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nach rückzieher

Affäre Epstein: Warum Trump seine Wähler nicht mehr versteht

Zuerst kündigte der Präsident im Fall um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein "volle Aufklärung" an, dann machte er einen Rückzieher. Nur: Seine Wähler wollen ihn damit nicht durchkommen lassen. Worum es in der Causa geht, wie gefährlich die Lage für Trump werden kann.

Angezählt: Die Ereignisse der letzten Tage haben dem US-Präsidenten sichtlich zugesetzt
Angezählt: Die Ereignisse der letzten Tage haben dem US-Präsidenten sichtlich zugesetztREUTERS/Jonathan Ernst
Martin Kubesch
Akt. 17.07.2025 05:21 Uhr

Am Mittwoch erreichte der Furor des US-Präsidenten einen neuen Höhepunkt – oder auch Tiefpunkt, je nach Blickwinkel, aus dem man das aktuelle Schauspiel in Washington betrachtet.

Jene Menschen, die auf Social Media noch immer lautstark nach Aufklärung bezüglich der Ermittlungen um den 2019 verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein rufen würden, seien "dumme Leute" und "Schwächlinge", die nichts verstanden hätten und auf Täuschungen der Demokraten hereinfallen würden, so Donald Trump in einem emotionalen Posting auf Truth Social. Und von solchen Menschen würde er keine Unterstützung mehr benötigen. Danke für nichts.

Das Blöde dabei ist nur: Diese "Schwächlinge" und "dummen Leute" sind eigentlich die leidenschaftlichsten Anhänger und Gefolgsleute des Präsidenten, das Herz seiner MAGA-Bewegung ("Make Amerika Great Again"). Es sind jene Wähler, die ihn erst dort hin gebracht haben, wo er nun (wieder) sitzt: ins Weiße Haus. Und sie berufen sich in ihrer Forderung nach Aufklärung auf die wichtigste irdische Autorität, die sie kennen: nämlich Trump selbst.

Denn der Präsident höchstpersönlich hatte im Wahlkampf immer wieder die Epstein-Karte gespielt. Trump hatte die vermeintlichen Verbindungen des ehemaligen Finanzmanagers und verurteilten Straftäters vor allem zu demokratischen Politikern immer wieder angedeutet und gemeint, dass diese noch längst nicht alle aufgeklärt seien. Und er hatte versprochen, er werde diesen Sumpf trockenlegen, wenn er erst einmal im Oval Office säße.

Donald Trump hatte bislang immer ein gutes Gespür für die Stimmungen seiner Wähler, derzeit ist das jedoch scheinbar anders
Donald Trump hatte bislang immer ein gutes Gespür für die Stimmungen seiner Wähler, derzeit ist das jedoch scheinbar anders
Picturedesk

Doch mittlerweile ist alles anders. Von möglichen Verbindungen Epsteins in höchste Polit-Kreise will der Präsident nichts mehr wissen. "Das ist schmutzig, aber langweilig" tut er Fragen nach neuen, noch unveröffentlichten Erkenntnissen zu der Causa ab. Und rühmt sich lieber damit, dass er Coca-Cola dazu gebracht hat, in den USA künftig Rohrzucker statt Rübenzucker in seine Limonade zu mischen, anstatt auf die immer lauter werdenden Forderungen seiner Parteifreunde einzugehen.

Weshalb der US-Präsident bezüglich Epstein so auffallend dünnhäutig agiert, wie gut Trump Jeffrey Epstein wirklich kannte, welche Geheimnisse es in den Ermittlungen gegen den verurteilten Sexualstraftäter noch geben könnte und warum der Aufstand der MAGA-Basis gegen Trumps Vorgehen zu einem echten Problem für das Weiße Haus werden könnte – was man über den Fall Epstein und Donald Trumps außergewöhnlich merkwürdiges Verhalten diesbezüglich wissen muss:

Worum geht es hier?
Kurz gesagt: Um den Fall des früheren Finanzmagnaten und verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein und das zunehmend merkwürdige Verhalten von US-Präsident Donald Trump in Zusammenhang mit bislang noch nicht veröffentlichten Erkenntnissen über die Verbindungen Epsteins bis hinauf in höchste Kreise von Politik und Gesellschaft.

