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5-Minuten-Test: Dieser Psychologe kann messen, wie böse Sie sind

Morten Moshagen forscht seit zehn Jahren über "das Böse in uns". Nun legt er seine Erkenntnisse vor und sagt: Jeder hat eine böse Seite, "Männer sind tendenziell böser als Frauen", und Österreich ist eher unterdurchschnittlich böse. Wo Sie seinen Gratis-Test finden.

Dem Bösen auf der Spur: Der deutsche Psychologe Morten Moshagen kann die Bereitschaft von Menschen, Böses zu tun, wissenschaftlich nachweisen
Dem Bösen auf der Spur: Der deutsche Psychologe Morten Moshagen kann die Bereitschaft von Menschen, Böses zu tun, wissenschaftlich nachweisenMoshagen
Martin Kubesch
Akt. 17.10.2025 23:58 Uhr

Frauen sind weniger oft böse als Männer und Skandinavier tun öfter Gutes als Menschen aus der Dritten Welt. Diese polarisierenden Erkenntnisse stammen weder von einem feministischem Stammtisch, noch aus dem Programm einer rechten Partei, sondern sind das Resultat einer akribischen, über zehn Jahre gehenden wissenschaftlichen Forschungsarbeit.

Der deutsche Psychologe Morten Moshagen, 46, lehrt und forscht an der Universität Ulm über "das Böse in uns". Korrekter ausgedrückt: Seine Forschungstätigkeit umfasst "mathematische Modellierung und sozial problematische Persönlichkeitseigenschaften".

Gemeinsam mit seinen Forscher-Kollegen Benjamin E. Hilbig und Ingo Zettler hat Moshagen auf Basis der Daten von mehr als zwei Millionen Männern und Frauen aus der ganzen Welt herausgearbeitet, was Menschen dazu bringt, Böses zu tun, sich ihren Mitmenschen oder ihrer Umwelt gegenüber böse zu verhalten. Kleiner Spoiler: Egal ob jemand lügt, stiehlt, über andere schlecht redet oder sich sonst irgendwie unnett verhält, es lässt sich immer auf einen einzigen Wesenszug, eine Persönlichkeits-Eigenschaft zurückführen.

Seine Erkenntnisse darüber, was Menschen antreibt, Böses zu sagen oder zu tun, hat das Trio nun in einem Buch festgehalten: "Dark Factor – die Essenz des Bösen in uns" (Ariston Verlag, € 23,50). Und sie haben auch einen speziellen Test entwickelt, mittels dem jeder im Selbstversuch einfach feststellen kann, wir groß sein eigenes Persönlichkeits-Potenzial ist, anderen Böses zuzufügen. Der Test ist öffentlich und kostenlos im Internet verfügbar.

"Dark Factor - die Essenz des Bösen in uns", Ariston Verlag, Oktober 2025, 256 Seiten, € 23,50
"Dark Factor - die Essenz des Bösen in uns", Ariston Verlag, Oktober 2025, 256 Seiten, € 23,50
Ariston Verlag

Weshalb sich manche Menschen böser verhalten als andere, wie sich unser individuelles Bösartigkeits-Level mit den Jahren verändert und woran man erkennt, ob man es mit einem bösen Menschen zu tun hat, erklärt Morten Moshagen im Newsflix-Interview:

Wie kommt man als Psychologe dazu, sich mit dem Bösen zu beschäftigen?
Das Böse hat seinen Reiz, auch für Wissenschafter. Man ist ja permanent von bösem Verhalten umgeben und fragt sich, was Menschen eigentlich dazu bringt, so zu sein. Natürlich hat böses Verhalten immer etwas mit den Umständen zu tun, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt viele Situationen, wo sich unter den gleichen Umständen ein Mensch böse verhält und ein anderer nicht.

Warum verhalten sich manche Menschen böse und andere nicht?
Die Persönlichkeit macht den Unterschied. Wir wollten wissen: Gibt es eine Persönlichkeitsstruktur, die böses Verhalten wahrscheinlicher macht? Klare Antwort: Ja. Es gibt Personen, die aufgrund ihrer individuellen Persönlichkeit böser sind als andere.

