Der Ex-Finanzminister sitzt wegen Untreue seit Juni in Haft. Anfang Jänner soll er in den Hausarrest kommen. Warum das an einem seidenen Faden hängt, wo er in Zukunft wohnt und wieso er mit Fußfessel höchstens eine Stunde am Tag in Garten oder Pool darf.

Seit bald sieben Monaten sitzt Karl-Heinz Grasser in der Innsbrucker Justizanstalt seine vierjährige Freiheitsstrafe ab – der ehemalige Finanzminister trat seine Haft in der im Volksmund "Ziegelstadel" genannten Strafanstalt am 2. Juni 2025 an.
Und wie es aussieht, wird der erste Silvester hinter Gittern auch sein letzter bleiben. Denn Grasser, der am 2. Jänner 57Jahre alt wird, soll kurz nach dem Jahreswechsel in den elektronisch überwachten Hausarrest kommen. Mit anderen Worten: Mit einer sogenannten Fußfessel aus der Haft entlassen werden.
Doch endgültig bestätigt ist dieser Schritt nach wie vor nicht, sagt Grasser-Anwalt Manfred Ainedter: "Wir warten noch immer auf den entsprechenden Bescheid der Justiz", so der Jurist.
Auch, wie es danach mit KHG weiter geht, sei noch nicht vollkommen klar, so sein Rechtsanwalt kryptisch. Denn um die strengen Auflagen für einen Hausarrest erfüllen zu können, muss sich der Ex-Politiker in ein sehr starres Zeit-Korsett zwängen, das von der Justiz individuell an die Lebensumstände der Häftlinge angepasst wird und mit dem längst nicht alle gleichermaßen gut klarkommen.
Wie Grassers – vermutlich – letzten Tage in der Strafhaft in Innsbruck aussehen werden, was beim Hausarrest auf ihn zukommt und wie viel (oder wie wenig) vom Luxus des Familien-Anwesens in Kitzbühel er danach genießen wird können – so geht es mit dem Häftling Karl-Heinz Grasser jetzt weiter:

Kurz zu den Fakten: Welche Strafe erhielt Karl-Heinz Grasser wofür?
Am Ende waren es vier Jahre Haft wegen Untreue und unrechtmäßiger Geschenkannahme. Grasser hatte in seiner Funktion als Finanzminister der Republik Österreich (zwischen 2000 und 2007) beim Verkauf der Bundes-Wohnungs-Gesellschaft BUWOG und weiterer Bundesimmobilien Bieter bevorzugt. Dadurch sei dem Staat ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, so das Oberstgericht.
Wie lange dauerte der Prozess?
Gefühlt ewig. Die ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft begannen bereits in den frühen 2010er-Jahren, die Hauptverhandlung dauerte dann drei Jahre (2017-2020), am Ende wurde Grasser zunächst zu acht Jahren Haft verurteilt. Der Oberste Gerichtshof verringerte die Strafe im März 2025 schließlich auf vier Jahre Haft, die Grasser am 2. Juni in Innsbruck antrat.
Was macht KHG in seiner Haft?
Medienberichten zufolge arbeitet er im Expedit der Strafanstalt und teilt dort Wäsche aus. Er soll sich, laut Mithäftlingen, freundlich und zurückgenommen verhalten.
Müssen die Häftlinge arbeiten?
Nein, aber wenn sie es tun, erhalten sie Hafterleichterungen, etwa eine Stunde Aufenthalt im Freien pro Tag. Diese soll KHG angeblich dafür nützen, mit anderen Insassen Fußball zu spielen. Im Gegensatz dazu verweigert etwa Milliarden-Pleitier René Benko, der derzeit ebenfalls in der Justizanstalt Innsbruck in U-Haft sitzt, jede Mitarbeit im Gefängnisalltag und verzichtet dafür auch auf den Hofgang.
Können sich Benko und KHG in der Justizanstalt begegnen?
Nein, sagt der Wiener Rechtsanwalt Norbert Wess, der sowohl Benko, als auch Grasser vertritt. "Die Hafträume für Personen in Strafhaft (Grasser, Anm.) sind auf einer anderen Ebene als jene für U-Haft", so Wess. "Und dazwischen liegen drei Etagen."
Erhält KHG Freigang?
Ja, er hatte seit Haftantritt bereits tageweise Freigang und auch zu Weihnachten soll er für einen Tag zu seiner Familie – Ehefrau Fiona und die gemeinsame Tochter Tara, 17 – dürfen, ehe er den Rest des Jahres in seinem knapp neun Quadratmeter großen Haftraum verbringt. Der Weihnachts-Freigang sei noch nicht bestätigt, er gehe aber davon aus, dass Grasser ihn bekommt, so Anwalt Ainedter.

