landesgericht Innsbruck: Um die Frage, wo sich der Signa-Gründer seither aufhält, macht die Justiz ein GeheimnisBARBARA GINDL / APA / picturedesk.com
Martin Kubesch
Akt. 22.10.2025 00:34 Uhr

Wo ist René Benko? Der Signa-Gründer ist nach seinem Prozess in Innsbruck ein Phantom. Bei Gericht weiß man nicht, wo sich der 48-Jährige aktuell aufhält. Und weder sein Anwalt, noch das Justizministerium wollen diesbezüglich Auskunft geben.

Möglich, dass der Milliarden-Pleitier noch in Innsbruck ist (wie viele Beobachter annehmen). Möglich aber auch, dass er bereits wieder ins Landesgericht nach Wien zurückgebracht wurde, um sich dort in der U-Haft auf seine nächsten Gerichtstermine vorzubereiten.

Wobei klar ist, dass diese ebenfalls in Tirol stattfinden werden. Offen ist nur, wann. Wie der weitere "Prozessfahrplan" für René Benko aussieht, wann er gemeinsam mit Ehefrau Nathalie vor dem Kadi stehen soll und warum auf einmal derzeit solch ein Geheimnis daraus gemacht wird, wo der Untersuchungshäftling derzeit einsitzt – die jüngsten Entwicklungen in der Causa Benko im Überblick:

Wo ist René Benko derzeit?
Sicher ist nur: Er wurde zuletzt in Innsbruck öffentlich gesehen. Nach der Urteilsverkündung am 15. Oktober (zwei Jahre Haft wegen Gläubigerschädigung) wurde er in die Justizanstalt (den "Ziegelstadl", sie liegt auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei) gebracht.

Und jetzt?
Kann oder will niemand sagen, wo sich Benko aktuell befindet.

Justizanstalt Innsbruck, das sogenannte "Ziegelstadl": Hier saß René Benko bis kurz nach seinem Prozess. Ob er noch immer dort ist, bleibt derzeit nebulös
Justizanstalt Innsbruck, das sogenannte "Ziegelstadl": Hier saß René Benko bis kurz nach seinem Prozess. Ob er noch immer dort ist, bleibt derzeit nebulös
Weingartner-Foto / picturedesk.com

Das Gericht?
Weder am Landesgericht Innsbruck, noch am Straflandesgericht in Wien, wo Benko bis zu seiner Verlegung nach Tirol in Untersuchungshaft saß, weiß man Näheres. Das sei alleine Sache der Justizwache, heißt es da.

Was sagt die Justizwache?
Dass man dazu keine Auskunft geben darf.

Das Justizministerium?
Nur so viel: "Die Generaldirektion für den Strafvollzug prüft derzeit den künftigen Haftort von René Benko. Dies wird (…) individuell entschieden und aus Gründen der Sicherheit sowie zur Wahrung der Rechte von Insass:innen grundsätzlich nicht bekannt gegeben."

Und was meint René Benkos Anwalt?
Der hält sich dazu ebenfalls bedeckt: "Wenn das Justizministerium meint, dazu aus Sicherheitsgründen keine Aussage geben zu wollen, dann werde ich das nicht 'unterwandern'", so Norbert Wess auf Nachfrage.

Besteht denn tatsächlich eine Gefahr für René Benkos Sicherheit?
Davon ist nicht auszugehen. Es dürfte wohl eher so sein, dass sich die Justiz einfach nicht zu sehr in die Karten schauen lassen möchte.

Aber derzeit ist René Benko noch in Innsbruck?
Wahrscheinlich, auch der Wortlaut des Ministeriums-Statements deutet darauf hin. Wie lange noch, wird sich allerdings erst zeigen.

Benko-Anwalt Norbert Wess vor Gericht: "Wenn das Justizministerium meint, dazu aus Sicherheitsgründen keine Aussage geben zu wollen, dann werde ich das nicht 'unterwandern'"
Benko-Anwalt Norbert Wess vor Gericht: "Wenn das Justizministerium meint, dazu aus Sicherheitsgründen keine Aussage geben zu wollen, dann werde ich das nicht 'unterwandern'"
EXPA / APA / picturedesk.com

Sitzt Karl-Heinz Grasser nicht ebenfalls in Innsbruck ein?
Ja, der ehemalige Finanzminister der Republik verbüßt seit Anfang Juni 2025 eine vierjährige Haftstrafe in der Justizanstalt Innsbruck.

Können sich Benko und Grasser dann in der Haft über alte Zeiten unterhalten?
Laut Norbert Wess, dem Anwalt von René Benko, der gleichzeitig auch Grasser vertritt, sei das auszuschließen: "Die Hafträume für Personen in Strafhaft sind auf einer anderen Ebene untergebracht als jene für U-Haft", so Wess. "Und dazwischen liegen drei Etagen."

Weshalb sollte René Benko überhaupt in Innsbruck bleiben?
Um seine nächsten Prozesstermine abzuwarten, die finden ebenfalls hier statt. Allerdings ist noch nicht klar, wann genau das sein wird.