Wie heißt es überhaupt, böse zu sein?
Böse zu sein bedeutet laut unserer Definition, dass man jemandem schadet. Und derjenige, dem man schadet, hat nicht eingewilligt, geschädigt zu werden und es gibt auch keine allgemein akzeptierte moralische Rechtfertigung dafür, ihm zu schaden. Wenn man etwa jemanden schlägt, um ihm was wegzunehmen, ist es böses Verhalten. Schlägt aber ein Boxer seinen Gegner im Boxring, ist es nicht böse.

Kann man beziffern, wie groß das Potenzial an Bösartigkeit in einem Menschen ist?
Ja. Wenn man davon ausgeht, dass böse zu sein ein Persönlichkeitsmerkmal ist, dann kann man die Intensität, in der dieses Merkmal vorhanden ist, auch wissenschaftlich erfassen und messen.

Ein Bösewicht, der eigentlich einmal ein Guter war: Batmans Erzfeind Joker (Joaquin Phoenix mit seiner Freundin, gespielt von Lady Gaga) in "Joker: Folie a Deux"
Ein Bösewicht, der eigentlich einmal ein Guter war: Batmans Erzfeind Joker (Joaquin Phoenix mit seiner Freundin, gespielt von Lady Gaga) in "Joker: Folie a Deux"
IMAGO/Landmark Media

Hat jeder Mensch einen bösen Anteil in sich?
Ja, in jedem Menschen ist die Bereitschaft, Böses zu tun, vorhanden, nur eben unterschiedlich stark ausgeprägt. Genauso wie in jedem Menschen die Bereitschaft besteht, Gutes zu tun, aber eben auch in unterschiedlicher Ausprägung. Wir sind komplizierte Wesen.

Wie misst man, wie böse ein Mensch ist?
Wir haben dafür einen speziellen Fragebogen entwickelt. Der wird sehr gut angenommen und auch sehr ehrlich beantwortet – jedenfalls solange die Befragten ihre Antworten anonym geben können. Und diese Antworten setzen wir in Beziehung zum tatsächlichen Verhalten.

Aber wo bleibt dann die Anonymität?
Wir haben die Möglichkeit bekommen, auch in Dänemark zu forschen. Und Dänemark ist eines der am stärksten digitalisierten Länder Europas. Alle relevanten Daten der Bürger werden zentral gespeichert und verknüpft.

Und diese Daten haben Sie bekommen?
Wir konnten bei jenen Menschen, die unseren Fragebogen beantwortet haben, auch ihre Bürgerdaten einsehen. Das lief über Codes und zwischengeschaltete Behörden, wir wussten tatsächlich nicht, wer die Menschen sind, deren Daten wir bekommen haben.

Wie viele Menschen konnten so analysiert werden?
Das waren knapp 14.000 Däninnen und Dänen. Alles in allem hat das etwa ein Jahr lang gedauert.

Die geköpfte Kleine Meerjungfrau im Kopenhagener Hafen: 14.000 Däninnen und Dänen wurden nun auf ihr Bösartigkeits-Potenzial hin analysiert
Die geköpfte Kleine Meerjungfrau im Kopenhagener Hafen: 14.000 Däninnen und Dänen wurden nun auf ihr Bösartigkeits-Potenzial hin analysiert
Reuters

Und was war das Ergebnis?
Wir konnten aus den Fragebogen-Antworten und den Bürgerdaten der Befragten ein sehr genaues Bild davon erarbeiten, wie "gut" oder "böse" das soziale Verhalten dieser Menschen ist, wie sie denken und sich ihren Mitmenschen gegenüber verhalten.

Wie sieht dieser Fragebogen aus?
Das ist kein Geheimnis, unser Fragebogen steht offen im Internet und kann von jedem gemacht werden. Es gibt eine Kurzversion, für die man etwa fünf Minuten benötigt, und eine Langversion, die auszufüllen dauert maximal 20 Minuten. Der Test funktioniert so, dass man angeben muss, wie sehr oder wie wenig man bestimmten Aussagen zustimmt, und zwar nach dem Schulnotenprinzip.

