Der wertvollste Edelstein des letzten Kaisers tauchte nun in Kanada auf. Jetzt lässt Vizekanzler Babler prüfen, wem er zusteht: "Falls sich herausstellt, dass der Florentiner Diamant Eigentum der Republik Österreich ist, werde ich den Prozess zur Rückholung einleiten."

Ein Schatz, der nicht nur von historischer Bedeutung ist, sondern auch enormen finanziellen Wert hat, weckt allerhand Begehrlichkeiten.
Sensationsfund Der Enkel des letzten Kaisers hat vermutlich schon geahnt, was kommen würde, als er am Donnerstag, dem 6. November, die Bombe platzen ließ. Historische Juwelen des Herrscherhauses von unermesslichem Wert, die hundert Jahre lang als verschollen galten, seien plötzlich wieder aufgetaucht, so Karl Habsburg.
Und der Ex-Politiker und Unternehmer ist sich sicher, dass die Republik keinen Zugriff auf die Preziosen hat – die "Habsburger-Gesetze" hätten hier keine Gültigkeit, so der Kaiserenkel auf der eigens gestalteten Homepage Habsburg Heritage.
Babler lässt prüfen Der Kaiser-Enkel weiß, wie die heimische Politik tickt. Denn Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler (SPÖ) ließ schon wenige Stunden nach Bekanntgabe des Sensationsfundes verkünden, dass er unverzüglich prüfen lassen werde, wem die Juwelen rechtmäßig zustehen.
"Falls sich herausstellt, dass der Florentiner Diamant (eines der wieder aufgetauchten Schmuckstücke, Anm.) Eigentum der Republik Österreich ist, werde ich den Prozess zur Rückholung des Juwels einleiten." Und der Vizekanzler weiter: "Mein Büro steht diesbezüglich außerdem schon in Kontakt mit der österreichischen Botschaft in Kanada."

Das Adelsgeschlecht der Habsburger stammt ursprünglich aus der Schweiz und wurde um das Jahr 1000 nach Christus von Radbot von Habsburg (ca. 985 bis 1045) begründet. Ab dem Jahr 1282 regierten die Habsburger Österreich durchgehend bis 1918.
Von lokalen "Playern" zur Großmacht In dieser Zeit entwickelte sich das Haus Habsburg von einer regionalen Adelsfamilie zu einer der mächtigsten Dynastien Europas, die zeitweise auch den römisch-deutschen Kaiserthron, Spanien, Böhmen, Ungarn und große Teile Italiens und der Niederlande beherrschte.
Neben Ländern und Regentschaften sammelten die Habsburger dabei auch allerhand Schätze zusammen. Mit den Jahrhunderten fielen kostbarste Edelsteine und einzigartige Kunstschätze in ihre Hände. Und zu den wertvollsten Gegenständen, die auf diese Art in den Besitz des Herrscherhauses kamen, zählte seit dem 18. Jahrhundert der sogenannte Florentiner Diamant
Der Florentiner Diamant Dabei handelt es sich um einen äußerst seltenen gelben Diamanten von ungewöhnlicher Reinheit und Größe. Der Stein hat ein Gewicht von mehr als 137 Karat in geschliffenem Zustand , sein wert lässt sich kaum beziffern. Schätzungen gehen davon aus dass der Diamant rein materiell zwischen 40 und 100 Millionen Dollar wert sein könnte.
Woher der Stein stammt, ist nicht überliefert. Als gesichert gilt, dass er im 15. Jahrhundert dem Burgunder-Herrscher Karl dem Kühnen gehört hat, danach kam er über Umwege in den Besitz der florentinischen Herrscherfamilie Medici und von der dort ging er 1737 in den Besitz von Franz Stephan von Lothringen über, dem Ehemann von Erzherzogin Maria Theresia von Österreich.
Seither betrachten die Habsburger den Florentiner als ihren Besitz. Und bewahrten ihn mit hunderten, ja tausenden weiteren Juwelen, Edelsteinen, Schmuckstücken und Kunstschätzen in der Schatzkammer in der Wiener Hofburg auf.