Welche Prozesse stehen an?
Zunächst geht es um den Fall des Geheim-Tresors im Haus von Verwandten, in dem Ermittler 120.000 Euro Bargeld sowie Luxusuhren und weitere Wertgegenstände fanden. Schadensumme: 370.000 Euro. Dabei ist neben René Benko auch Ehefrau Nathalie angeklagt.

Welche Strafen drohen den beiden dafür?
Bis zu zehn Jahren Haft.

Wann könnte dieser Prozess starten?
Er hätte in Wahrheit gleich mit dem ersten Prozess am 14. und 15. Oktober verhandelt werden können, da es sich um das selbe Delikt handelt. Allerdings hatte das Ehepaar Benko gegen die Anklage zunächst Einspruch eingelegt. Deshalb kam es nicht zum Kombi-Prozess.

Stehen demnächst  gemeinsam wegen betrügerischer Krida vor Gericht: Nathalie und René Benko
Stehen demnächst  gemeinsam wegen betrügerischer Krida vor Gericht: Nathalie und René Benko
Wenzel, Georg / Action Press / picturedesk.com

Und nun?
Nach dem Urteilsspruch im ersten Prozess wurden die Einsprüche zurückgezogen. "Mein Mandant möchte diese Sache nun zügig abgehandelt wissen", so Benkos Rechtsanwalt Norbert Wess dazu.

Hat Nathalie Benko den selben Anwalt wie ihr Mann?
Nein, Frau Benko hat eine eigene Rechts-Vertretung.

Wenn es keinen Einspruch mehr gibt, worauf wir dann noch gewartet?
Auf einen Gerichtstermin für die Hauptverhandlung. Das Landesgericht Innsbruck, vor dem diese Causa verhandelt werden soll, ist derzeit noch auf Terminsuche. "Der sollte eigentlich spätestens nächste Woche gefunden werden", so die Sprecherin des Landesgerichts, Richterin Birgit Fink. Sie hoffe zudem, dass der Prozess noch im Dezember stattfinden kann, Garantie dafür gebe es jedoch keine.

Was wird noch in Innsbruck verhandelt?
Möglicherweise wird auch der Prozess von letzter Woche nochmals neu aufgerollt.

Worum ging es da eigentlich?
Benko soll seine privaten Gläubiger geschädigt haben, indem er insgesamt 660.000 Euro an ihnen vorbei geschleust hat, so die Anklage.

Wie lautete das Urteil?
Es gab einen Schuld- und einen Freispruch, die vergangenen Mittwoch bekannt gegeben worden waren. Von der Anklage, mit der Miet- und Betriebskostenvorauszahlung für die neue Villa der Familie Benko in der Höhe von 360.000 Euro (für vier Jahre) seine Gläubiger geschädigt zu haben, wurde der 48-Jährige freigesprochen. Eine Schenkung in der Höhe von 300.000 Euro an seine Mutter wurde vom Schöffensenat hingegen als ein "Beiseiteschaffen" gewertet. Strafe dafür: 2 Jahre unbedingte Haft.

Richterin Andrea Wegscheider verurteilte René Benko wegen Gläubigerschädigung zu zwei Jahren Haft
Richterin Andrea Wegscheider verurteilte René Benko wegen Gläubigerschädigung zu zwei Jahren Haft
KERSTIN JOENSSON / AFP / picturedesk.com

Wie wurde dieses Urteil aufgenommen?
Benkos Anwalt Norbert Wess legte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen die zwei Jahre Haft ein, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Nichtigkeitsbeschwerde gegen den teilweisen Freispruch.

Was bedeutet Nichtigkeitsbeschwerde?
Damit ist gemeint, dass nach Ansicht von Verteidigung und / oder Anklage (in diesem Fall von beiden) das Verfahren Fehler im Ablauf oder im Urteil aufweist und deshalb wiederholt werden muss.

Wer entscheidet, ob das stimmt?
Dafür ist der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien zuständig. Gibt er einer Nichtigkeitsbeschwerde statt, wird das Urteil aufgehoben und das Verfahren muss nochmals stattfinden. In diesem Fall würde wieder am Landesgericht Innsbruck prozessiert werden.

Wie lange dauert es, bis der OGH diese Entscheidung trifft?
Das ist von mehreren Faktoren abhängig: Auslastung des OGH, Komplexität des Verfahrens etc. Gut möglich, dass in diesem Fall ein OGH-Urteil erst 2026 ergeht.

Und was bedeutet Berufung?
Damit wird nicht das Urteil an sich, aber die verhängte Strafe in Frage gestellt. Hier ist Benkos Verteidigung der Meinung, zwei Jahre Haft sind zu viel.

Wer bestimmt, ob dem stattgegeben wird?
Die nächsthöhere Instanz, in diesem Fall das Oberlandesgericht Innsbruck. Allerdings erst, sobald der OGH entschieden hat, ob das Urteil wegen der Nichtigkeitsbeschwerde generell aufgehoben wird oder nicht. Wird es aufgehoben, erübrigt sich die Berufung.