Von Anfang an, bitte!
Jeffrey Epstein, geboren 1953, war Gründer eines Finanzverwaltungsunternehmens in New York City, mit dem er zum Selfmade-Millionär wurde. Er führte ein Jetset-Leben mit Häusern in Manhattan, Palm Beach, Florida, auf den US Virgin Islands, einer Ranch in New Mexico sowie einem riesigen Privatjet, einer umgebauten Boeing 727. Epstein hatte allerdings auch eine dunkle Seite.

Der Finanzmagnat Jeffrey Epstein am 11. Juli 2019, wenige Tage nach seiner Verhaftung
Der Finanzmagnat Jeffrey Epstein am 11. Juli 2019, wenige Tage nach seiner Verhaftung
HO / AFP / picturedesk.com

Und zwar?
Er ließ sich oft noch minderjährige Mädchen zuführen, um mit ihnen Sex zu haben. Er soll diese jungen Mädchen in seinen Häusern auch anderen Männern für sexuelle Handlungen zur Verfügung gestellt haben. Darunter waren angeblich auch zahlreiche einflussreiche und prominente Männer. Und Epstein soll diese Männer gleichzeitig ausspioniert und beim Sex mit den jungen Mädchen gefilmt haben.

Wann soll das begonnen haben?
Genau weiß man das nicht, aber es gibt Aussagen, wonach dieses "System Epstein" bereits Mitte der 1990er-Jahre praktiziert worden ist. Die erste bekannte Anzeige gegen Epstein und seine Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell (Tochter des britischen Medien-Magnaten Robert Maxwell) erfolgte 1996, die beiden sollen zwei Schwestern vergewaltigt haben. Doch weder Polizei noch FBI ermittelten in der Sache. Es folgten weitere Anzeigen, doch mit dem selben Ergebnis.  Erste offizielle Ermittlungen wurden ab 2005 in Florida geführt.

Worum ging es da?
Es gab damals bereits zahlreiche schwerwiegende Beschuldigungen zahlreicher junger Frauen. Doch Staatsanwalt Alexander Acosta ließ sich mit Epstein auf einen Deal ein. Dieser gestand, eine Minderjährige zur Prostitution gezwungen zu haben, obwohl das Delikt eigentlich Vergewaltigung einer Minderjährigen gewesen wäre. So entging Epstein einem Verfahren vor einem Bundesgericht und wurde lediglich zu 18 Monaten Haft verurteilt, die er in Palm Beach unter extrem milden Bedingungen absaß.

Sollte man den Namen Alexander Acosta kennen?
Ja, er war zehn Jahre später, von 2017 bis 2019, Arbeitsminister in der ersten Regierungszeit von Präsident Donald Trump. Acosta trat aber von dem Posten zurück, nachdem Jeffrey Epstein im Sommer 2019 erneut verhaftet wurde und Acostas zweifelhafte Rolle bei dessen erster Verurteilung in Florida bekannt geworden war.

Alexander Acosta (r.) war von 2017 bis 2019 Arbeitsminister unter Donald Trump, dann musste er wegen seines Verhaltens im ersten Prozess gegen Jeffrey Epstein zurücktreten
Alexander Acosta (r.) war von 2017 bis 2019 Arbeitsminister unter Donald Trump, dann musste er wegen seines Verhaltens im ersten Prozess gegen Jeffrey Epstein zurücktreten
BRENDAN SMIALOWSKI / AFP / picturedesk.com

Epstein wurde wieder verhaftet?
Exakt. Doch nach Verbüßung seiner ersten Haftstrafe führte er sein Jetset-Leben zunächst ungehindert weiter. Allerdings ermittelten mehrere Justizbehörden weiter gegen ihn. Am 6. Juli 2019 wurde Epstein am Flughafen Teterboro im Staat New York erneut verhaftet, als er mit seinem Jet aus Paris zurückkehrte.

Weshalb?
Ihm wurde vorgeworfen, dass er und Ghislaine Maxwell (die er mittlerweile nur mehr als "seine Freundin" bezeichnete und die die "Organisation" seines Mädchen-Ringes übernommen hatte) über die Jahre hunderten minderjährigen Mädchen sexuelle Gewalt angetan, sie zur Prostitution verleitet und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung betrieben hätten. Bei einer Verurteilung drohte Epstein eine lebenslange Haftstrafe.

