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Nathalie Benko

"Zieh dich so an, als würdest du in die Kirche gehen!"

Pulli, Haare, Brille: Der Auftritt beim Prozess in Innsbruck machte Nathalie Benko zu einer der Personen der Woche. Sie war kaum wiederzuerkennen. Der neue Style folgte einer goldenen Regel, wie man sie aus Strafprozessen in den USA kennt. Was dahinter steckt.

Perfekt getrimmt: Nathalie Benko beim Gerichtsprozess am Mittwoch in Innsbruck
Perfekt getrimmt: Nathalie Benko beim Gerichtsprozess am Mittwoch in InnsbruckRobert Gongoll
Christian Nusser
Akt. 12.12.2025 23:08 Uhr

Die Umarmung fiel lang und inniglich aus. Sie passierte, als niemand mehr damit gerechnet hatte. Der Prozess war eben zu Ende gegangen, als sich René Benko und seine Frau Nathalie in die Arme fielen und eine gefühlte Minute einfach so dastanden. Die erste gegenseitige Berührung nach 11 Monaten.

Es war einer der seltenen stillen Momente an diesem Tag und er wirkte echt. Einen ganzen Tag lang hatten sich die beiden bemüht, so gut es eben ging die Kontrolle über das Geschehen, vor allem aber über sich zu behalten. Das fiel nun ab.

Am Mittwoch war dem Paar der Prozess gemacht worden, erstmals saßen sie gemeinsam auf der Anklagebank. Am Ende ging sie mit einem Freispruch nach Hause, er kehrte in seine Einzelzelle im Innsbrucker Ziegelstadl zurück.

Der Auftritt von Nathalie Benko prägte den Prozesstag. Die gebürtige Schweizerin sprach kaum, entschlug sie der Aussage, mied Medien. Aber sie zeigte Präsenz und das nicht aus einem Zufall heraus.

Am Ende des Prozesses kam es zur ersten Umarmung seit 11 Monaten
Am Ende des Prozesses kam es zur ersten Umarmung seit 11 Monaten
APA-Images / EXPA / Johann Groder

Über Nathalie Benko wird viel geschrieben, aber wenig gewusst. Sie hat Medien geklagt, die über eine angebliche Scheidung berichtet hatten. Beim Prozess dazu erschien sie nicht. Nun war sie da, aber die Rätsel blieben: Wer ist die Frau und warum wusste sie genau, was sie an diesem Tag zu tun und zu tragen hatte? Eine Spurensuche:

Worum ging es eigentlich am Mittwoch?
Um den Vorwurf der betrügerischen Krida. René Benko soll Anfang 2024 versucht haben, Uhren, Schmuck und Bargeld im Millionenwert auf die Seite zu schaffen. Die Vermögenswerte sollten laut Staatsanwaltschaft dem Zugriff der Gläubiger seiner Milliardenpleite entzogen werden.

Von welchen Vermögenswerten sprechen wir?
Von 120.000 Euro Bargeld in einem Kuvert, 16 Paar Manschettenknöpfen und 11 Marken-Luxusuhren, darunter eine Patek Philippe Nautilus Chronograph in Roségold. Sie ist momentan etwa 90.000 Euro wert.

Was hatte Nathalie Benko damit zu tun?
Sie soll laut Anklage ihrem Mann dabei geholfen haben, die Vermögenswerte auf die Seite zu schaffen. Sie wurden in einem Tresor weggesperrt, er stand im Keller eines Hauses von Verwandten und wurde extra für diesen Zweck angeschafft.

120.000 Euro Bargeld, elf Luxusuhren, u.a. der Marken Patek Philippe, Rolex, Hublot, Omega und Panerai, sowie Manschettenknöpfe wurden im Tresor gefunden
120.000 Euro Bargeld, elf Luxusuhren, u.a. der Marken Patek Philippe, Rolex, Hublot, Omega und Panerai, sowie Manschettenknöpfe wurden im Tresor gefunden
Justiz 3.0 Aktensystem

Wie endete das Verfahren?
René Benko wurden wegen zweier Uhren und wegen Manschettenknöpfen zu 15 Monaten bedingter Haft und einer unbedingten Geldstrafe in Höhe von 4.320 Euro verurteilt, seine Ehefrau erhielt einen Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, René Benko meldete am Freitag Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Was war die zweite Ebene des Prozesses?
Der erste Auftritt auf diesem Terrain von Nathalie Benko. Die 42-Jährige bekannte sich nicht schuldig, wollte sich aber wegen des "enormen Drucks" nicht weiter äußern, auch nicht zu ihrer Einkommenssituation. Sie sei derzeit "Vollzeit-Mami", sagte sie nur.