Wie geht es danach weiter?
Wenn es stimmt, was einige Medien schreiben, dann sei es bereits entschieden, dass der Antrag des ehemaligen Ministers auf einen elektronisch überwachten Hausarrest von der Justizanstalt Innsbruck positiv beschieden worden ist. Eine offizielle Bestätigung dafür steht indes nach wie vor aus. Anwalt Manfred Ainedter: "Wir haben den Antrag am 1. September eingebracht und bis jetzt keine Antwort erhalten, weder positiv noch negativ. Man muss abwarten."
Wer entscheidet, ob ein Häftling in den Hausarrest darf?
Immer die Justizanstalt, in der der Häftling einsitzt. Dort wird der Antrag auf Hausarrest eingereicht und überprüft, sowohl auf die technische Durchführbarkeit, als auch die Eignung des Häftlings für diese Form des Vollzugs.
Wann darf man Hausarrest beantragen?
Dazu heißt es auf der Homepage des Justizministeriums: "Grundsätzlich kommen für diese Vollzugsform Personen in Frage, die ausreichend sozial integriert sind und deren zu verbüßende (Rest-)Strafe 24 Monate, bei schweren Gewalt- und Sexualdelikten sowie terroristischen Strafsachen 12 Monate, nicht übersteigt." Und dann folgt eine lange Liste an Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, damit dem Antrag – theoretisch – zugestimmt werden kann.
Wenn der Hausarrest für KHG bestätigt wird, heißt das was?
Das würde bedeuten, dass Grasser, nach den dann sieben in Haft verbüßten Monaten, noch weitere knapp eineinhalb Jahre im Hausarrest verbringen muss, ehe er frühestens bedingt aus der Haft entlassen werden kann.
Wo müsste KHG den Hausarrest verbüßen?
An seinem ordentlichen Wohnsitz. In Grassers Fall ist das seit mehreren Jahren die Tiroler Millionärsstadt Kitzbühel. Dort besitzen er und Ehefrau Fiona Pacifico Griffini-Grasser ein großes Anwesen in bester Lage nahe dem Schwarzsee, den Unterhirzinger Hof.
Was weiß man über den Hof?
Das Ehepaar Grasser soll ihn 2017 um 11,8 Millionen gekauft und großzügig umgebaut und renoviert haben. Hier lebte die Familie mit ihren Tieren – Fiona soll zahlreiche Hunde und Katzen besitzen – zuletzt eher zurückgezogen, bis Karl-Heinz Grasser seine Haft antrat.

