Nach dem Tod des rechten Influencers Charlie Kirk verspottete er Trump. Nun ist TV-Talker Jimmy Kimmel seinen Job los und Trump droht allen TV-Sendern mit dem Zusperren. Die Hintergründe und eine Frage: Ist Präsidenten-Kritik ab jetzt ein berufliches Todesurteil?
Über 22 Jahre war er mit "Jimmy Kimmel Live!" ein fixer Bestandteil des US-Fernsehmarktes. Am Mittwochabend wurde seine Show "mit sofortiger Wirkung" abgesetzt. Die Mittwoch-Ausgabe wurde erst gar nicht mehr ausgestrahlt. Die Maßnahme sei vorübergehend, heißt es vom TV-Sender ABC, aber niemand rechnet mit einer Rückkehr.
Grund für die radikale Maßnahme war die Sendung vom Montag. Darin führte Kimmel US-Präsident Donald Trump vor. Er präsentierte den 79-Jährigen in Video-Clips als Narren, der nicht in der Lage sei, angemessen um seinen angeblichen Freund, den rechten Influencer Charlie Kirk, zu trauern.
Der Rauswurf passt ins Bild. TV-Sender zahlen freiwillig Millionensummen, weil Trump ihnen mit Klagen droht. Klassische Medien folgen. Erst am Dienstag forderte Trump von der New York Times 15 Milliarden Dollar Schadenersatz, weil die Zeitung einen Vorabdruck eines kritischen Buches über ihn publiziert hatte.
Eine TV-Talkshow zu haben, galt in den USA jahrzehntelang als Privileg, nun ist es ein Schleudersitz. Schon im Juli zog CBS bei seinem beliebtesten Night-Talk den Stecker. "The Late Show" mit Stephen Colbert, die seit 2015 läuft, wird im Mai 2026 eingestellt. Offizieller Grund: Kosten.
Aber alle wussten: Trump hasst Colbert, nannte ihn "schwach" und "untalentiert". Als seine Absetzung bekannt wurde, postete er: "Ich liebe es, dass Colbert rausgeschmissen wird. Er hatte noch weniger Talent als Quoten."
Nach dem Kimmel-Ende wuchs beim Präsidenten nun der Appetit. Er griff auch die Talker Jimmy Fallon und Seth Meyers an, nannte sie "zwei totale Verlierer" und forderte NBC auf, als nächstes ihre Shows abzusetzen. Und er drohte missliebigen TV-Sendern mit dem Entzug der Sendelizenz. Was Trump sagte, was man über das neue Medien-Amerika wissen muss:*
Wie reagierte Trump auf Kimmels Ende?
Auf seinem Rückflug in die USA vom Staatsbesuch in Großbritannien äußerte sich der Präsident in der Air Force One gegenüber mitreisenden Reportern. Es gibt ein Transkript der Audioaufnahmen, die Journalisten miteinander teilten.
Was sagte Trump?
"Ich habe irgendwo gelesen, dass die Sender zu 97 Prozent gegen mich waren. Noch einmal, 97 Prozent dagegen, und trotzdem habe ich gewonnen, und zwar mühelos. Ich habe alle sieben Swing States gewonnen, die Mehrheit der Stimmen, ich habe alles gewonnen. (unverständliche Worte). Sie bekommen eine Lizenz. Ich fände es vielleicht besser, ihnen die Lizenz zu entziehen."
Das wird Brendan Carr (Vorsitzender der Regulierungsbehörde Federal Communications Commission, Anm.) entscheiden. Ich finde Brendan Carr ist hervorragend. Er ist ein Patriot, er liebt unser Land und er ist ein harter Kerl. Mal sehen.“
Etwas später sagte der Präsident: "Wenn man einen Sender hat und Abendsendungen ausstrahlt und alles, was sie tun, ist, Trump anzugreifen, das ist alles, was sie tun. Wenn man zurückblickt, hat jemand gesagt, dass es dort seit Jahren keine konservative Sendung mehr gab. Wenn man zurückblickt und nachschaut, wird man feststellen, dass alles, was sie tun, ist, Trump anzugreifen. Sie haben eine Lizenz. Das ist ihnen nicht gestattet. Sie sind ein Arm der Demokratischen Partei."
