1995 gab Prinzessin Diana, damals noch Ehefrau des britischen Thronfolgers Charles, der BBC ein bis heute umstrittenes Interview. Sie sei durch gefälschte Beweise dazu verführt worden, mit dem Fernsehen zu sprechen, behauptet nun ein neues Enthüllungsbuch.

Für Englands Royals kommt es derzeit knüppeldick. Nach den Enthüllungen über die Rolle von (Ex-Prinz) Andrew im Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, sorgt nun ein Interview von Prinzessin Diana aus dem Jahr 1995 für Schlagzeilen. Oder besser gesagt die Methoden, mit denen Diana überhaupt erst von einem BBC-Journalisten zu dem Interview "verführt" worden sei.
Die erste Ehefrau des heutigen Königs Charles III. breitete im November 1995 eine knappe Stunde lang intime Details aus ihrem Eheleben im TV aus. Ihre Bekenntnisse führten zur Scheidung des Paares, ein Jahr später starb Diana bei einem Autounfall in Paris.
Lange wurde Dianas Tod als tragischer Schicksalsschlag gesehen. Doch nun ist mit "Dianarama – Der Verrat an Prinzessin Diana" ein Buch erschienen, in dem eine andere Geschichte erzählt wird: Diana sei von der BBC zuerst wissentlich belogen und betrogen und nach dem Interview – wider besseren Wissens – voller Angst und Paranoia alleine gelassen worden.
Die BBC habe seine Schwester in der Nacht ihres Todes "schutzlos" in Paris zurückgelassen, so Dianas Bruder Charles Spencer.
Worauf sich die Vorwürfe in dem neuen Buch stützen, wie sich Diana in ihren letzten Lebensmonaten verändert hatte und was ihre Söhne William und Harry zu den Erkenntnissen sagen – das muss man über das Diana-Enthüllungsbuch "Dianarama" wissen:

Worum geht es?
Um die Erkenntnisse in "Dianarama – Der Verrat an Prinzessin Diana", einem mehr als 430 Seiten starken Enthüllungsbuch des britischen Investigativ-Journalisten Andy Webb, das vor wenigen Tagen auf Englisch erschienen ist.
Was ist der Inhalt?
Darin wird akribisch nachgezeichnet, wie sich die BBC durch Lügen, Täuschungen und gefälschte Beweise Zugang zu Diana verschafft hat, um sie zu einem Fernseh-Interview zu bewegen. Und als schließlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Beweise auftauchten, sei alles unternommen worden, um die Sache zu vertuschen. Auf die Weise habe man Diana letztlich in den Tod getrieben, so der Autor.
Wer ist der Autor?
Andy Webb wurde selbst journalistisch bei der BBC groß. 15 Jahre lang arbeitete er für den Sender als TV-Reporter und Moderator, ehe er sich als Dokumentarfilmer selbständig machte. Ab dem Jahr 2000 recherchierte er die Hintergründe des Diana-Interviews von 1995, ab 2020 veröffentlichte er sukzessive die Resultate seiner Recherchen. "Dianarama" ist die Zusammenfassung seiner jahrzehntelangen Arbeit, ergänzt um zahlreiche neue Enthüllungen.
Die Conclusio seiner Recherchen?
Prinzessin Diana sei zunächst von dem BBC-Reporter Martin Bashir unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht worden, dem Sender ein extrem offenherziges Interview zu geben, mit dem sie die britische Monarchie in eine ihrer größten Krisen der letzten Jahrzehnte stürzte. Und als dem Sender hinterher schließlich auffiel, dass die "Beweise", mit denen Diana dazu gebracht worden war, dem Interview zuzustimmen, gefälscht waren, wurde alles unternommen, um die Wahrheit unter der Decke zu halten.

Was hat Diana gesagt, dass die Monarchie in eine Krise stürzte?
Im Herbst 1995 lebten Diana und Charles bereits seit gut drei Jahren getrennt, waren aber nach wie vor verheiratet – die Queen hatte einer Scheidung nicht zugestimmt. In dem 54 Minuten langen Interview sprach Diana vor allem über die Affäre ihres Mannes mit seiner Jugendliebe Camilla Parker-Bowles (die nunmehrige Königin), wie sehr sie deshalb verletzt gewesen sei – sie entwickelte u.a. eine Bulimie – und ihre Reaktion auf den Betrug, nämlich dass sie selbst eine Affäre mit ihrem Reitlehrer James Hewitt anfing.
Wie viele Menschen sahen das Interview?
Am Abend der Ausstrahlung am 20. November saßen 23 Millionen Zuseher in Großbritannien vor den TV-Geräten. Weltweit, wird geschätzt, sahen insgesamt etwa 200 Millionen Menschen in 100 Ländern in den folgenden Tagen und Wochen das Interview.
Wusste der Palast Bescheid?
Nein, das Gespräch wurde zwei Wochen zuvor unter Geheimdienst-ähnlichen Bedingungen in Dianas Wohnzimmer im Kensington Palast aufgezeichnet. Diana hatte ihr gesamtes Personal nach Hause geschickt, die Journalisten kamen als Handwerker getarnt ins Haus.
Weshalb gab sie das Interview überhaupt?
Der BBC-Journalist Martin Bashir hatte über ihren Bruder, Charles Spencer, Kontakt zu Prinzessin Diana gesucht. Um glaubwürdig zu wirken, legte der Journalist Spencer angeblich geleakte Kontoauszüge vor, die beweisen sollten, dass Personen aus dem engsten Umfeld von Diana – ihr Privatsekretär Patrick Jephson sowie Charles' ehemaliger Privatsekretär Richard Aylard – in Wahrheit vom britischen Inlandsgeheimdienst MI 5 dafür bezahlt würden, Diana zu überwachen und bespitzeln.
Ja und?
Die Prinzessin lebte damals in einer Atmosphäre des Misstrauens. Sie dachte, alles und jeder wäre gegen sie – und lag damit spätestens seit der Trennung 1992 vermutlich nicht so falsch. In der Royal Family und dem Umfeld von Charles galt seine Frau seit langem als "schwierig". Die angeblichen Beweise von Bashir sollten sie davon überzeugen, dass dem tatsächlich so war – und das Interview sollte ihr die Möglichkeit zu einem "Befreiungsschlag" bieten – heute würde man es wahrscheinlich "Selbstermächtigung" nennen.