Und dort soll Grasser seinen Hausarrest absitzen?
Das wäre die Idee des Gesetzgebers, ja. Wobei man dazu sagen muss, dass die Verhaltensregeln für Personen in Hausarrest sehr strikt sind und die elektronische Fußfessel, die permanent getragen werden muss, auch kleinste Verstöße gegen diese Regeln sofort meldet.
Wie darf man sich das vorstellen?
Zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen Hausarrest gehört es, dass der Häftling einer geregelten Arbeit nachgeht, nach Möglichkeit in Vollzeit. Es wird auch genau festgelegt, wie lange die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz dauert. Benötigt der Häftling länger – etwa weil ein Verkehrsstau ist –, muss er die Behörde sofort darüber in Kenntnis setzen.
Was wird KHG arbeiten?
Eine gute Frage. Wer Grasser googelt merkt bald, dass der Ex-Politiker, nach diversen unternehmerischen Tätigkeiten unmittelbar nach dem Ausscheiden aus der Politik, in den letzten Jahren offenbar keiner geregelten Arbeit nachgegangen ist, zumindest keiner öffentlich bekannten. Er hatte offenbar auch kein Geschäft angemeldet und war vermutlich auch nirgendwo angestellt.
Aber was wird er dann im Hausarrest arbeiten?
Grasser-Anwalt Manfred Ainedter gibt sich dazu bedeckt: Wir werden sehen."
Besteht die Möglichkeit, dass ihn die Justiz auch ohne geregelte Arbeit in den Hausarrest entlässt?
Schwer vorstellbar. Die Haltung der Justiz zum Hausarrest ist ganz klar: Es handelt sich dabei um eine Vollzugsform für eine verhängte Strafe. Und dabei wird den Verurteilten so wenig unüberprüfter Freiraum wie möglich gewährt, heißt es dazu im Justizministerium.
Was heißt "unüberprüfter Freiraum"?
Damit ist jene Zeit gemeint, in der der Häftling weder arbeitet noch schläft. Darum tut sich die Justiz auch mit Freiberuflern im Hausarrest schwer. Wenn jemand beispielsweise behaupt, er arbeite von daheim am Computer an Projekten, dann kann das alles oder nichts sein. Er könnte genauso gut den ganzen Tag Videos schauen oder Games spielen. Und das wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Wie sieht es mit dem Essen aus?
Das ist eine der Annehmlichkeiten des Hausarrests: Man muss sich nicht aus der Gefängnisküche verpflegen lassen. Wer es sich leisten kann, kann sich Essen liefern oder sich bekochen lassen. Man darf aber nicht selbst in der Küche stehen - außer man ist von Beruf Koch.
Hat man im Hausarrest gar keine Freizeit?
Doch, eine Stunde pro Tag, wie in der Gefängnishaft auch. Während dieser Stunde kann der Häftling – im Rahmen seiner Möglichkeiten daheim – tun und lassen, was ihm gefällt. Er kann sich schlafen legen, fernsehen, auf der Terrasse sitzen oder den Garten umgraben.
Was, wenn der Hausarrest in einem millionenteuren Anwesen mit Pool, Spa oder Fitnessraum absolviert wird?
Dafür gilt das gleiche: Alle diese Annehmlichkeiten können benutzt werden – aber nur eine Stunde am Tag. In den 23 restlichen Stunden sind all diese Dinge tabu. So wie auch die Häftlinge in der Anstalt nicht einfach nach dem Abendessen noch einmal kurz auf den Gefängnishof dürfen, um zu rauchen oder sich die Beine zu vertreten.
Und das kann man so detailliert mit der Fußfessel überwachen?
Ja, dank GPS kann auf den Meter genau festgelegt werden, welche Bereiche in einem Haus betreten werden dürfen und welche nicht.
Darf man Alkohol trinken?
Ja, es sei denn, man hat eine Verurteilung in Zusammenhang mit einer Straftat unter Alkoholeinfluss. Dann kann das Gericht auch anordnen, dass kein Alkohol getrunken werden darf.
Wie wird das überwacht?
Mit Hilfe der elektronischen Fußfessel, die via GPS sämtliche Bewegungen des Häftlings in Echtzeit weitergibt. Es gibt auch in entsprechenden Fällen eigene Alkoholtestgeräte, die mehrmals am Tag benutzt werden müssen um zu beweisen, dass man nicht trinkt.

Wer kontrolliert die Einhaltung?
Primär die Justizanstalt, in der der Häftling zuvor eingesperrt gewesen ist. In jeder Strafanstalt gibt es Beamte, die für diese Überwachung abgestellt sind. Sie müssen dann "ihre" Häftlinge im Auge behalten.
Das war's schon?
Nein, dazu müssen Häftlinge in Hausarrest wöchentliche Betreuungsgespräche mit dem Verein Neustart führen, der die Resozialisierung von Straftätern begleitet und ebenfalls in die Überwachung eingebunden ist. Und es gibt in Wien die sogenannte Überwachungszentrale, in der sämtliche Hausarrest-Häftlinge Österreichs im Blick behalten werden. Hier muss man sich auch melden, wenn es Abweichungen von der festgelegten Routine gibt, etwa aus Krankheitsgründen, weil ein Stau am Weg zum Arbeitsplatz ist oder was auch immer.
Was passiert, wenn ein Häftling im Hausarrest gegen sein Alltags-Protokoll verstößt und sich nicht meldet?
Dann wird ihn "seine" Justizanstalt zunächst einmal telefonisch kontaktieren und – wenn das nichts nützt, kommen Beamte persönlich vorbei um nachzusehen, was Sache ist.
Kann einem das Recht auf Hausarrest auch wieder entzogen werden?
Ja, das kommt immer wieder vor.
Gibt es auch Menschen, die aus dem Hausarrest freiwillig zurück in die Justizanstalt gehen?
Ja, auch das gibt es. Im Justizministerium erfährt man dazu, dass "vor allem Personen, die sich mit fixen Strukturen schwer tun", gar nicht so selten aus dem Hausarrest wieder zurück ins Gefängnis wollen.
Wie viele Personen in Österreich haben derzeit überhaupt Hausarrest?
Aktuell sind es 364 Männer und Frauen, die ihre Haftstrafe auf diese Art verbüßen. Das sind gerade einmal 3,6 Prozent der insgesamt 10.169 Insassen in den heimischen Justizanstalten.