Wie ging es weiter?
Epstein beantragte eine Freilassung gegen Kaution, doch das wurde vom Richter abgelehnt und er kam ins Metropolitan Correctional Center in Manhattan. Hier beging der Finanzmagnat am 10. August in seiner Zelle Suizid* durch Strangulation. Wie später bekannt wurde, hatte er bereits am 23. Juli, zweieinhalb Wochen zuvor, offenbar einen Suizidversuch unternommen.

Okay, aber soweit doch eigentlich alles klar, oder?
Nicht wirklich. Denn schon bald nach Epsteins Tod kamen erste Gerüchte auf, dass es sich gar nicht um Suizid gehandelt haben könnte.

Jeffrey Epsteins prächtiges Stadthaus in Manhattan
Jeffrey Epsteins prächtiges Stadthaus in Manhattan
Bebeto Matthews / AP / picturedesk.com

Sondern?
Epsteins Anwälte und sein Bruder Mark bezweifelten die Erkenntnisse aus dem Obduktionsergebnis und ließen ein eigenes Gutachten erstellen, das eine fremdverschuldete Strangulation nicht ausschloss. Und auch, wenn die zuständige Gerichtsmedizinerin sämtliche Argumente widerlegen konnte, war der Verdacht, dass Epstein nicht Suizid begangen haben, sondern das Opfer einer Verschwörung gewesen sein könnte, nicht mehr aus der Welt zu bekommen.

Weshalb hätte man ihn ermorden sollen?
Dafür fanden Verschwörungstheoretiker rasch sehr viele Argumente. Epstein hatte unzählige prominente Bekannte und Freunde, denen er angeblich auch minderjährige Mädchen für Sex zuführte. Er soll diese Begegnungen auf Video aufgezeichnet haben, um etwas gegen seine Freunde in der Hand zu haben. Und nicht zuletzt soll Epstein auch für Geheimdienste – namentlich den israelischen Mossad – tätig gewesen sein. Ein Gerücht, das bis heute nicht völlig entkräftet werden konnte.

Bedeutet unterm Strich?
Es habe genügend Beteiligte gegeben, die ein großes Interesse gehabt haben könnten, dass Epstein nicht vor Gericht aussagt, um sich eine mildere Strafe zu erkaufen.

Wer gehörte zu diesem Bekanntenkreis?
Angeblich mehrere hundert Menschen. Namentlich bekannt sind vor allem der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, die Tech-Mogule Mark Zuckerberg (Meta), Sergey Brin (Google-Co-Gründer), Jeff Bezos (Amazon), Bill Gates (Microsoft) oder der Filmproduzent und verurteilte Sexualstraftäter Hervey Weinstein. Auch der britische Prinz Andrew, Bruder von König Charles III., war eng mit Epstein bekannt und musste alle seine öffentlichen Ämter zurücklegen, nachdem diese Verbindung bekannt geworden war.

Der demokratische Abgeordnete Jared Moskowitz bei einer Parlamentssitzung mit einem Foto von Donald Trump und Jeffrey Epstein aus den 1990er-Jahren
Der demokratische Abgeordnete Jared Moskowitz bei einer Parlamentssitzung mit einem Foto von Donald Trump und Jeffrey Epstein aus den 1990er-Jahren
REUTERS/Kevin Lamarque

Und Donald Trump?
Ja, auch er und Epstein kannten sich seit vielen Jahrzehnten und standen sich eine Zeit lang sehr nahe.

Geht es etwas konkreter?
Die ersten gemeinsamen Fotos von Trump und Epstein stammen von Ende der 1980er-Jahre. Epsteins Villa in Palm Beach (die mittlerweile abgerissen wurde) war keine fünf Gehminuten von Trumps Anwesen Mar-a-lago entfernt. Und nicht zuletzt hatten die beiden das gleiche gesteigerte Interesse an Frauen, worüber der spätere Präsident sogar ganz offen sprach.

Und zwar?
In einem Epstein-Porträt im New York Magazine aus dem Jahr 2002 wird Donald Trump so zitiert: "Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Ein toller Kerl. Es macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Man sagt sogar, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind eher jünger. Kein Zweifel – Jeffrey genießt sein gesellschaftliches Leben." Auch ein Video tauchte aus den NBC-Archiven auf, in dem zu sehen ist, wie Trump und Epstein im Jahr 1992 in Mar-a-lago gemeinsam feiern.