Die vorgelegten Beweise waren nicht echt?
Nein, schon bald nach der Ausstrahlung des Interviews, also noch Ende 1995, meldete sich bei dem Sender ein freiberuflicher Grafiker der angab, dafür bezahlt worden zu sein, die Kontoauszüge zu fälschen.
Was tat die BBC?
Sie begann intern zu ermitteln – allerdings offenbar so unzulänglich, dass schon bald feststand, dass es zu keinerlei grobem Fehlverhalten seitens des Senders gekommen sei. Motto: "Hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie weiter!"
Aber – ein paar gefälschte Kontoauszüge genügten bereits, und Diana setzte sich vor die Kamera?
Nein, so rasch ging es dann doch nicht. die Kontoauszüge waren der Türöffner für Bashir, aber der Journalist musste sich schon noch ins Zeug werfen, um die Prinzessin zu überzeugen. In seinem Buch "Dianarama" schildert Autor Andy Webb, was er Diana alles auftischte?
Zum Beispiel?
Er erzählte Storys, etwa Charles' Bruder Prinz Edward sei an AIDS erkrankt, oder die Queen würde aufgrund gesundheitlicher Probleme binnen sechs Monaten zurücktreten. Oder dass ihr eigener Sohn, Prinz William, sie unfreiwillig bespitzeln würde, da in seiner Armbanduhr ein Abhörgerät eingebaut sei. Aber eine Lüge traf Diana besonders hart.
Nämlich?
BBC-Mann Bashir erzählte demnach fälschlich, dass die Nanny ihrer Söhne, Alexandra "Tiggy" Legge-Bourke, von Charles schwanger geworden sei und das Baby habe abtreiben lassen. Diana war über diese Sache so erbost, dass sie die um vier Jahre Jüngere bei einem Weihnachtsessen darauf ansprach – und für einen gehörigen Skandal sorgte, der auch der Queen zu Ohren kam.

Was passierte mit Dianas Privatsekretär, der in Misskredit geriet?
Er verlor schließlich seinen Job, ohne überhaupt genau zu wissen, weshalb.
Und Diana vertraute dem Journalisten?
Offenbar. Denn dieser rühmte sich, laut Buchautor Webb, im Kollegenkreis damit, für Diana "die Reden zu schreiben" und ihr "im Kensigton Palast Pasta gekocht" zu haben, bevor es zu dem berühmten TV-Interview kam.
Ging es dem BBC-Journalisten immer nur um das TV-Interview?
Nein, sagt Enthüllungsbuch-Autor Andy Webb. Ihm sei es vielmehr darum gegangen, Zugang zur Prinzessin zu erlangen, um ein Enthüllungsbuch über sie zu schreiben – wie es der Autor Andrew Morton einige Monate zuvor getan hatte. Bashir wollte dafür offenbar ein Honorar von 1,5 Millionen Pfund erhalten. Feiner Unterschied: Morton hatte nie mit Diana gesprochen, sondern nur mit ihrem Umfeld.
Aber dazu kam es nicht?
Nein, der Prinzessin dürfte die Idee mit dem TV-Interview besser gefallen haben. Für Bashir wurde die Sendung dennoch zum großen Karriere-Kick – er wechselte später zum Konkurrenten ITV und danach in die USA, ehe er 2016 zur BBC zurückkehrte.
Was sagt der BBC-Mann zu den Vorwürfen?
Er lieferte über die Jahre verschiedene Erklärungen für sein Handeln, meinte u.a. auch, dass Diana das Interview sowieso geben wollte. Aber er nannte die Vorlage gefälschter Beweise auch "eine Dummheit", die er bereue.