Welche Aussagen muss man bewerten?
Etwa "Ich würde mich sehr unwohl dabei fühlen, andere Menschen zu verletzen", oder "Rache muss schnell und fies sein".

Wie viele Menschen haben diesen Test bereits gemacht?
Mehr als 2,5 Millionen auf der ganzen Welt. Der Test ist mittlerweile in mehr als 30 Sprachen verfügbar.

Was für ein Ergebnis kommt dabei heraus?
Man bekommt einen Zahlenwert, den sogenannten "Dark Factor". Der drückt aus, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich jemand böse verhält. Also die Bereitschaft eines Menschen, böse Dinge zu tun oder in einer Situation ein böses Verhalten an den Tag zu legen. Je niedriger dieser "Dark Factor" ist, desto weniger wird das Verhalten eines Menschen von seinen bösen Persönlichkeitsanteilen geprägt.

Der "Dark Factor" drückt aus, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich jemand böse verhält: US-Präsident Donald Trump an der Coastal Carolina University in Conway, South Carolina
Der "Dark Factor" drückt aus, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich jemand böse verhält: US-Präsident Donald Trump an der Coastal Carolina University in Conway, South Carolina
Picturedesk

Was sagt der "Dark Factor" über einen Menschen aus?
Wenn jemand einen hohen "Dark Factor" hat, also eine große Bereitschaft, böse zu agieren, dann wird er diesen Aspekt seiner Persönlichkeit häufiger zeigen als jemand, der einen niedrigen "Dark Factor" aufweist. Das heißt nicht, dass er oder sie sich immerzu böse verhält, so etwas tut ja keiner. Aber die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass es geschieht.

Bleibt man sein ganzes Leben lang gleich böse?
Nein, die Menschen werden generell etwas weniger böse, je älter sie werden. Es gibt offenbar so etwas wie eine gewisse Altermilde.

Womit hängt das zusammen?
Wer jünger ist, muss sich meistens mehr beweisen im Leben. Er steht in einem Wettbewerb, auf dem Job-Markt, auf dem Partnermarkt und so weiter. Das erfordert eine gewisse Wettbewerbsorientierung. Wird man älter, wird dieser Faktor meistens unwichtiger, weil man in vielen Bereichen schon angekommen ist. Damit sinkt auch die Notwendigkeit, sich böse zu verhalten.

Wissen böse Menschen eigentlich, dass sie böse sind?
Für gewöhnlich wissen Menschen, wenn sie sich böse verhalten und dass das eigentlich unmoralisch ist. Und das ist für sie ein Problem, denn wir alle haben ganz tief in uns verwurzelt den Wunsch, ein guter Mensch zu sein. Man möchte ein positives Bild von sich selbst haben. Deshalb unternehmen Menschen, die böse agieren, viel, um ihr Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen.

Was tun böse Menschen, um ihr Verhalten zu rechtfertigen?
Sie sagen etwa, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und es nur die Wahl gibt zwischen fressen oder gefressen werden. Auch ein beliebtes Argument: "Wenn ich es nicht tue, tut es ein anderer." Böse Menschen tendieren übrigens auch deutlich häufiger zu paranoiden Vorstellungen und Verschwörungstheorien.

Werden manche Menschen böse geboren? Nein, sagt Psychologe Morten Moshagen, der genetische Anteil am "Dark Factor" liegt nur bei 25 Prozent
Werden manche Menschen böse geboren? Nein, sagt Psychologe Morten Moshagen, der genetische Anteil am "Dark Factor" liegt nur bei 25 Prozent
Getty Images/iStockphoto

Werden wir böse geboren, oder entwickeln wir uns durch unsere Lebensumstände da hin?
Es gibt eine genetische Komponente, aber die ist deutlich schwächer ausgeprägt als bei anderen Persönlichkeitsmerkmalen. Bei Ängstlichkeit liegt der genetische Anteil an diesem Verhalten bei 50 Prozent, bei der Bösartigkeit, also dem "Dark Factor", nur bei 25 Prozent. Das bedeutet, dass zu drei Vierteln Erlebnisse und Erfahrungen, Umweltfaktoren und Lebensumstände dafür verantwortlich sind, wenn sich jemand zu einem bösen Menschen entwickelt. Kurz gesagt: Man wird nicht böse geboren, sondern böse gemacht.

