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Dickpicks, Beschimpfungen

Autorin mit Vergewaltigung bedroht – aber Justiz will nicht ermitteln

Die Publizistin Veronika Bohrn Mena erhielt ein beängstigendes Mail, gespickt mit sexuellen Drohungen und pornografischen Bildern. Sie zeigte den Fall an – und nichts geschah. Obwohl der Täter seine Identität offenbar nicht einmal verschleiert hat. Die Hintergründe.

"Schon weit über 100 derartige Nachrichten erhalten": Veronika Bohrn Mena
"Schon weit über 100 derartige Nachrichten erhalten": Veronika Bohrn MenaBohrn Mena
Martin Kubesch
Akt. 25.10.2025 00:31 Uhr

Es sind Sätze, die treffen wie Faustschläge. "Wenn i di sehe bekomst mein teil rein. (…) du bist die nächste."

Anfang August erhielt die Veronika Bohrn Mena Post von einem Unbekannten. Inhalt: wüste Drohungen, Beschimpfungen, Vergewaltigungs-Ankündigungen, vieles davon lässt sich gar nicht wiedergeben. "Illustriert" war das Mail mit Ekel erregenden pornografischen Bildern. Bohrn Mena weiß bis heute nicht, was den Schreiber so gegen sie aufgebracht haben könnte.

Die Autorin – sie leitet gemeinsam mit Ihrem Mann Sebastian die "Gemeinwohlstiftung Común" und engagiert sich für Arbeitnehmerrechte – zeigte die Mail umgehend bei der Polizei an. die Beamten leiteten den Sachverhalt an die zuständige Staatsanwaltschaft weiter. Danach geschah viele Wochen lang – relativ wenig.

Nun erhielt Bohrn Mena schließlich doch noch Post von der Justiz: Keine Bedrohung erkannt, Ermittlungen eingestellt.

So wie Veronika Bohrn Mena ergeht es vielen Frauen in Österreich, jeden Tag. Sie werden mit obszönen Bildern und Nachrichten belästigt, beschimpft, es wird ihnen gedroht.

Nur ein Bruchteil dieser Delikte wird von den Betroffenen auch zur Anzeige gebracht. Und diejenigen, die sich mit solchen Belästigungen und Bedrohungen nicht abfinden wollen, müssen immer wieder erleben, dass ihre Sorgen und Ängste von den Behörden oft nur bedingt ernst genommen werden. Der aktuelle Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation. Das müssen Sie darüber wissen:

Sexuelle Belästigung im Internet, ob durch anzügliche Texte  oder eindeutige Bilder, wird von vielen Männern als "Kavaliersdelikt" gesehen
Sexuelle Belästigung im Internet, ob durch anzügliche Texte oder eindeutige Bilder, wird von vielen Männern als "Kavaliersdelikt" gesehen
iStock (Symbolbild)

Wie lief der Vorfall im Detail ab?
Anfang August 2025 erhielt Veronika Bohrn Mena an ihre öffentliche Mailadresse mehrere Mails von einem ihr unbekannten Mann. IN dem Schreiben wird sie beschimpft und es wird ihr unverhohlen – auch sexuelle – Gewalt androht. Der Absender prahlt damit, dass er bereits einmal eine Frau vergewaltigt habe.

Den in dürftigem Deutsch verfassten Text waren Fotos und Illustrationen beigefügt. In einem Mail fanden sich zudem ein Männer-Porträt sowie zwei Penis-Bilder.

Wie lauteten die Drohungen?
"Meine geile F …, mein Schw … wartet auf dich. Wenn ich dich sehe, bekommst ihn in deine Gesindela … (…) wenn i di sehe bekomst mein teil rein. Bin drauf speziall, vor par jahren hab auch ne frau gegen ihren willn venascht. Tut gut du bist die nächste."

Wie hat Veronika Bohrn Mena darauf reagiert?
Sie brachte die Mails bei der Polizei in Schrems im Waldviertel zur Anzeige, es ist die für ihren Wohnsitz zuständige Dienststelle. Das entsprechende Delikt nennt sich Gefährliche Drohung (§ 107 Abs. 1 des Strafgesetzbuches). Strafdrohung: bis zu einem Jahr Haft.

Wie ging es weiter?
Die Polizei leitete die Anzeige an die Staatsanwaltschaft in Krems an der Donau weiter. "Strafrechtliche Delikte werden in Krems behandelt, während medienrechtliche Anzeigen von der Staatsanwaltschaft in Gmünd bearbeitet werden", sagt die 39-Jährige.

Was ist mit den Penis-Bildern?
An sich wäre auch das unerwünschte Versenden von Genitalbildern (sogenannten "Dickpics") mittlerweile ein Straftatbestand. Am 1. September dieses Jahres trat eine entsprechende Änderung im Strafgesetzbuch in Kraft (§ 218). Das Strafmaß dafür beträgt bis zu sechs Monate Haft.