Als sich im Herbst 1918 der Erste Weltkrieg dem Ende zuneigte, war auch das Ende der Habsburger-Herrschaft abzusehen. Österreich-Ungarn zerfiel und der junge Kaiser Karl I., gerade 31 Jahre alt, schickte Anfang November seine vertrauenswürdigsten Offiziere in die Schatzkammer, um so viele Stücke des Familienschmucks wie möglich in Sicherheit zu bringen, ehe ihm die Macht vollständig entglitt.
Per Zug in die Schweiz Karls Oberstkämmerer Leopold Graf Bechthold nahm zahlreiche Schmuckstücke, darunter auch den Florentiner, an sich und brachte diese auf Geheiß des Kaisers am 4. November 1918 mit dem Zug in die Schweiz. Er fuhr nach Zürich und hinterlegte die Wertsachen bei der Schweizerischen Nationalbank.
Am 11. November 1918 trat Karl schließlich als Kaiser von Österreich und am 13. November als König von Ungarn ab und zog sich mit seiner Familie – seiner Ehefrau Kaiserin Zita und den insgesamt acht Kindern – auf Schloss Eckartsau im Marchfeld zurück.

Während in Wien und den Hauptstädten der ehemaligen Kronländer die Zeichen eindeutig auf Demokratie standen, überlegte Kaiser Karl, wie er die Macht wieder ergreifen und die Monarchie erneut errichten könnte. Er und seine Familie emigrierten auf Druck vor allem des britischen Königs Georg V. 1919 schließlich in die Schweiz, da dieser nach den Ereignissen in Russland – der bolschewistischen Revolution und der Ermordung der Zaren-Familie – auch in Österreich das Schlimmste befürchtete.
Der Schatz wird verkauft In der Schweiz angekommen, widerrief Karl seine Abdankung und versuchte in der Folge, seine Kräfte neu zu bündeln, um in Österreich und Ungarn wieder an die Macht zu kommen. Dafür benötigte der Ex-Monarch allerdings Geld.
Karl begann über Mittelsmänner, Kontakt mit Edelsteinhändlern aufzunehmen, um den Familienschatz, der in der Schweizer Nationalbank schlummerte, zu versilbern. Einige besonders wertvolle Stücke behielt er allerdings zurück, weil er sie keinesfalls zu Geld machern wollte, darunter auch der Florentiner.
Putschversuch in Ungarn Im Oktober 1921 versuchte Karl, in Ungarn wieder den Thron zu besteigen, doch der Versuch scheiterte. Und anstatt in die Schweiz zurückzukehren, wo sich nach wie vor sein Familienschatz befand, musste der letzte Kaiser ein britisches Kriegsschiff besteigen und aus Europa weggeschafft – es sollte für immer sein.

Mit dem britischen Donauschiff "Glowworm" wurde die kaiserliche Familie bis zum Schwarzen Meer gebracht. Dort ging man an Bord des Kreuzers Cardiff und fuhr über das Mittelmeer und Gibraltar nach Madeira. Dort kamen Karl und Zita am 19. November 1921 an, die Kinder folgten im Februar des Folgejahres.
Ein Exil fernab der alten Heimat Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs hatten beschlossen, dass Karl nie wieder in seinem alten Machtbereich Einfluss erlangen sollte und verbannten ihn auf den Atlantik.
Und während sich die Habsburgs noch auf der unerwartet feuchten und kalten Insel einrichteten, wurden ihre Juwelen in Zürich von einem Vertrauten des Kaiser-Paares ausgelöst – der Florentiner und weitere Geschmeide waren gegen eine Millionen-Summe als Pfand gegeben worden, um Karl Mittel für seine – letztlich gescheiterte – Thronbesteigung an die Hand zu geben.
Was danach mit den Juwelen geschah, ist eines der ganz großen Rätsel in dieser Geschichte.