Verbüßt seit 2. Juni 2025 in der Justizanstalt Innsbruck seine vierjährige Haftstrafe: der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser
Verbüßt seit 2. Juni 2025 in der Justizanstalt Innsbruck seine vierjährige Haftstrafe: der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser
Reuters

Und wenn das Urteil grundsätzlich bestehen bleibt?
Bleibt das Urteil bestehen, findet eine Berufungsverhandlung statt, bei der das verhängte Strafmaß neu diskutiert wird. Dann ist eine Herabsetzung der verhängten Strafe theoretisch möglich, aber keineswegs sicher.

Wann ist ein Urteil rechtskräftig?
Wenn weder der Verurteilte, noch die Anklage Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde dagegen einlegen.

Und ab wann büßt der Verurteilte seine Gefängnisstrafe ab?
Sobald er dafür auch wirklich ins Gefängnis geht.

Wenn ein Verurteilter – so wie René Benko jetzt – aber vor seiner Verurteilung bereits in Untersuchungshaft gesessen ist?
Dann wird die Zeit, die er bis dahin in U-Haft war, auf das Strafmaß angerechnet. Wären die zwei Jahre, zu denen René Benko vergangene Woche verurteilt worden ist, bereits rechtskräftig, dann würde von diesen zwei Jahren jene Zeitdauer, die er bereits in U-Haft gesessen ist, abgezogen werden. In Benkos Fall also knapp neun Monate.

Würde Benko dann die vollen zwei Jahre minus U-Haft absitzen müssen?
Eher nicht. Theoretisch könnte ein Verurteilter nach einem Teil der Haft eine elektronische Fußfessel beantragen. Oder der Rest seiner Strafe könnte in eine Bewährungsstrafe umgewandelt werden. Im Fall von Benko stellt sich die Situation allerdings etwas anders dar.

Weshalb das?
Weil gegen ihn im Zuge der Signa-Pleite sowie auch im Zuge seiner persönlichen Insolvenz wegen unterschiedlichster Delikte ermittelt wird. Die WKStA zählt 14 verschiedene Verfahrensstränge, in jedem sind theoretisch Anklagen möglich. Aufgrund der Größe des vermuteten Schadens und des Volumens der Erhebungen sitzt René Benko jetzt bereits seit neun Monaten in Untersuchungshaft und jeder Antrag auf Enthaftung wurde bislang vom Gericht abgelehnt.

Warum muss Benko so lange in U-Haft bleiben?
"Das Gericht geht weiterhin von dringendem Tatverdacht aus, ebenso vom Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr und auch der Verhältnismäßigkeit der Haft; die für die Untersuchungshaft relevanten Umstände haben sich nicht geändert", heißt es im bislang letzten Bericht über die Verlängerung der U-Haft bis 9. November 2025. Danach wird einmal mehr geprüft, ob der 48-Jährige freikommt, oder weiter in U-Haft bleiben muss.

Sieht alles angerichtet für weitere Anklagen: Aufdecker-Journalist und Signa-Experte Rainer Fleckl
Sieht alles angerichtet für weitere Anklagen: Aufdecker-Journalist und Signa-Experte Rainer Fleckl
Christian Nusser

Und was heißt das jetzt, wenn er rechtskräftig verurteilt würde?
Sobald Benko eine rechtskräftige Haftstrafe antritt, pausiert die U-Haft, sie wird aber nicht aufgehoben. Und wenn die Haftstrafe verbüßt ist, setzt sich automatisch die U-Haft fort. Es braucht dafür keinen neuen Beschluss.

Und wenn jetzt theoretisch eine weitere rechtskräftige Verurteilung dazu kommt?
Dann addieren sich die Strafen nicht automatisch. Das Gericht muss vielmehr in seine Überlegungen miteinbeziehen, wie die Strafe ausgesehen hätte, wenn die beiden Delikte gleichzeitig in einem Prozess zur Verhandlung gekommen wären. Im Regelfall fällt daher die Verurteilung für das Delikt, das als zweites verhandelt wird, milder aus – das nennt man Bedachtnahme-Urteil.

Wann sind weitere Anklagen gegen René Benko zu erwarten?
Das lässt sich seriös überhaupt nicht vorhersagen. Laut Rainer Fleckl, dem wahrscheinlich bestinformierten Journalisten in Sachen Signa, sind die Ermittlungen aber in mehreren Verfahrenssträngen relativ weit gediehen: "Etwa im Fall der Verschiebung der Gardasee-Villen in die liechtensteinische Stiftung Benkos", so Fleckl. "Auch die Ermittlungen bezüglich der Kreditverlängerung der Schellhammer Capital Bank sind weit fortgeschritten. Und ebenso bezüglich der Kapitalerhöhung wenige Monate vor der Signa-Insolvenz im November 2023." Aber ob es tatsächlich zu weiteren Anklagen kommt, ehe Benkos erste Verurteilung rechtskräftig ist, wird sich erst zeigen.

Martin Kubesch
Akt. 22.10.2025 00:34 Uhr