Aber?
Da die Autorin besagtes Mail bereits Anfang August erhalten hat, fallen die entsprechenden Bilder noch nicht unter diese Regelung. Wäre das Mail am 1. September bei ihr eingelangt, hätte sie auch diesen Straftatbestand anzeigen können.

Die Regierung brachte heuer ein Dickpic-Verbot auf den Weg, es ist seit 1. September gültig
Die Regierung brachte heuer ein Dickpic-Verbot auf den Weg, es ist seit 1. September gültig
Picturedesk

Hat es der Absender des Mails den Behörden schwer gemacht, ihm auf die Schliche zu kommen?
Ganz im Gegenteil. Das Mail wurde von einer Adresse verschickt, bei welcher der (ein) Name Bestandteil der Adresse ist. Den selben Namen verwendet der Absender auch in seinem Pamphlet.

Man weiß aber nicht, ob das tatsächlich der Name des Absenders ist, richtig?
Genau, dafür gab es zunächst keinen Beweis. Auch das im Mail versendete Männerporträt kann, muss aber nicht den Absender der Nachricht zeigen. Es könnte sich um einen Identitätsdiebstahl handeln, es könnten auch ein Phantasie-Name und irgendein Bild sein, die hier verwendet wurden.

Wie kann man feststellen, ob Name und Foto echt sind?
Das festzustellen wäre die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Dafür muss sie die Polizei mit Ermittlungen beauftragen. Und die Betonung liegt auf muss, denn Gefährliche Drohung ist ein Offizialdelikt, die Behörde muss ermitteln. Die angebliche Vergewaltigung hingegen, die der Absender in dem Mail andeutet, könnte genauso gut schlichte Angeberei sein. Hier zu ermitteln, was tatsächlich geschehen sein könnte, ist ohne eine Anzeige eines Opfers so gut wie unmöglich.

Wie agierte die Staatsanwaltschaft?
Am 22. Oktober, also zweieinhalb Monate, nachdem die Anzeige erfolgte, erhielt Veronika Bohrn Mena ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Krems, in dem diese ihr lapidar mitteilte, dass sie "keinen Grund zur weiteren Verfolgung" gefunden hätte und das Ermittlungsverfahren einstellt.

Wer wurde bei den Ermittlungen verfolgt?
Jener Mann, dessen Name in dem Mail angegeben gewesen ist. Der existiert nämlich offenbar wirklich. Auch sein Geburtsdatum war mittlerweile bekannt.

Wird begründet, weshalb die Ermittlungen eingestellt worden sind?
"Eine Tatbegehung (durch den im Mail genannten Namen, Anm.) konnte nicht nachgewiesen werden. Das Verfahren gegen den unbekannten Täter wurde abgebrochen", ist die einzige Begründung, die Veronika Bohrn Mena genannt bekommen hat.

Was bedeutet das?
Für Robert Kerschbaumer, den Rechtsanwalt von Veronika Bohrn Mena, heißt das vor allem eines: "Was tatsächlich nicht nachgewiesen werden kann, ist der ernsthafte Ermittlungswille der Staatsanwaltschaft."

Was wurde alles nicht gemacht?
Anwalt Kerschbaumer: "Kein Rechtshilfeersuchen an den E-Mail-Anbieter. Keine Anfragen bei Facebook oder Twitch nach Login-Daten und IP-Adressen. Keine forensische Auswertung der mitgeschickten Bilddateien. Keine Nachschau bei der beschuldigten Person. Die Ermittlungen wurden faktisch nie begonnen", so der Jurist.

Ist die Sache mit der Einstellung endgültig vom Tisch?
Nein. Zum einen machte Bohrn Mena die Sache auf ihrem Bluesky-Account jetzt auch öffentlich. Und zum anderen stellte sie über ihren Anwalt beim Landesgericht Krems einen Fortführungsantrag. Auf fünf A4-Seiten listet Kerschbaumer, der einige Erfahrungen mit derartigen Delikten hat, auf, wie sich die Ermittlungen gestalten hätten können, wenn man die Sache bei der Staatsanwaltschaft ernst genommen hätte.

Wie geht es nun weiter?
Anhand dieses Antrags, der gleich dazu detaillierte Vorgehensweisen vorschlägt, muss das Gericht nun entscheiden, ob die Einstellung des Verfahrens dennoch rechtmäßig gewesen ist, oder ob die Staatsanwaltschaft doch weiter ermitteln muss.

Was kostet dieser Fortführungsantrag?
Auf jeden Fall die Anwaltskosten. Für Veronika Bohrn Mena ist das die Sache aber dennoch wert: "Opfer sexualisierter Gewaltandrohungen haben Anspruch auf ernsthafte, zumutbare Ermittlungen", so die Autorin. Gleichzeitig macht sie sich allerdings auch Gedanken, wie viele von derartigen Übergriffen und Bedrohungen betroffene Frauen tatsächlich bereit sind, diesen Weg zu gehen.