Im März 1922 erkältete sich Karl auf Madeira, trotzdem wurde zunächst kein Arzt zugezogen. Als man nach zwei Wochen schließlich doch ärztliche Hilfe holte, hatte Karl eine schließlich bereits eine schwere Lungenentzündung. Obwohl drei Ärzte in das Haus der Familie zogen, um bei dem Kranken zu sein, erholte sich Karl Habsburg-Lothringen nicht mehr und starb am 1. April 2022 im Alter von 34 Jahren.
Die Familie auf Wanderschaft Für seine Witwe, Ex-Kaiserin Zita, und die acht Kinder begannen Jahre der Wanderschaft. Sie gehen nach Spanien, lassen sich in Belgien nieder, als die Nazis Westeuropa überrennen fliehen die überzeugten Antifaschisten schließlich in die neue Welt. In Kanada, konkret in der ostkanadischen Provinz Québec, lässt sich die Familie nieder und wartet das Ende des Krieges ab.

Doch die Juwelen, die das letzte Mal im Herbst 1921 nachweislich aufgetaucht sind, gelten als verloren. Und auch innerhalb der Familie Habsburg ist der Familienschatz kein Thema. Es gibt anderes zu tun. Vor allem Otto Habsburg, ältester Sohn von Karl und Zita und Vater von Karl Habsburg, macht sich als Europa-Politiker einen Namen, nachdem die Familie Anfang der 1950er-Jahre zurückgekehrt ist.
Karl Habsburg weiß von nichts Für Kaiser-Enkel Karl Habsburg ist der Familienschatz nicht mehr als ein Mythos. Im Spiegel, dem er seine Geschichte exklusiv erzählt hat, erinnert er sich, dass sein Vater Otto Habsburg das Thema "mal im Vorbeigehen erwähnt" habe. "Ich habe ihm damals aber keine Bedeutung beigemessen und nicht weiter daran gedacht", so der 64-Jährige heute.

Jedenfalls bis zum vergangenen Jahr. Denn da hätten ihn zwei Cousins, also die Söhne von zweien seiner insgesamt vier Onkel väterlicherseits, kontaktiert – es gäbe etwas zu besprechen. Es stellte sich bald heraus, dass der vermeintlich verlorene Familienschatz der Habsburgs in Wahrheit niemals weg gewesen sei. Karls Großmutter Zita hätte diesen vielmehr jahrelang in einem kleinen braunen Lederkoffer immer bei sich gehabt, auf allen ihren Reisen und Fluchten quer durch Europa.
Sicheres Exil in Kanada Erst als die Familie sicher in Kanada angekommen sei, hätte sie Vertrauen gefasst und den Schatz im Safe einer Bank deponiert. Und dort, so die Cousins zu Karl Habsburg, würden die wertvollsten Juwelen der Habsburger, darunter auch der einzigartige Florentiner, nach wie vor liegen.
Denn Zita hatte auch verfügt, dass frühestens hundert Jahre nach dem Tod von Kaiser Karl über den Verbleib des Schatzes gesprochen werden dürfe. Und nur zwei männliche Vertreter der Familie durften Bescheid wissen. Die beiden Onkel von Karl gaben ihr Wissen vor ihrem Tod an ihre Söhne weiter, die nun, nach Ablauf der Frist, zu Karl kamen um zu beratschlagen, wie es jetzt weiter gehen sollte.

