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Kopfnüsse

Die 5.760-Euro-Frage: Guter Rat ist teuer. Aber wie viel darf er kosten?

Außer Spesen viel gewesen? Beim Budget gaukelt die Regierung vor, mit eiserner Hand zu sparen. Beim Geldausgeben für sich selbst aber juckt der Finger. Wenn das nicht als Problem erkannt wird, ist bald Schluss mit der Gemütlichkeit.

Ihr werdest noch schön schauen, wenn ich mit der Medienschulung einmal fertig bin
Ihr werdest noch schön schauen, wenn ich mit der Medienschulung einmal fertig binHelmut Graf
Newsflix Kopfnüsse
Akt. 22.06.2025 02:51 Uhr

Vielleicht muss man sich Ministerrats-Sitzungen in naher Zukunft gänzlich anders vorstellen. Multilingualer irgendwie.

Die neue Regierung hat zum Start allerlei Beratung gebucht, auch Sprachkurse, das erfuhren wir diese Woche. Sogar die Vermittlung von richtigem Hochdeutsch steht im Aufgebot. Das klingt nach Einführung eines verpflichtenden zweiten Kindergartenjahres, in diesem Fall auf Ministerebene.

Mit KI-Stimme: Guter Rat ist teuer, aber wie viel darf er kosten?

"Hallo Jungs", wird Peter Hanke vielleicht demnächst in die Runde grüßen, "soweit alles knorke?" In den nachfolgenden Beratungen könnte der Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur Vorschläge wahlweise "dufte" finden oder mit "Mann, Mann, das kommt ja nicht in die Tüte" ablehnen. In der Kantine wird er Sauerbraten mit Hefeklößen und Apfelschorle "lecker" nennen.

Die frühere grüne Justizministerin Alma Zadić hat die neue Regierung mit einer Serie von parlamentarischen Anfragen eingedeckt. Sie wollte wissen, wie viel Geld die 14 Ministerinnen und Minister im ersten Monat ihres Wirkens ausgegeben haben – für das Land selbstredend, aber auch für das eigene Fortkommen. Der Unterschied ist mit freiem Auge oft nicht erkennbar.

Parlamentarische Anfragen sind eine Art Schleichweg zur Transparenz. Diese Schleichwege stehen nicht der Bevölkerung offen, sondern werden gern von oppositionellen Parteien benutzt. So lange, bis die oppositionellen Parteien nicht mehr oppositionell sind. Dann werden die Rollen getauscht.

Weil die Beantwortung parlamentarischer Anfragen lästig ist, fällt sie meist eher schnoddrig, missverständlich und unvollständig aus und so war es auch diesmal. Übrig blieb wie üblich eine nutzlose Debatte, wie sie sich in regelmäßigen Abständen wiederholt. In Österreich grüßt das Murmeltier vielleicht nicht täglich, dafür aber immer dufte.

Das könnte jetzt aber besser werden. Ab 1. September tritt das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. "Informationen von allgemeinem Interesse" müssen ab da "proaktiv veröffentlicht werden". Ich bin proaktiv schon neugierig auf die Interpretation.

Claudia, Du kannst Deine Hand vertrauensvoll in meine legen, ich bin der Finanzminister
Claudia, Du kannst Deine Hand vertrauensvoll in meine legen, ich bin der Finanzminister
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In Schweden gilt das "Offentlighetsprincipen" schon seit 1766. Es ist Teil der Verfassung und besagt, dass sämtliche offiziellen Dokumente von Regierung, Ministerien und Behörden offengelegt werden müssen, und zwar allen, darunter auch Reisekosten- und Spesenabrechnungen.

Wer wissen will, was der Ministerpräsident gestern Abend im Fabios von Stockholm verputzt hat, muss nur eine E-Mail oder einen Brief an eine spezifische Adresse des Reichtstags schicken, man kann dort auch anrufen. Die Auskunft muss erteilt werden, eine Begründung, warum man etwas wissen will, ist nicht erforderlich. Anfragen gehen auch anonym.

Das löst nicht alle Probleme und es gibt immer wieder Streit, was geheim bleiben darf und was nicht. Aber das "Offentlighetsprincipen" gibt der Bevölkerung das Gefühl der Eingebundenheit, es verleiht ihr Kontrollrechte. Die Kontrollierten wiederum müssen im Fabios von Stockholm abwägen, ob die öffentliche Bestellung einer weiteren Flasche Schampus auf Staatskosten noch geboten erscheint.