Was aber sorgte für Aufsehen?
Das emotionale Ende. Während des gesamten Prozesses waren René und Nathalie Benko nebeneinander gesessen, getrennt allerdings durch eine Sicherheitsbeamte. Das Ehepaar mied Blickkontakte, es war eine große Verunsicherung zu spüren.

Und dann?
Nachdem die Richterin den Prozess beendet hatte und René Benko quasi wieder in die Verantwortung der Sicherheitsorgane fiel, wurde ein Moment zugelassen, den es 11 Monate lang nicht gegeben hatte. Das Ehepaar durfte sich umarmen, die Bewacher ließen sie gewähren. René Benko, den Ehering am Finger, schien seiner Frau ein paar Worte ins Ohr zu flüstern.

Die sündteure Patek Philippe Nautilus in Roségold trug Benko bei zahlreichen Gelegenheiten
Die sündteure Patek Philippe Nautilus in Roségold trug Benko bei zahlreichen Gelegenheiten
NOGER Manfred / dpa Picture Alliance / picturedesk.com

Wie emotional war emotional?
Die "Welt" will bei Nathalie Benko ein paar Tränen gesehen haben, den anderen Beobachtern fiel das nicht auf. Die Reporterinnen und Reporter standen auch recht weit entfernt.

Gab es eine zweite Umarmung?
Nein, als Renè Benko weggeführt wurde, kamen sich die beiden noch einmal nahe. Er flüsterte ihr ein paar Worte zu, unverständlich für die Umgebung, dann ging der Häftling ab.

Warum dürfen sich die beiden eigentlich nicht sehen?
Benko befindet sich in U-Haft. Er unterliegt einem strengen Besuchs- und Telefonierverbot, das auch den Kontakt zu Familienmitgliedern umfasst, darunter fällt auch seine Ehefrau. Die Justiz will verhindern, dass der Beschuldigte sich mit Zeugen oder Mitbeschuldigten – auch Ehepartnern – abspricht.

Wie ist das gesetzlich geregelt?
In Paragraph 185 der Strafprozessordnung. Darin heißt es: "Soweit das zur Erreichung der Haftzwecke erforderlich ist, sind der Beteiligung an derselben Straftat verdächtige Beschuldigte so anzuhalten, dass sie nicht miteinander verkehren können."

Über 100 Medienvertreter waren für den Prozess angemeldet
Über 100 Medienvertreter waren für den Prozess angemeldet
APA-Images / APA / BARBARA GINDL

Das heißt?
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht dürfen in der U-Haft Besuche, Telefonate, Briefe und Mitteilungen einschränken oder verbieten, wenn die Aufklärung gefährdet sein könnte.

Was fiel beim Prozess an Nathalie Benko auf?
Das Styling der Mitangeklagten. Der Businessanzug, die beige Rollkragenpullover, die braune Hornbrille, der gedeckte Lippenstift. Hier trat kein Ex-Model auf, keine Glamour-Lady, sondern eine Frau, die sich bewusst ein anderes Image geben wollte, zumindest für diesen Tag.

Welche Vermutung steckt dahinter?
Es gilt als schwer glaubhaft, dass dieses Styling einfach passiert ist. Also, in der Früh Kleiderschrank auf und fertig. Nathalie Benko war früher Model, sie weiß sich zu kleiden und wie großer Auftritt geht. Entweder hat sie die Entscheidung über das Outfit wohlüberlegt allein getroffen oder sie hatte intensive Stylingberatung.

Woran erinnert das?
Klar an die USA. Hier gibt es eine lange Tradition, wie vor allem prominente Angeklagte gegenüber einer Jury aus Geschwornen auftreten sollen und wie sie sich am besten kleiden.

Fast wie aus dem Style-Lehrbuch: Nathalie Benko am Weg in den Gerichtssaal
Fast wie aus dem Style-Lehrbuch: Nathalie Benko am Weg in den Gerichtssaal
Reuters

Was ist das Grundprinzip?
Nichts soll dem Zufall überlassen werden, es soll aber so aussehen. "Simple Kleidungsstücke wie Pullover können eine Person in einem Umfeld, in dem sie als feindselig oder gemein dargestellt wird, milder wirken lassen," sagt Jay Bloom, Präsident von Bloom Strategic Consulting.

Was ist Bloom Strategic Consulting?
Ein Beratungsunternehmen für Gerichtsprozesse mit Sitz in Denver, Colorado. Man betreibe "strategische Jury- und Prozessberatung mit über 25 Jahren nachweislichen Erfolgen", heißt es auf der Webseite. Slogan: "Unsicherheit im Gerichtssaal in Selbstvertrauen verwandeln". Es gibt Hunderte solcher Unternehmen in den USA.