Zurück zum Anfang: Wer ist Jimmy Kimmel?
In den USA bekannt wie ein bunter Hund. Geboren in Brooklyn, New York. Als Kind zog er mit seiner Familie nach Las Vegas, Nevada, um. Er hat Vorfahren deutscher, italienischer, irischer und albanischer Abstammung.
Italien, da war doch was?
Ja, vielleicht so etwas wie kluge Voraussicht. Im August beantragte und erhielt Kimmel die italienische Staatsbürgerschaft. Er ist seither Doppelstaatsbürger. Der Gedanke dahinter: Sollte er aufgrund der Interventionen von US-Präsident Trump seinen Job beim Sender ABC verlieren ...
Wie wurde Kimmel bekannt?
So richtig erst ab dem 26. Januar 2003. Da startete auf ABC "Jimmy Kimmel Live!", ein Late‑Night Talk mit satirischen Monologen, Promi‑Interviews und Comedy‑Segmenten. Viermal die Woche, rund vierzig Minuten lang. Anfangs ab 0.05 Uhr gesendet, 2013 wurde die Sendung auf 23.35 Uhr vorverschoben.
Womit wurde er noch bekannter?
Er moderierte dreimal die Emmy Awards (2012, 2016, 2020). und viermal die Oscar-Verleihung (2017, 2018, 2023 und 2024).
Und privat?
Von 1988 bis 2002 war Kimmel mit der Kostüm-Designerin Gina Maddy verheiratet. Gemeinsam haben sie zwei Kinder: Katie und Kevin. Später war Kimmel in einer Beziehung mit Sarah Silverman. Seit 2009 ist er mit Molly McNearney verheiratet, sie ist auch eine der Autorinnen der Show. Mit Molly hat er zwei weitere Kinder: eine Tochter (11) und einen Sohn (8).
Was passierte eigentlich in der Folge am Montag?
Kimmel machte sich zunächst über den Protest von Trump an der neuen "Kickoff-Regel" der NFL lustig. Der US-Präsident hatte sie als "ridiculous" bezeichnet und mit Begriffen wie "Weichei-Football" bedacht. Trump könne ja die Nationalgarde einsetzen, wenn er die Regeln der NFL ändern will, witzelte Kimmel. So weit, so normal.
Das war aber nur der Auftakt, oder?
Ja, dann wandte sich der Talkshow-Star dem Mord an Charlie Kirk zu. Der rechte Trump-Influencer war am 10. September während einer Rede auf dem Campus der Utah Valley University erschossen worden.
Was sagte Kimmel im Wortlaut?
"Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, den Burschen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes darzustellen als einen von ihnen, und alles tat, um damit politische Punkte zu machen".
"Am Freitag wehte im Weißen Haus die Flagge auf halbmast, was einige Kritik hervorrief, aber auf menschlicher Ebene kann man sehen, wie schwer der Präsident dies nimmt", fuhr er sarkastisch fort.
Denn anschließend wurde ein Clip in die Sendung eingespielt. Er zeigt Trump, wie er nach der Schießerei Fragen von Reportern beantwortet. Ein Journalist spricht dem Präsidenten sein Beileid zum Tod des "Freundes" aus. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet Trump: "Ich denke, sehr gut. Und übrigens, genau dort, wo Sie die ganzen Lastwagen sehen, haben sie gerade mit dem Bau des neuen Ballsaals für das Weiße Haus begonnen."
Trump sprach weiter über die Pläne für den Ballsaal und sagte, das Ergebnis werde "eine Schönheit" sein. Dann schwenkte die Kamera zurück zu Kimmel. "Ja, er ist in der vierten Phase der Trauer, der Verarbeitung".
"Abriss, Bau", fügte Kimmel hinzu. "So trauert kein Erwachsener um jemandem, den er einen Freund nannte. So trauert ein Vierjähriger um einen Goldfisch, okay?"
In der Folge führte er Trump weiter vor. Eingespielt wurde nun eine Szene aus Fox & Friends vom 12. September. Trump sitzt auf der Couch im Studio und erinnert sich, was er gerade tat, als er die Nachricht von Kirks Tod erhielt.