Trotzdem kühlte das Verhältnis später ab?
Ja, angeblich sollen sich die beiden über einem Immobilien-Deal zerkracht haben, dafür gibt es aber keine Beweise. Bestätigt ist allerdings, dass Trump 2007 Epstein ein Hausverbot für seinen Club auferlegte, weil dieser jungen Mädchen unsittlich nachgestellt habe. Also Epstein 2019 verhaftet wurde, erklärte Trump – da bereits Präsident – ihn seit 15 Jahren nicht mehr gesehen zu haben.

Wurde Trump im Zuge der Ermittlungen gegen Epstein etwas vorgeworfen?
Nein. Er tauchte darin zwar auf, weil er und Epstein sich eine gewisse Zeit sehr nahe standen. Aber es wird in den bekannten Dokumenten kein Fehlverhalten Trumps behauptet.

Auf Little St. James Island, die zu den amerikanischen Virgin Islands gehört, besaß Jeffrey Epstein ein Anwesen
Auf Little St. James Island, die zu den amerikanischen Virgin Islands gehört, besaß Jeffrey Epstein ein Anwesen
Zoe Linkson / PA / picturedesk.com

Aber was hat Epstein mit der MAGA-Bewegung zu tun?
Da – wie erwähnt – schon bald nach dem Tod des Finanzmagnaten Gerüchte auftauchten, dass sein Tod ein Auftragsmord gewesen sein könnte, schmückten gewisse Kreise diese Verschwörungstheorie immer weiter aus und bastelten sich eine komplett neue Sicht auf die Ereignisse. In der Welt von "Make America Great Again" und der paranoiden QAnon-Bewegung wurde Epsteins Tod zum zentralen Baustein einer riesigen Weltverschwörungstheorie.

Nämlich, wie geht die?
Epstein habe hunderte prominente Kunden gehabt (alle natürlich entweder Demokraten oder sonst wie Mitglieder einer moralisch verdorbenen Elite), denen er Minderjährige als Sexsklaven zugeführt habe. Mit diesem Wissen (und den geheimen Videos) habe er alle seine Kunden in de Hand gehabt. Und als er verhaftet wurde, hat der "Deep State", also ein klandestiner Staat im Staat, ihn getötet.

Aber was hat Trump damit zu tun?
Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 befeuerte er diese Verschwörungstheorien nach Kräften. Er zeichnete das Bild, dass die gesamte Epstein-Causa eine Verschwörung der Demokraten gewesen sei, und versprach seinen Anhängern wiederholt, dass er – erst einmal im Weißen Haus – diesen Sumpf trocken legen werde.

Und wie sollte das geschehen?
Indem er sämtliche bislang unveröffentlichten Geheimakten über Epstein und sein Netzwerk freigeben lässt. Darunter sollte sich auch Material wie eine streng geheime Kundenliste (die "Client List") befinden, auf der alle Mitglieder dieses Sex-Netzwerkes verzeichnet sind.

Jeffrey Epstein mit seiner früheren Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell. Sie sitzt heute in Florida eine 20-jährige Gefängnisstrafe ab
Jeffrey Epstein mit seiner früheren Lebensgefährtin Ghislaine Maxwell. Sie sitzt heute in Florida eine 20-jährige Gefängnisstrafe ab
SDNY / Zuma / picturedesk.com

Okay, und nach der gewonnenen Wahl?
War Epstein zunächst kein Thema mehr für Trump, er hatte Wichtigeres zu tun. Grönland von Dänemark abpressen, Ministerien und Behörden schließen, etwas in der Art. Aber das Thema der Geheimakten ließ die Medien nicht los, schließlich hatte Trump im Wahlkampf immer wieder vollinhaltliche Aufklärung versprochen. Und dann passierte dem Trump-Team offenbar ein böses Missgeschick.

Was ist geschehen?
Am 21. Februar erklärte Trumps Justizministerin Pamela Bondi auf Fox News, das sie die vielzitierte Kundenliste Epsteins auf ihrem Schreibtisch liegen hätte und dass diese demnächst veröffentlicht werden würde. Einige Tage später erhielten einige ausgesuchte Influencer von Trumps Gnaden eine weiße Mappe mit der Aufschrift "Die Epstein-Akte, Phase eins". Darin fand sich zwar kaum Neues und schon gar keine Kundenliste, diese sollte aber kurz darauf in "Phase zwei" folgen. Nur: Dazu kam es nie.