Was ist der Zweck?
Prominente Angeklagte in den USA werden vor Gericht oft bewusst unauffällig und konservativ gestylt, um bei Geschworenen und Richtern einen seriösen und verantwortungsvollen Eindruck zu hinterlassen.

Was ist das Ziel?
Vom Status als "Celebrity" abzulenken und stattdessen Normalität und Respekt vor dem Justizsystem zu signalisieren.

Styling-Tipp aus den USA: "Wenn Sie lange Haare haben, können Sie diese zusammenbinden oder hochstecken."
Styling-Tipp aus den USA: "Wenn Sie lange Haare haben, können Sie diese zusammenbinden oder hochstecken."
Reuters

Was nützt da die richtige Kleiderwahl?
Sie soll Seriosität und Glaubwürdigkeit vermitteln. Ein Anzug oder ein konservatives Kostüm in gedeckten Farben (Dunkelblau, Grau, Schwarz) wird bevorzugt, das strahlt Professionalität aus.

Was ist verpönt?
Sichtbarer Luxus, etwa auffällige Designerkleidung, teurer Schmuck oder Accessoires. Der oder die Betroffene soll nicht arrogant oder abgehoben wirken. Dies soll Sympathiepunkte bringen.

Aber war da nicht was mit der Tasche?
Ja, Bild berichtete, dass Nathalie Benko eine schwarze "Kelly Bag" von Hermès dabei hatte, Stückpreis zwischen 20.000 und 85.000 Euro. Auch der Kaschmirpulli und der Hosenanzug schienen nicht aus der Altkleidersammlung zu stammen.

Ein Widerspruch?
Nicht wirklich, es geht um den Schein, die Vermittlung eines dezenten, zurückhaltenden Äußeren. Nathalie Benko hat sicherlich genug Protzklamotten im Schrank, die dem Anlass gegenüber unangemessen gewesen wären.

Wie definiert sich unangemessen?
Die Styleberater von Sumissura führen an, was man tunlichst vermeiden sollte: Enthüllende oder provokante Kleidung, etwa tief ausgeschnittene Oberteile, wie sie Nathalie Benko auf Events trug. Auffällige Muster, leuchtende Farben, Jeans oder Jogginghosen, Sneakers, Flip-Flops, Sandalen aber auch hohe Absätze.

Sie liebte glitzernde Auftritte: Natalie und René Benko bei der Eröffnung des Luxuskaufhauses KaDeWe in Berlin
Sie liebte glitzernde Auftritte: Natalie und René Benko bei der Eröffnung des Luxuskaufhauses KaDeWe in Berlin
Picturedesk

Und bei den Accessoires?
Nicht ratsam ist lauter oder ablenkender Schmuck (z. B. große, klobige Armbänder), Hüte oder alles, was das Gesicht bedeckt wie etwa Sonnenbrillen. Auch bei Make-up oder schwerem Parfüm ist Vorsicht geboten.

Was ist die Faustregel?
Die Anwaltskanzlei Chaile Allen aus Texas hat 10 goldene Regeln formuliert. Der wichtigste Ratschlag ist vermutlich: "Zieh dich so an, als würdest du in die Kirche gehen!"

Was ist mit den Haaren?
Auch sie sollten nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen. Auch hier war Nathalie Benko am Punkt. "Eine schlichte, gekämmte Frisur ist angemessen", sagt Chaile Allen. "Wenn Sie lange Haare haben, können Sie diese zusammenbinden oder hochstecken."

Und beim Make-up?
"Achten Sie bitte auf Natürlichkeit. Verzichten Sie auf knallige Farben und tragen Sie Make-up dezent auf. Halten Sie Ihre Fingernägel kurz und unlackiert oder lackieren Sie sie in einer hellen oder neutralen Farbe."

Was sollte man auch vor Gericht grundsätzlich beachten?
Es gibt keine zweite Chance auf den ersten Eindruck.

Nathalie Benko am Life Ball 2014, da war sie seit vier Jahren mit René Benko verheiratet
Nathalie Benko am Life Ball 2014, da war sie seit vier Jahren mit René Benko verheiratet
APA-Images / Starpix

Was weiß man eigentlich über Nathalie Benko?
Wenig, aber es gibt viele Zuschreibungen. "Die Unersättliche" betitelte die Neue Zürcher Zeitung" vor zwei Monaten ein Porträt über sie. Die Frage ist, ob man das über einen Mann auch geschrieben hätte? Oder wären dann eher Qualifikationen wie trickreich, geschickt oder wendig gefallen?