"Als ich das hörte, war ich gerade dabei, einen großartigen Ballsaal zu bauen – seit 150 Jahren wollen sie einen Ballsaal im Weißen Haus, nicht wahr? Sie haben keinen Ballsaal; sie müssen Zelte auf dem Rasen aufstellen, wenn Präsident Xi kommt. Wenn es regnet, ist es ein Reinfall", sagte Trump.
Trump erinnerte sich, dass er mit den Architekten zusammen war, um den "unglaublichen" Entwurf für den Ballsaal zu planen, als jemand hereinkam und ihm sagte: "Charlie Kirk ist tot." Der Präsident sagte, er sei über die Nachricht schockiert gewesen.
"Und dann haben wir den schönsten Kronleuchter installiert", sagte Kimmel, als die Kameras wieder auf ihn gerichtet waren. "Wandleuchter, die man nicht glauben würde."
"Mit ihm stimmt etwas nicht, wirklich. Wer denkt so?", sagte Kimmel. "Warum bauen wir im Weißen Haus einen 200-Millionen-Dollar-Ballsaal? Ist es möglich, dass er das absichtlich macht, damit wir uns darüber aufregen können, anstatt über die Epstein-Liste? Wenn er nicht mehr im Amt ist, wird es im Weißen Haus Spielautomaten und eine Wasserrutsche geben."
Am nächsten Tag durfte er noch eine Show moderieren, dann war Schluss.
Wie kam es dazu?
Die entscheidende Rolle spielt dabei Brendan Carr, Vorsitzender der Federal Communications Commission. Der Trump-Mann und Scharfmacher übernahm im Jänner den Vorsitz in der FCC.
Warum ist er für Trump eine Schlüsselfigur?
Er war beteiligt an Project 2025, dem konspirativen und konservativen Plan der Heritage Foundation, in dem Vorschläge enthalten sind, wie die Regierung und Regulierungsagenturen in den USA gestaltet werden könnten – das Playbook für Trump. Carr schrieb jene Teile, die sich auf Telekommunikations‑ und Technologiepolitik beziehen.
Wie agierte Carr jetzt?
Er übte Druck auf die Walt Disney Company aus, zu der ABC gehört. In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview schlug Carr den Sendern vor, "Mist-Inhalte" zu entfernen oder zu verhindern, um "mögliche Geldstrafen oder Lizenzentzüge durch die FCC" zu vermeiden, berichtet Axios.
Er formulierte es etwas direkter?
Ja, eher im Cowboy-Stil. "Wir können es uns leicht machen oder auf die harte Tour", sagte Carr in einem Podcast. "Die Unternehmen können Wege finden, gegen Kimmel vorzugehen, oder es wird zusätzliche Arbeit auf die FCC zukommen."
Dabei blieb es nicht, oder?
Nein, Carr forderte auch lokale Sender dazu auf, "Jimmy Kimmel Live!" nicht weiter auszustrahlen. Daraufhin verkündigte Nexstar, eine der größten lokalen Sendergruppen, sie werde "Jimmy Kimmel Live!" ab Mittwochabend wegen der Kommentare des Moderators über Kirk stoppen. Das war das Todesurteil.
Warum knickte Nexstar ein?
Geschäfte! Vor wenigen Wochen kündigte Nexstar einen 6,2-Milliarden-Dollar-Deal zur Übernahme von Tegna an, eine Fusion lokaler Fernsehsender. Dafür ist die behördliche Genehmigung der FCC nötig. Also von Carr.
Wie reagierte Trump auf Kimmel?
Er feierte auf seinem Kanal die Absetzung, das seien großartige Neuigkeiten für Amerika“. "Herzlichen Glückwunsch an ABC, dass sie endlich den Mut hatten, das zu tun, was getan werden musste", schrieb Trump auf TruthSocial. "Kimmel hat NULL Talent und sogar noch schlechtere Einschaltquoten als Colbert, wenn das überhaupt möglich ist."
Und das Weiße Haus?
Auf dem offiziellen Kanal hieß es: "Sie tun ihren Zuschauern einen Gefallen. Jimmy ist ein kranker Freak!“
Wie viele Zuschauer haben die Late-Night-Shows eigentlich?
Stephen Colbert im Schnitt 2,4 Millionen, Jimmy Kimmel 1,7 Millionen, Jimmy Fallon 1,9 Millionen. Bald haben sie gar keine mehr.
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