Wie wurde das begründet?
Gar nicht. Ministerin Bondi druckste, abermals auf Fox News, herum, dass es in den Unterlagen so viele Opfernamen gäbe ("über 200") und man niemanden gefährden wolle, aber eine Liste veröffentlicht würde. Doch nichts geschah – bis zum 6. Juli.

Was war da?
In einer sehr dürftigen Stellungnahme gaben die Bundespolizei FBI sowie das Justizministerium von Pamela Bondi bekannt, dass nun in den Epstein-Akten doch keine neuen Hinweise auf eine mögliche Beteiligung weiterer Prominenter gefunden worden seien. Auch eine Kundenliste sei nicht aufgetaucht – obwohl diese angeblich bereits vier Monate vorher auf Bondis Schreibtisch gelegen ist.

Der britische Prinz Andrew trat von allen öffentlichen Ämtern zurück, nachdem seine Beziehung zu Jeffrey Epstein publik wurde
Der britische Prinz Andrew trat von allen öffentlichen Ämtern zurück, nachdem seine Beziehung zu Jeffrey Epstein publik wurde
Zoe Linkson / PA / picturedesk.com

Was noch?
Es hätten sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass Epstein jemanden erpresst hätte oder gar ermordet worden sei. Um Letzteres zu beweisen, wurde ein Video verlinkt, das den Gang vor Epsteins Zelle in jener Nacht zeigen soll, als dieser Suizid beging. Blöd nur: Dieses Video war geschnitten, es fehlt ein teil – und das, obwohl das FBI zunächst das Gegenteil behauptete.

Und das hat jemand geglaubt?
Von denen, an die diese Botschaft primär gerichtet war, nämlich die unzähligen Verschwörungsgläubigen unter den Trump-Fans, kaum wer. Und so fordern nun von Tag zu Tag immer mehr MAGA-Fans in den sozialen Medien Aufklärung darüber, was hier offenbar nicht bekannt werden soll. Aber schlimmer noch: Zahlreiche Vordenker aus dem rechten Lager schließen sich diesen Forderungen an. Und vor allem: Sie machen Trump für das, was sie eine Vertuschung nennen, verantwortlich.

Wer etwa?
Menschen wie die Influencer Laura Loomer, Tucker Carlson und Alex Jones, aber auch brave Parteigänger wie die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene ("Niemand glaubt, dass es keine Klientenliste gibt") oder der brave Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson ("Ich bin für Transparenz"). Und sogar die Schwiegertochter des Präsidenten, Laura Trump, schloss sich der allgemeinen Forderung nach Transparenz an.

Und was kann Trump dafür?
Jeder geht davon aus, dass es der Präsident selbst gewesen ist, der die Veröffentlichungen von neuem Material gestoppt hat. Das Polit-Portal Axios listet fein säuberlich auf, wann Justizministerin Bondi sowie die beiden FBI-Direktoren Kash Patel und Dan Bongino, beide an sich lupenreine Verschwörungstheoretiker mit großer Social Media-Community, die vor Trumps Wiederwahl regelmäßig "Aufklärung im Fall  Epstein" gefordert hatten, beim Präsidenten vorgesprochen haben. Und das Bild, das sich daraus ergibt, ist eindeutig.

In der Vorstellung mancher Menschen gehörte auch Donald Trump (im Flugzeug zweiter von rechts) zu den Nutznießern von Epsteins "Service"
In der Vorstellung mancher Menschen gehörte auch Donald Trump (im Flugzeug zweiter von rechts) zu den Nutznießern von Epsteins "Service"
BRYAN R. SMITH / AFP / picturedesk.com

Und zwar?
Man kann die Ereignisse so lesen, dass das Trio den Präsidenten über neue Inhalte in den Akten informiert und dieser daraufhin jede weitere Veröffentlichung absagte. Als Folge davon wurde die "Es gibt nichts Neues"-Erklärung veröffentlicht.

Weshalb sollte Trump so etwas anordnen?
Die einfachste Erklärung wäre, dass er selbst – oder jemand, der ihm sehr nahe steht – in den Epstein-Akten auftaucht. Dazu würde auch passen, dass Multimilliardär und Ex-Regierungsberater Elon Musk kurz nach seinem Aus als oberster Sparmeister der Regierung, folgendes Posting auf X absetzte: "Zeit, die große Bombe platzen zu lassen: @realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten. Das ist der wahre Grund, warum sie nicht veröffentlicht wurden. Schönen Tag noch, DJT."