Mobilitätsminister Peter Hanke leistete in seiner Anfrage-Beantwortung vom 16. Juni dem "Offentlighetsprincipen" nur bedingt Folge. Was gesagt werden kann: Er hat im März keine Unsummen ausgegeben. In seiner Aufstellung führt er vier externe Auftragserteilungen an, die Gesamtsumme erreicht 5.820 Euro.

Von Martina Angela Friedl, laut Eigenangabe "Impulsgeberin für Veränderung", wurde "Teamcoaching/-mediation" für 480 Euro bezogen. Das Unternehmen Quintessenz Organisationsberatung GmbH steuerte für 960 Euro einen "Fachvortrag Generationsübergreifendes Verständnis" bei.

Bitte pass auf Beate ...
Bitte pass auf Beate ...
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Die federkraft Consulting GmbH wiederum führte "Einzelcoachings" durch, 10 Einheiten für gesamt 2.400 Euro. Das Unternehmen ist auf "Sharing Organization" spezialisiert. Vielleicht hatte das Ministerium der Text auf der Webseite angesprochen: "Sie benötigen neue Antworten auf neue Fragen, aber kommen nicht so recht vom Fleck?"

Das große Problem derartiger Aufstellungen besteht darin, dass sie nicht schlau machen, sie führen eher in die Irre. Es fehlt jede Erklärung, welcher Zweck mit einer Beauftragung verfolgt wurde. War das klug, oder ein Freundschaftsdienst? Und wer hat die Leistung überhaupt bezogen? Der Minister oder die Ministerin selbst? Sein Büro? Irgendjemand im Ministerium?

Das lässt die Fantasie sprießen und das hat in diesem Fall mit Ulrike Trebesius-Bensch zu tun. Sie ist "diplomierte Sprechwissenschaftlerin", wie sie auf ihrer Webseite angibt, und auch sie ging dem frischgebackenen Minister zur Hand. Ab da aber wird es rätselhaft, denn Ulrike Trebesius-Bensch verkaufte Hanke den Kurs "Hochdeutsch in 12 Wochen".

Hanke war bis März Stadtrat für Finanzen in Wien. Er ist stets gut frisiert und adrett gekleidet, ihm eilt der Ruf voraus, nicht einmal die Badewanne ohne Krawatte und Stecktuch zu betreten. Hanke ist nicht amtsbekannt dafür, sich den Weg über den Rathausplatz unter Verwendung von Worten wie "Oida" oder "Heast du Beidl, schleich di!" zu bahnen. Und nun muss ausgerechnet er Hochdeutsch lernen?

Ulrike Trebesius-Bensch bietet im Internet zwei Fernkurse an, einer davon nennt sich "Wohlfühlstimme" und läuft unter dem Slogan "Sag Tschüss zu deiner gestressten Stimme!" Ulrike Trebesius-Bensch ist nämlich Deutsche, das unterstreicht auch ihre Mailbox-Ansage. Sie hat in Leipzig studiert und offeriert nun von Halle an der Saale aus Deutsch-Trainings.

... du rennst noch an deinem Sessel vorbei!
... du rennst noch an deinem Sessel vorbei!
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Wie soll ich sagen? Die Erkenntnis, dass ein gestandener Wiener Politiker von einer Sprachtrainerin aus Sachsen-Anhalt richtiges Hochdeutsch lernen soll, macht die Sache für Außenstehende nicht gerade klar wie Kloßbrühe.

Das Ministerium liefert eine andere Deutung und die führt in ein neues Rätsel-Labyrinth. Auf die Frage, warum ein Minister, der sein gesamtes Leben in Wien verbracht hat, im zarten Alter von 61 Jahren mit einem Hochdeutsch-Training beginnt, schreibt mir eine Sprecherin: "Jeder, der sich schon einmal mit hochtechnologischen und komplexen Inhalten wie beispielsweise Quantentechnologie beschäftigt hat, weiß, dass dies auch für Personen mit deutscher Muttersprache schwierig werden kann."

Ich verstand quantentechnisch nur Bahnhof. Später stellte sich heraus, sie meinte damit nicht Peter Hanke, von dem nicht bekannt ist, wie sehr er sich schon mit "komplexen Inhalten wie beispielsweise Quantentechnologie beschäftigt hat". Vielmehr soll eine Spanierin mit Spezialgebiet Quantentechnologie in den Genuss des Kurses kommen.

Nicht der Ur-Wiener Hanke lernt also von einer hohen Deutschen Hochdeutsch, sondern eine Spanierin, die für sein Wiener Ministerium arbeitet.

Warum eine Sprechtrainerin aus Sachsen-Anhalt in der Lage sein soll, einer Spanierin Fachbegriffe der Quantentechnologie zu dolmetschen, erscheint immer noch nicht ganz schlüssig. Aber vielleicht würde ich den Vorgang nach dem Konsum von ein paar Kursstunden "Wohlfühlsprache" besser verstehen.

