Eine Woche, in der die Herzen tief flogen. Bundespräsident, Kanzler und Außenministerin warben in New York um Zuneigung. FPÖ-Chef Herbert Kickl bekundete in Salzburg seine Liebe. Und Elch Emil suchte an der Grenze zu Österreich nach Casual Sex.
So unterschiedlich können Nöte sein. In New York trafen sich in dieser Woche die Staats- und Regierungschefs, um über das Schicksal der Welt zu beraten. In Österreich sorgte man sich dagegen vorrangig um das Fortkommen von "Tom Turbo".
Wenn Sie jetzt in der Tradition des Fußball-Philosophen Dietmar Kühbauer einwenden, das interessiert Sie so, wie wenn in China ein Radl umfällt, dann liegen Sie nicht ganz falsch.
Nach 32 Jahren beginnt für Österreichs Kinder mit Jahresende eine Umorientierungsphase. Sie werden ab da nicht mehr von einem Fahrrad mit den Lippen einer russischen Oligarchen-Nichte ins Leben hineinbegleitet.
Seit bekannt wurde, dass der ORF die Zusammenarbeit mit der Produktions-Firma von Brezina einstellt, scheiden sich die Geister darüber, was "Tom Turbo" eigentlich war. Handelt es sich bei dem sprechenden Fahrrad mit eingebautem Toaster und Kraftstrahl um Österreichs Antwort auf den KI-Hype oder waren die Sendungen doch eher ein rechter Schmarrn?
Die Beantwortung der Frage spaltete schon in den vergangenen Jahren viele Haushalte. Die Entfremdung in Österreichs Familien hat nicht erst mit Corona begonnen.
In den Reden unserer Troika vor den Vereinten Nationen fand das Schicksal von "Tom Turbo" keinerlei Niederschlag. Aus den Augen, aus dem Sinn. Hier wurde eine Gelegenheit vertan, die Welt ein weiteres Mal über unser Land zu verwirren.
Der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Außenministerin waren gemeinsam getrennt nach New York gereist. Österreich bewirbt sich um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat. So viel lässt sich bilanzieren: An mangelndem Personaleinsatz wird das Unterfangen nicht scheitern.
Die Troika hatte zudem leichtes Spiel, dank Andreas Babler war der Boden bereits aufbereitet. Der Vizekanzler hatte sich vor zwei Wochen nach New York verfügt, um zumindest einen Laternenmast auf die Ankunft der Delegation aus Wien einzustimmen.
Was das kostenseitig für Auswirkungen nach sich zog, wollte Babler diese Woche gegenüber der Kronen Zeitung nicht beziffern. "Ich bin nicht Buchhalter des Ministeriums, sondern Vizekanzler der Republik", sagte er, der ganzen Wahrheit verpflichtet.
Die Herbstausflüge der Staatsspitze haben eine lange Tradition. Jeweils im September findet in New York die Vollversammlung der Vereinten Nationen statt. Für Politiker bieten sich gute Gelegenheiten, der Vereinten Nation daheim auf der Wohnzimmercouch die eigene Weltläufigkeit vor Augen zu führen.
Das funktioniert am besten über Instagram-Bilder. Deshalb reisten auch drei offizielle Hof-Fotografen mit, für jeden Politiker einer. Beate Meinl-Reisinger nutzte die Gunst der Runde am besten. Ihre Fotos beim Joggen oder beim Durchstreifen von Manhattan hätten auch Sebastian Kurz zur Ehre gereicht.
Für Christian Stocker stellte die Reise eine Premiere dar. Er war noch niemals in New York. Wenn der Kanzler für die Titelpartie im Musical von Udo Jürgerns engagiert worden wäre, hätte er bis vor Kurzem noch die Wahrheit gesungen.
Alexander Van der Bellen und Christian Stocker hoben schon am Samstag Richtung John F. Kennedy International Airport ab, Beate Meinl-Reisinger folgte mit der Frühmaschine am Sonntag, sie landete am Newark Liberty International.
Mit Journalisten hatten die drei auf der Reise keinen Kontakt, der Tross der Reporter folgte erst Sonntagabend. Auf dem Weg holte sie ein bisschen die Vergangenheit ein, Sebastian Kurz saß in der Business Class.
In New York bezog die Außenministerin ein Zimmer im selben Hotel wie der Kanzler, das NH Collection New York Madison Avenue, der Bundespräsident nächtigte vier Gehminuten entfernt im Marmara Park Avenue. Auch in den folgenden Tagen waren die drei die meiste Zeit von Tisch und vom Bett sowieso getrennt.
Am Montagabend aber stellte man das Gemeinsame vor das Trennende. Dabei wurde offenkundig, dass nicht alle Eulen nach Athen getragen worden waren. Die gesamte Delegation traf sich zum Abendessen im Little Owl the Townhouse, einem kleinen Lokal mit 40 Plätzen in der 7th Avenue South, spezialisiert auf private Events.
In der kleinen Eule wurde rotiert, das heißt, die Reporterinnen und Reporter blieben an den drei Tischen sitzen, die Politiker wechselten die Plätze. Ihre Tischkärtchen wurden jeweils nachgetragen. Verständlich, die Regierung ist noch nicht so lange im Amt, aber beim Bundespräsidenten hätte man davon ausgehen können, dass zumindest sein Spitzname bekannt ist.
Abseits der Eule war der Terminkalender der Troika bis unters Federkleid gefüllt. Bilaterale Gespräche von China bis Guinea-Bissau, ein Pull-aside mit Kirgisistan, es ging darum, Stimmung für die Erlangung des nichtständigen Sitzes im Sicherheitsrat zu machen. Die Wahl erfolgt Anfang Juni 2026, Österreich hat sich beworben.