Das behauptet er einfach so?
Er erklärte, es selbst in den Akten gelesen zu haben. Zwar löschte Musk seinen Tweet einige Tage später kommentarlos wieder. Bedeuten muss das allerdings gar nichts.

Die Frage ist ja: Gibt es überhaupt solch eine Kundenliste?
Das ist tatsächlich schwer zu beantworten. Allerdings: Weshalb sollte die Justizministerin ohne Not lügen, indem sie sagt, die Liste liege bei ihr am Tisch und werde von ihr vor Veröffentlichung persönlich überprüft? Es muss ihr klar gewesen sein, dass sie die Sache nur schlimmer macht, wenn sie behauptet, etwas zu haben, dass es tatsächlich gar nicht gibt. Warum sollte sie das also tun?

Und was macht Trump?
Das, was er in Situationen, in denen er sich angegriffen oder in die Ecke gedrängt fühlt, immer macht: Er schlägt wild um sich und versucht gleichzeitig, vom Thema abzulenken. Pressevertreter, die ihn auf das Thema ansprechen, kanzelt er ab, seine MAGA-Anhänger beschimpft er, auf Truth Social fragt er scheinheilig, was "mit meinen Jungs und Mädels" denn los sei.

Trump mit seinem früheren Berater Elon Musk im März 2025 im Weißen Haus: "@realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten", postete der Milliardär wenig später auf X
Trump mit seinem früheren Berater Elon Musk im März 2025 im Weißen Haus: "@realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten", postete der Milliardär wenig später auf X
ROBERTO SCHMIDT / AFP / picturedesk.com

Wie reagieren seine Anhänger?
Großteils mit Unverständnis. Sie hätten Trump vor allem auch deshalb gewählt, weil er für "Transparenz" stehen wollte. Nun würde Trump jedoch vielmehr selbst jene "Eliten-Pädos" decken, obwohl er doch das Gegenteil versprochen hatte.

Wird sich die Lage bald wieder beruhigen?
Im Moment sieht es nicht danach aus. Anders als wir es in Europa wahrnehmen, ist das Thema in den USA riesig. Und jede Stunde gießt ein anderer Influencer mit Millionen-Gefolgschaft neues Öl ins Feuer. So rasch wird der Präsident die Sache nicht los, auch wenn er noch so sehr flucht und seine Anhänger beschimpft.

Könnte der "Fall Epstein" zum Sprengsatz für die MAGA-Bewegung werden?
Eine Belastung ist er auf jeden Fall, und zwar mit Abstand die größte seit Trumps Wiederwahl. Noch dazu kommt das ganze zur Un-Zeit: Trumps Fans sind ohnedies sauer, weil er doch wieder Waffen in die Ukraine schickt und zuvor den iran hat bombardieren lassen – zwei Konflikte, aus denen sich die USA nach MAGA-Ansicht heraushalten sollten.

Nach wie vor hängen viele Menschen in den USA der Idee an, dass Jeffrey Epstein im Gefängnis keinen Suizid begangen hat
Nach wie vor hängen viele Menschen in den USA der Idee an, dass Jeffrey Epstein im Gefängnis keinen Suizid begangen hat
BRYAN R. SMITH / AFP / picturedesk.com

Was sollte der Präsident tun?
Vor allem erkennen, wie sehr das Thema der Epstein-Akten seinen Wählern unter den Nägeln brennt. Indem er Leute, die in dieser Sache nachfragen, als "schlechte Menschen" bezeichnet, wird er seine Beliebtheitswerte nicht steigern. In den Augen des MAGA-Lagers verrät Trump gerade einen der fundamentalsten Werte der Bewegung, denn er nimmt die eigene (Verschwörungs-)erzählung nicht mehr ernst. Je rascher Trump das erkennt, desto schneller wird er auch die Situation wieder in den Griff bekommen.

Und wenn nicht?
Dann könnte der Absturz der Republikaner bereits bei den Midterm-Wahlen in einem Jahr noch gravierender ausfallen, als es ohnedies erwartet wird. "Wenn wir zehn Prozent der MAGA-Leute verlieren", so der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon, "dann sind wir nächstes Jahr 40 Sitze (im Repräsentantenhaus, Anm.) los und danach die Präsidentschaft."

* Suizid-Gedanken? Hier gibt es Hilfe!

Martin Kubesch
Akt. 17.07.2025 05:21 Uhr