Die 10 Einzeleinheiten "Hochdeutsch in 12 Wochen" schlagen sich mit insgesamt 2.400 Euro zu Buche. Ob das Geld per Teleportation überwiesen wird, ist unklar.

Fix, Oida! In 12 Wochen kann man easy cheesy Hochdeutsch lernen
Fix, Oida! In 12 Wochen kann man easy cheesy Hochdeutsch lernen
Helmut Graf

Peter Hanke ist aber nicht der Einzige, der parlamentarische Fragen beantwortet, um neue Fragen entstehen zu lassen. Kanzler Christian Stocker legte etwa offen, dass er die BBDO Group Kreativagenturen GmbH um eine "Umsetzung des Visualisierungskonzepts für den KI-Monitor, Entwicklung eines Konzepts für quantitative und qualitative Informationen, welche als Basis für den jährlichen KI-Monitor genutzt werden kann," gebeten hat.

Er hätte auch schreiben können: Irgendwas mit KI für 65.806,13 Euro.

Sozialministerin Korinna Schumann beauftragte die "COOP3 Beratungskooperative" für 7.773,60 Euro mit der "Vorbereitung, Erstellung und Abstimmung des Designs sowie die Moderation der Klausur der Arbeitsinspektion".

Auch die bettertogether GmbH kam mit ihr ins Geschäft. Schumann absolvierte ein dreistündiges "Medientraining" für 4.200 Euro. Ihre Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig buchte gleich drei "Medientrainings", die neun Stunden kosteten 13.104 Euro.

Bildungsminister Christoph Wiederkehr listet in seiner Anfrage-Beantwortung 24 externe Aufträge auf, die zwischen 3. März und 31. März erteilt wurden. Die gesamte Vertragssumme beläuft sich auf 126.155,81 Euro. Umfasst sind Führungs-Coachings, Grafikarbeiten, Workshops. Das "Grundausbildungsseminar" einer Keep on Naturcampus GmbH ist mit 30.000 Euro verbucht. Welche Grundausbildung vermittelt wird, ist unklar.

Es sei noch einmal daran erinnert: Es lässt sich nicht sagen, was davon nutzbringend ist und was Humbug, das erschließt sich aus den dürren Formulierungen in den Beantwortungen nicht. Vielleicht war das sogar der Zweck.

Sozialministerin Korinna Schumann ließ für das Arbeitsinspektorat etwas springen
Sozialministerin Korinna Schumann ließ für das Arbeitsinspektorat etwas springen
HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com

Verteidigungsminister Klaudia Tanner führt in ihrer Aufstellung 30 Vergaben an, darunter diverse Englischkurse und den "Workshop 'Journalistisches Schreiben kompakt' für einen Bediensteten" (279 Euro). Da sie als Einzige auch alle Inseratenbuchungen nennt, bilanzieren sich die Aufträge auf über 1 Million Euro.

Auch ein Seminar namens "Flipchartgestaltung", gebucht bei Hanami Consulting e.U. für 2.564,88 Euro, ist in der Summe enthalten. Es seien alle beruhigt, die Ministerin selbst hat keinen Vormittag damit zugebracht, Einhörner auf eine Tafel zu malen.

Die Frage sei trotzdem gestattet: Steckt da eine geheime Kriegslist dahinter? Greifen wir also im Fall einer militärischen Bedrohung zu Filzstiften und verwirren Gegner durch wilde Flipchart-Zeichnung?

Bildungsminister Christoph Wiederkehr (das ist der in den schwarzen Schuhen) in der Wiener Volksschule Zeltgasse
Bildungsminister Christoph Wiederkehr (das ist der in den schwarzen Schuhen) in der Wiener Volksschule Zeltgasse
Helmut Graf

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig vergab 12 externe Aufträge, darunter die Klassiker "Coaching" und "Medientraining". Bis auf eine Ausnahme verzichtete er überall – in einer Art Großzügigkeit sich selbst gegenüber – auf eine Angabe der Kosten.

Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner beauftragte die pulswerk GmbH mit der "Projektbegleitung zur Weiterentwicklung der universitären Netzwerklandschaft im Bereich Nachhaltigkeit" (19.920 Euro), Innenminister Gerhard Karner listet 14 "Impulsvorträge" zwischen 330 Euro und 6.000 Euro auf.

Justizministerin Anna Sporrer unterzog sich zwei "Medientrainings", die zusammen 7.320 Euro kosteten. Zum Zug kam erneut die bettertogether GmbH, die im roten Teil der Regierung mehr als einen Fuß in der Tür hat. Geschäftsführerin ist Catherina Straub, sie war von 2006 bis 2008 Kommunikationschefin der SPÖ, davor 10 Jahre Stellvertreterin.