Also reiste Karl Habsburg mit seinen Cousins und dem Wiener Juwelier Christoph Köchert nach Kanada, um den Schatz der Habsburger zu heben. Und sie entdeckteneinzigartige Preziosen. Etwa eine in einen Smaragd eingebaute Uhr, die Maria Theresia für ihre Tochter Marie-Antoinette anfertigen hat lassen – die Frau von König Ludwig XVI., die in der Französischen Revolution unter der Guillotine starb.
Oder eine Busenschleife aus Rubinen, Smaragden und Diamanten in den ungarischen Landesfarben, die einst Sisi gehörte. Und natürlich der Florentiner, jener große gelbe Diamant von 137 Karat. "Man hat selten so einen perfekten Stein", erklärt Juwelier Christoph Köchert im Spiegel. "Das ist einer der bekanntesten Diamanten der Welt."
Der Wert des Schatzes ist unermesslich Zu einer Schätzung, wieviel all die Juwelen, die nach wie vor in dem kleinen braunen Lederkoffer in der Bank in Kanada liegen, wert sein könnten, will sich der Traditionsjuwelier auf Nachfrage nicht festlegen. "Den Wert eines Schmuckstücks erfährt man erst, wenn man es verkauft", so Christoph Köchert kryptisch.
Wer sich allerdings umhört erfährt bald, dass ein Stein wie der Florentiner alleine schon von seinem Gewicht und seiner Reinheit her locker 30 oder 40 Millionen Dollar einbringen könne. Und da sind seine spezielle Farbe und seine einzigartige Geschichte noch gar nicht mitgerechnet. Würde er versteigert, wären auch Erlöse von 80 Millionen oder mehr möglich, so Kenner der Edelsteinszene.
Allerdings sind nicht alle Juwelen, die 1918 aus der Schatzkammer in der Hofburg entnommen wurden, wieder aufgetaucht. Juwelier Christph Köchert, dessen mehr als 200 Jahre alter Familienbetrieb jahrzehntelang für das Kaiserhaus Schmuck und Juwelen fertigte, brachte eine Liste aller verschwundenen Schmuckstücke mit nach Kanada. Ergebnis: Einige Stücke fehlen.
Was nicht wieder aufgetaucht ist "Unter anderem ein Brillantdiadem mit einem Diamanten von 44 Karat, eine Smaragdgarnitur aus Diadem, Korsage und Collier, das berühmte Rosencollier von Maria Theresia und Kaiserin Sisis Diamantkrone", listet der Spiegel auf. Gut möglich, dass diese Schmuckstücke seinerzeit in Zürich zerteilt wurden, um Geld für Karls Thron-Wiederbesteigung locker zu machen. Gesichert wird man das nie mehr erfahren.

Denn die einzige Person, die darüber hätte Bescheid wissen können, war Kaiserin Zita, und die starb 1989 im Alter von 96 Jahren. Und soweit es überliefert ist, sprach sie nie wieder öffentlich über den verschwundenen Schatz der Habsburger.
"Streng genommen war der Schmuck ja nie weg", übt sich Familienoberhaupt Karl Habsburg im Spiegel in Spitzfindigkeiten. "Es wussten halt nur sehr wenige Menschen, wo er war."
Wo er allerdings in Zukunft sein wird, weiß Habsburg ganz genau – zumindest wenn es nach seinen Vorstellungen geht. Die verbliebenen Preziosen wurden in eine Stiftung eingebracht und sollen der Öffentlichkeit gezeigt werden - zunächst allerdings nur in Kanada.
Dankbarkeit Es sei eine "Geste der Dankbarkeit" gegenüber dem Land, sagt Karl Habsburg. Ob auch Respekt vor dem Ehrgeiz der Republik Österreich mitschwingt, die Juwelen in ihren Besitz zu bringen, sei dahingestellt. Immerhin hat sie bereits in den 1920er-Jahren die sogenannten Habsburger-Gesetze erlassen, die sämtliche Besitztümer des Herrscherhauses der Republik zusprachen.
Ob das auch für den geheimen Schatz der Habsburger gelten könnte, wird sich zeigen. Aus dem Büro von Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler ist jedenfalls zu hören, dass man das sehr ernst nehme: "Wir werden uns die Sache ganz genau anschauen."