Aber weshalb sollte das TV-Interview etwas mit Dianas Tod in Paris knapp zwei Jahre später zu tun haben?
Die Prinzessin sei durch die Lügen, die ihr der BBC-Mann aufgetischt hatte, zunehmend isoliert, paranoid und ängstlich gewesen, so Wegbegleiter. "Mir schien, dass Dianas Leben aufgrund dessen, was Martin Bashir 1995 getan hatte, und vor allem, weil es anschließend vertuscht wurde, einen furchtbar gefährlichen Verlauf nahm, der zu ihrem Tod führte", schreibt Autor Andy Webb in "Dianarama".
Was ist damit gemeint?
Sie vertraute offenbar niemandem mehr, fürchtete, dass man sie in England am liebsten tot sehen wollte. In einem Memo, das sie aufsetzen ließ, behauptete sie, man könnte versuchen, sie bei einem inszenierten Autounfall "loszuwerden". Sie wollte sich auch nicht mehr von britischen Personenschützern bewachen lassen, weil sie Angst hatte, dass diese im Auftrag des Palasts agieren könnten.
Was sagen Dianas Söhne William und Harry dazu?
Sie sehen die Sache offenbar genauso wie der Autor. "Unsere Mutter hat deswegen ihr Leben verloren", erklärte Prinz Harry im Jahr 2021. Und sein Bruder William (siehe X-Post unten) sagt: "Am meisten betrübt mich, dass meine Mutter gewusst hätte, dass sie getäuscht worden war, wenn die BBC die erstmals 1995 geäußerten Beschwerden und Bedenken ordnungsgemäß untersucht hätte."
Was wäre dann gewesen?
Diana hätte hoffentlich weiterhin darauf vertraut, dass der Schutz durch britische Behörden zu ihrem Besten gewesen wäre", so Autor Andy Webb. Und sie hätte sich nicht in den trügerischen Schutz der Sicherheitsleute ihres neuen Freundes, des Millardärs-Sohnes Dodi Al-Fayed begeben.
Was wäre dann anders gekommen?
Diana wäre vielleicht nicht in jenen Wagen zu einem betrunkenen Lenker gestiegen, mit dem sie am 31. August 1997 in Paris tödlich verunglückte. Der Fahrer, mit dem Diana, Dodi und ein Leibwächter durch das nächtliche Paris rasten, hatte 1,8 Promille Alkohol im Blut, wie sich herausstellte. Und die Bewacher Dodis hätten ihm vorher beim Trinken zugesehen, aber angeblich den Alkohol nicht erkannt.
Hatte denn nie jemand außerhalb der BBC Bedenken wegen des Interviews?
Doch, offensichtlich schon. Andy Webb, damals selbst BBC-Reporter, begann bereits im Jahr 2000 damit, den Ungereimtheiten rund um das Interview seines Kollegen Martin Bashir nachzuspüren. Und auch Dianas Bruder Charles Spencer war klar, dass vieles, was seiner Schwester seinerzeit aufgetischt worden war, nicht wahr gewesen sein konnte.
Weshalb wurde Dianas Bruder dann nicht aktiv?
Auch darauf gibt des neue Buch eine – wenn auch eher unbefriedigende – Antwort. "Sich als scharfer Kritiker Bashirs zu äußern, hätte im Grunde bedeutet, seine Schwester als leichtgläubige Närrin darzustellen", schreibt Webb in "Dianarama" über Charles Spencer. "Es ist viel besser zu schweigen, als einen Familienstreit zu verursachen."
Aber die ganze Sache flog ja doch auf, oder?
Richtig, im Jahr 2020, zum 25. Jahrestag des Interviews, brachten mehrere britische TV-Sender – außer der BBC – Sendungen, die an das denkwürdige Interview erinnerten. Auch Autor Andy Webb, mittlerweile selbständig, veröffentlichte erste Berichte über seine Recherchen. Und in der Folge begann auch Dianas Bruder Charles Spencer sich über seine Erinnerungen an damals zu äußern.

Was hatte das zur Folge?
Es kam zu einer umfangreichen Untersuchung durch einen Richter, der schließlich die unglaublichen Fehler und Verfehlungen der BBC offenbarte und schonungslos der Öffentlichkeit präsentierte. Als Folge dessen gestand der Sender öffentlich seine Verantwortung ein, entschuldigte sich und überwies insgesamt mehrere Millionen Euro Entschädigung an Personen, die durch das Verhalten von Ex-Mitarbeiter Martin Bashir (der seit 2021 nicht mehr bei der BBC tätig ist) geschädigt worden waren. Und auch von Prinzessin Diana unterstützte Hilfsorganisationen erhielten finanzielle Zuwendungen des öffentlich-rechtlichen Senders.
Erfuhr Prinzessin Diana eigentlich, dass BBC-Reporter Bashir sie angelogen und manipuliert hatte?
Nein, sie starb in dem Glauben, dass die Geschichten, die er ihr aufgetischt hatte, stimmten. "Sie glaubte fest daran, dass er die Wahrheit sagte", so Buchautor Andy Webb. "Hätte Diana erkannt, dass Bashir ein Betrüger war, wäre alles zusammengebrochen."