Was ist die Biographie von Nathalie Benko?
Sie wurde in Lausanne in der Schweiz geboren, Mädchenname Sterchele. Die spätere Nathalie Benko besuchte die katholische Schule in Mont-Olivet bei Lausanne, modelte ein bisschen, vor allem aber ist sie bis heute eine begeisterte Springreiterin. Und sie hat eine eigene Firma namens NB Immo mit Objekten etwa auf Ibiza.

Wie kam sie nach Tirol?
Dem Vernehmen nach als Teenager. Sie besuchte die Sporthandelsschule, machte eine Lehre in der Gastronomie und soll 1999 die Tiroler Juniorenmeisterschaft im Springreiten gewonnen haben. Belegen lässt sich wenig davon.

Wo lernte die René Benko kennen?
Darüber existieren unterscheidliche Versionen. Die Hochzeit fand jedenfalls am 27. März 2010 in Innsbruck statt, gefeiert wurde in Lech am Arlberg. Nathalie Benko war da schon hochschwanger, die Geburt des ersten gemeinsamen Kindes war für August avisiert. René Benko hat aus seiner ersten Ehe eine Tochter namens Laura.

Wie viele gemeinsame Kinder gibt es?
Drei.

Der geheime Tresor, Hauptdarsteller des Prozesses, wurde hinter Kisten-Attrappen in einem ehemaligen Bunker-Raum entdeckt
Der geheime Tresor, Hauptdarsteller des Prozesses, wurde hinter Kisten-Attrappen in einem ehemaligen Bunker-Raum entdeckt
Justiz 3.0 Aktensystem

Warum nannte die die NZZ "unersättlich"?
Wegen der Geschenke im Millionenwert, die ihr René Benko die Jahre über machte. Auch als das Geld schon knapp wurde. 2023 bekam sie zum Geburtstag noch ein Pferd namens Cayo geschenkt. Wert: 150 000 Euro.

Ist sie eine Person der Öffentlichkeit?
Das ist eine Abwägungssache. Nathalie Benko absolvierte zahlreiche Termine an der Seite ihres Mannes, ließ sich fotografieren und filmen, von Kitzbühel bis zum Törggelen. Sie spielt eine Rolle im Firmen-Imperium von Benko, welche ist noch nicht ganz deutlich zu sehen. Auch nicht für Gerichte, wie das Verfahren in Innsbruck am Mittwoch zeigte.

Darf sie deshalb in Medien gezeigt werden?
Es handelt sich um einen Grenzfall. Mehrere Medien nannten im Vorfeld den Namen der Mitangeklagten nicht und zeigten sie verpixelt her. Spätestens mit Prozessbeginn fiel die Zurückhaltung, auch bei den vorher zurückhaltenden Medien.

Darf man also?
Sollte Nathalie das einklagen, muss ein Gericht entscheiden. Die meisten Juristen legen nahe, dass eine Fotoveröffentlichung und Namensnennung gestattet ist. Aber vor Gericht und auf hoher See hat man bekanntlich sein Schicksal nicht in der Hand.

Reicher wird sie dadurch mutmaßlich nicht, oder?
Zumindest legen das die Verfahren nahe, die Nathalie Benko in den vergangenen Wochen angestrengt hatte. Viele Medien hatten im März 2025 über eine bevorstehende Scheidung des Ehepaares berichtet. Die Faktenlage dazu war dürftig, wenn es überhaupt eine gegeben hat. Nathalie Benko ging gegen die Berichte vor.

Nathalie Benkomit ihrem Anwalt Michael Hohenauer
Nathalie Benkomit ihrem Anwalt Michael Hohenauer
Reuters

Mit welchem Ergebnis?
Bisher fanden zwei Prozesstage statt. Am 25. November wurde zwei Medien des deutschen Axel Springer Verlages verurteilt, "bild.de" und die "B.Z. Berlin", dazu der Schweizer "Tagesanzeiger".

Wieviel mussten die Medien zahlen?
Der Springer Verlag gesamt 10.000 Euro, 8.000 Euro für die "Bild", 2.000 Euro für die "B.Z.", der Tagesanzeiger ebenfalls 2.000 Euro. Vergleichsweise Peanuts-Summen, möglich wären pro Fall bis zu 100.000 Euro gewesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Gab es weitere Verfahren?
Ja, am 2. Dezember gegen die "Berliner Morgenpost" der "Funke Medien Berlin GmbH". Hier fiel das Urteil mit 1.500 Euro noch milder aus, obwohl die Richterin einen Eingriff in die Privatsphäre sah. Er sei geeignet, Nathalie Benko "in der Öffentlichkeit bloßzustellen."

Christian Nusser
Akt. 12.12.2025 23:08 Uhr