Gibt es Länder, wo die Menschen böser sind als anderswo?
Besonders hoch ist die Bereitschaft der Menschen, Böses zu tun, in Ländern, wo die Lebensumstände besonders schlimm sind.

Warum ist das so?
Große soziale Ungleichheit, eine schlechte Strafverfolgung, wenig Rechtssicherheit, Korruption, das alles sind Faktoren, die es schwieriger machen, sein eigenes Überleben sicher zu stellen. Entsprechend hilfreich ist eine gewisse Skrupellosigkeit, was einem wiederum durch einen hohen "Dark Factor" vereinfacht wird.

Wo leben besonders viele gute Menschen?
In Ländern, die sich sehr um ihre Bürger bemühen und versuchen, ihre Lebensumstände zu verbessern, etwa in Skandinavien.

Wie böse sind die Menschen in Österreich?
Die gehören weltweit betrachtet eher zu den weniger bösen – wie übrigens alle Länder in Mittel- und Westeuropa.

Tu felix austria: Unser Land gehört zu den "weniger bösen" Ländern
Tu felix austria: Unser Land gehört zu den "weniger bösen" Ländern
Getty Images

Wo ist das Böse politisch zu Hause?
Da muss man sehr vorsichtig sein, aber es ist schon so, dass sich böse Menschen tendenziell politisch selbst meist eher rechts der Mitte einordnen. Und das ist auch logisch. Denn traditionell eher linke Themen – Gleichheit, sozialer Fortschritt usw. – sind Punkte, mit denen egoistisch denkende Menschen kaum etwas anfangen können. Und die meisten bösen Menschen sind auch egoistische Menschen.

Merkt man, wenn man es mit einem bösen Menschen zu tun hat?
Prinzipiell schon, aber dafür wird ein Zusammentreffen nicht ausreichen. Man muss einen Menschen öfters und in unterschiedlichen Situationen erleben, um zu erkennen, wie groß seine Bereitschaft ist, böse zu sein.

Woran lässt sich das böse Potenzial eines Menschen erkennen?
Neben seinem unmittelbaren Verhalten vor allem daran, wie jemand über bestimmte Themen denkt. Hält er das Leben für einen Wettkampf jeder gegen jeden, empfindet er die Welt grundsätzlich als böse, glaubt er an Verschwörungstheorien? Auch die Einstellungen einer Person zu Themen, die für alle Menschen gleichermaßen relevant sind, sagen manches aus: Lehnt er zum Beispiel Umwelt- und Klimaschutz ab, ist das in der Regel eher jemand, dessen Bereitschaft zum Bösen stärker ausgeprägt ist.

Sind böse Menschen im Job erfolgreicher?
Nein, es hindert sie aber auch nicht daran, erfolgreich zu sein. Man kann es als netter Mensch grundsätzlich genauso weit bringen wie als böser Mensch. Mit der Einschränkung, dass es im Arbeitsleben sehr unterschiedliche Bereiche gibt, in denen es manchmal hilfreich ist, das eine beziehungsweise das andere zu sein.

Gebildeter = weniger böse? Nein, sagt der Psychologe, der Bildungsgrad hat darauf gar keinen Einfluss
Gebildeter = weniger böse? Nein, sagt der Psychologe, der Bildungsgrad hat darauf gar keinen Einfluss
Getty Images/iStockphoto

Welchen Einfluss haben Bildung und Intelligenz darauf, wie böse jemand ist?
Gar keinen. Es gibt böse Menschen, die sehr schlau, intelligent oder gebildet sind und welche, die dumm oder ungebildet sind. Genauso ist es natürlich mit den netten Menschen.

Hat das Geschlecht einen Einfluss darauf, ob jemand eher böse ist?
Männer sind im Schnitt weltweit böser als Frauen. Das liegt vor allem daran, dass Frauen tendenziell eher dazu neigen, empathischer und sympathiefähiger zu sein als Männer. Und Empathie steht bösem Verhalten entgegen. Mitgefühl hindert uns daran, böse zu sein.

Martin Kubesch
Akt. 17.10.2025 23:58 Uhr