Weshalb diese Zweifel?
"Das alles ist unglaublich zeitaufwändig, es kostet Geld und man benötigt fast immer juristische Unterstützung, weil man sich sonst im Paragrafendschungel verirrt", berichtet Bohrn Mena, die aus langjähriger Erfahrung spricht. "Und ich bin sehr skeptisch, dass sich wirklich viele Frauen das alles antun, um dann am Ende dennoch mit leeren Händen dazustehen."

Wie oft hat sie bereits derartige Belästigungen angezeigt?
"Sehr oft, ich weiß gar nicht mehr, wie viele Anzeigen ich schon eingebracht habe", so Veronika Bohrn Mena.

Und war eine davon erfolgreich?
"Nein, keine einzige. Es ist immer alles von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden."

Hat sie auch schon einmal einen Fortführungsantrag eingebracht?
"Das war jetzt das dritte Mal. Bei den ersten beiden Malen ist aber am Ende auch nicht das Geringste rausgekommen."

Was sie nicht den Mut verlieren lässt?
"Es ist wichtig, diese Dinge zu verfolgen, weil viele Frauen von diesen Widerwärtigkeiten betroffen sind ", so Veronika Bohrn Mena. "Gleichzeitig muss ich aber eingestehen, dass es einigermaßen frustrierend ist, wenn man sieht, dass man nicht ernst genommen wird."

Wie viele Mails und Nachrichten dieser Art sie bekommt?
"Früher kam sowas höchstens ein, zwei Mal im Jahr. Mittlerweile kommen mindestens einmal im Monat solche Nachrichten, manchmal – so wie hier – auch öfter. Und es langen alle Arten von Nachrichten ein – Mails, Messages, Sprachnachrichten und sogar echte Briefe. Insgesamt habe ich auf jeden Fall schon weit über 100 derartige Nachrichten erhalten."

Kennt Sie die Absender der Nachrichten?
"Nein, ich habe noch nie jemanden von den Absender gekannt. Ich weiß auch nicht, weshalb diese Männer mir schreiben."

Nicht jeder Online-Belästiger agiert mit seinem richtigen Namen, viele verstecken sich hinter Alias-Namen und verschleiern ihre wahre Identität
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Getty Images

Hat sich die "Qualität" der Nachrichten verändert?
"Ja, der Ton wird allgemein immer rauher, aggressiver, vulgärer, untergriffiger und obszöner. Und die Bilder, die oft mitgeschickt werden, werden auch immer grauslicher."

Hat sich schon jemals aus einer solchen Nachricht eine echte Bedrohungssituation ergeben?
"Nein, zum Glück nicht, es ist bisher alles auf der Online-Ebene geblieben."

Kennt sie Fälle, wo die Ermittlungen der Behörden zu einem Ergebnis und vielleicht sogar zu einer Verurteilung geführt haben?
Nein, ich kenne keinen einzigen Fall, wo eine Anzeige mehr gebracht hätte als in meinen eigenen Fällen."

Woran das liegt?
"Ich denke, dass die Behörden mit der Bearbeitung dieser Delikte heillos überfordert sind", so Veronika Bohrn Mena. "Die Zahl der Belästigungen steigt permanent, dafür gibt es offenbar einfach zu wenig Personal. Aber dann muss man das den Menschen auch ehrlich sagen. Es ist unfair und unbefriedigend, wenn es zwar die entsprechenden Gesetze gibt, diese aber nicht angewendet werden können."

In der Gruppe der 15-bis 17-Jährigen hat bereits jeder Zweite Erfahrungen mit sexueller Belästigung im Internet gemacht
In der Gruppe der 15-bis 17-Jährigen hat bereits jeder Zweite Erfahrungen mit sexueller Belästigung im Internet gemacht
Getty Images

Weiß man, wie viele Frauen in Österreich Opfer von derartigen Übergriffen im Internet werden?
Die verfügbaren Zahlen sind sehr unzuverlässig. Am besten untersucht ist die Situation noch bei Jugendlichen. Aus einer aktuellen Umfrage von saferinternet.at vom Februar 2025 weiß man, dass etwa 38 Prozent der Befragten (11 bis 17 Jahre alt) Erfahrungen mit sexueller Belästigung im Internet gemacht haben. Bei den älteren Jugendlichen (15 bis 17 Jahre alt) sind es sogar 51 Prozent.

Bildet das die tatsächliche Situation ab?
Man geht davon aus, dass die Dunkelziffer – zumal bei erwachsenen Frauen – wesentlich höher liegt.

Martin Kubesch
Akt. 25.10.2025 00:31 Uhr