Zum Coaching der neuen Regierungsmitglieder will Straub nichts sagen. "Ich bitte um Ihr Verständnis, dass wir über Inhalt und Umfang von Kommunikationsdienstleistungen wie Medientrainings für unsere Kundinnen und Kunden keine Auskunft geben", schreibt sie mir.

Andreas Babler war beim Solo-Coaching nicht solo anwesend
Andreas Babler war beim Solo-Coaching nicht solo anwesend
Helmut Graf

Auch Andreas Babler hat die Dienste der bettertogether GmbH in Anspruch genommen, seine heutige Kommunikationsleiterin war früher Senior Consultant im Team der Agentur. Laut Beantwortung der parlamentarischen Anfrage wurde Babler ebendort am 24. März auf die Pressestunde vorbereitet. Das kostete 5.760 Euro, ein Monat danach ist die Erinnerung des Vizekanzlers daran schon etwas getrübt.

Es sei eine "Medienaufarbeitung von Kommunikationsinhalten für dieses Monat" gewesen, sagte Babler am Mittwochabend in der ZiB 2 zu Armin Wolf, und "kein persönliches Coaching". Das klang nicht ganz schlüssig. Die Pressestunde ist keine Gruppenveranstaltung, da sitzt ein Politiker allein da und deshalb ergibt es wenig Sinn, dass vorab Bablers gesamter Sesselkreis geschult worden sein soll.

Das Problem mit Coachings ist, dass manchmal der Mensch im Menschen wegcoacht wird. Das sorgt dafür, dass Politiker KI-artige Antworten geben, weil jede Formulierung vorher mit Schleifpapier behandelt wurde. Trotzdem drängt sich die Frage auf: Warum hat Babler bei Armin Wolf nicht gesagt, wie es ist? "Der Drops war ohnehin gelutscht, um mit "German Voice" Peter Hanke zu sprechen.

Ah deswegen heißt es Schirmherr und nicht Schirmfrau":" Ukraine-Präsident Selenskyj mit Bundespräsident Van der Bellen, dessen Ehefrau Doris Schmidauer und Olena Selenska
Ah deswegen heißt es Schirmherr und nicht Schirmfrau":" Ukraine-Präsident Selenskyj mit Bundespräsident Van der Bellen, dessen Ehefrau Doris Schmidauer und Olena Selenska
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Die Wahrheit ist ja: Vor einem Jahr saß der SPÖ-Spitzenkandidat häufig in TV-Studios und hielt jedes Mal spätestens nach einer Minute mit hochrotem Kopf eine Parteitagsrede. Und das mit einer Wortgeschwindigkeit als wäre ein Rudel Wölfe hinter ihm her. Das wurde ihm abtrainiert, Babler spricht heute langsamer und verständlicher.

Das kostet, 5.760 Euro für einen Auftritt sind in Zeiten von Sparpaketen für Familien und Pensionisten sogar frivol viel Geld. Man kann es als gut investiert ansehen oder als rausgeworfen. Es wird jedenfalls nicht weniger, wenn man nicht dazu steht.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen verteilte an die Medien Kopfnüsse
Bundespräsident Alexander Van der Bellen verteilte an die Medien Kopfnüsse
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Ich wünsche einen gut gecoachten Sonntag. In der vergangenen Woche wurden in der Präsidentschaftskanzlei der Kurt-Vorhofer-Preis und der Robert-Hochner-Preis verliehen. Der Bundespräsident hielt die Laudatio und redete den Medien ein paar Tage nach dem Amoklauf in Graz ins Gewissen. Ich war nicht da, aber irgendwie doch.

Stephan Götz-Bruha, Sprecher von Alexander Van der Bellen, hatte den Staatschef auf meine letzte Kopfnuss hingewiesen. Worauf sich der Bundespräsident den Podcast dazu anhörte, meine KI-Stimme also, und die Idee mit dem fünf Minuten Nachdenken gut fand. Es komme selten vor, dass er einem Artikel völlig zustimme, aber in diesem Fall sei das so, sagte er anschließend und empfahl die Lektüre in seiner Rede ausdrücklich.

Ich kann mich – wenn auch etwas befangen – dem nur anschließen. Aber wenn Sie es bis hierhin geschafft haben, muss ich mir ohnehin keine Sorgen machen.

Bis in einer kleinen Weile.

Mit KI-Stimme: Der Amoklauf und die Medien

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Akt. 22.06.2025 02:51 Uhr