Drei Länder rittern in der Gruppe "Westeuropa und Sonstige" um zwei Plätze, neben Österreich haben auch Deutschland und Portugal Interesse bekundet. Fürs Lobbying war den Konkurrenten die Generalversammlung aber offenbar nicht relevant genug.
Portugal schickte lediglich Staatspräsident und Außenminister nach New York, Deutschland überhaupt nur den Außenminister. Vermutlich ist in beiden Ländern die Personaldecke dünner als bei uns.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz bilanzierten Präsident, Kanzler und Außenministerin Mittwochfrüh die Trump-Rede und das Selbsterreichte. Ort der Tatbegehung war der neue Standort der Ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen in der Third Avenue, sie liegt im 18. Stock. Also nicht die Third Avenue, sondern die Vertretung.
Angepeilt waren Statements von jeweils fünf Minuten, aber ein paar Beteiligte dürften in der Kleinen Eule eine Buchstabensuppe konsumiert haben. Alexander Van der Bellen redete 16 Minuten lang, Christian Stocker blieb mit 6 Minuten ganz gut in der Zeit, Beate Meinl-Reisinger brachte es auf 18 Minuten. Vielleicht heißt die Ständige Vertretung deshalb Ständige Vertretung, weil ständig jemand spricht, wenn auch nicht in Vertretung.
Präsident und Kanzler flogen am Mittwochabend heim, die Außenministerin landete am Samstag in Wien. Sie hatte ein Ereignis der Woche versäumt, zum anderen kam sie gerade noch rechtzeitig. Die Rede von Herbert Kickl am FPÖ-Parteitag konnte sie sich im Livestream anschauen, die Außerlandesschaffung von Elch Emil hatte sie verpasst.
Am Montag war Österreichs beliebtester Zuwanderer in aller Herrgottsfrüh betäubt und an die Grenze zu Tschechien gebracht worden. Es bestand Gefahr, dass Emil als Geister-Elch die Westautobahn betritt. Eine entsprechende Nachricht im Ö3-Verkehrsdienst hätte bei einigen Autolenkern Fragen nach der eigenen Fahrtüchtigkeit auslösen können.
Die Hoffnung war, dass Emil nach Tschechien wandert, um im Nationalpark Šumava eine Elchin für etwas Casual Sex zu finden. Nun aber entscheidet er sich eventuell um und geht nach Bayern. Er sei derzeit im Grenzgebiet unterwegs, teilte die Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald am Samstag mit. Man darf nicht vergessen, es ist derzeit Oktoberfest.
Emil trägt einen Sender, er wurde an sein Geweih geklebt und das hat auch mit Bürokratie zu tun, was nicht in Österreich? Der Logger hat nur Strom für drei bis vier Wochen, ab dann weiß man nicht mehr, was Emil so anstellt. Wenn er also auf der Wiesn in München auftaucht, wird man das nur über Instagram-Fotos erfahren.
Man hätte dem Elch auch eine Ohrmarke oder ein Halsband verpassen können. Aber alles, was über einen Nadelstich hinausgeht, gilt in Österreich als Tierversuch. Dafür sind zumindest zwei Anträge zu stellen. Und es kostet Geld.
Der Antrag auf einen Tierversuch ist bei der jeweils regional zuständigen Behörde einzubringen. Dann befindet eine Ethik-Kommission darüber. In der "SOKO Emil" war auch das "Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie" der Veterinärmedizinische Universität Wien beteiligt, also hätte die Ethik-Kommission der Vetmed eine Stellungnahme zur Besenderung abgeben müssen.
Am Ende befindet stets das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft über einen Antrag, es hat sechs Wochen Zeit dafür. Dann ist aber noch immer kein Sender da. Für dessen Finanzierung ist die Abgabe eines Forschungsantrages nötig. "Da reden wir von Kosten von mehreren Tausend Euro", sagt Claudia Bieber, Leiterin des Institutes an der Vetmed.
So wird Emil also im Oktober aus unserem Sichtfeld verschwinden. Bis dahin sind seine Bewegungen als Striche und Punkte in einer App abgebildet. Zweimal am Tag werden die Daten von seinem Geweih aus übertragen, dafür geht der Großteil der Batterie im Sender drauf.
Drei Menschen haben momentan Zugang zu den Daten, zwei in Österreich, einer in Tschechien. Weil er nicht mehr von Schaulustigen verfolgt wird, ist Emil inzwischen wieder tagaktiv und schläft in der Nacht. Sobald es dunkel ist, wird er in der App zum Punkt in der Landschaft.
Auch Herbert Kickl war am Samstag tagaktiv. Er versammelte seine Partei im Salzburger Messezentrum um sich. Nicht allen gefiel das. Zwei Aktivisten seilten sich vor Beginn der Show vom Dach ab und brachten an der Außenmauer drei Fahnen an. Sie hängten eine Regenbogenfahne und eine Transgenderfahne neben eine Palästinenserfahne.
Ich würde mir das als Demonstrant noch einmal durch den Kopf gehen lassen. So etwas in Palästina zu probieren, kann nämlich denselben kosten. Die freie Liebe steht dort nicht sehr hoch im Kurs, hört man zumindest.
"Hier drinnen herrscht Vernunft, draußen Chaos", sagte die Salzburger Landeshauptfrau-Stellvertreterin Marlene Svazek später im Saal. Wobei: Zwei Fassadenkletterer und ein paar Handvoll Demonstranten klingt jetzt nicht nach einem Sturm auf die Bastille.
Im Saal der Vernunft bereitete sich Kickl auf eine eventuelle Zweitkarriere als Dancing Star vor. Er hatte eine Bühne aufstellen lassen, die frappant an die ORF-Show erinnerte, farblich hatte sie einen Blaustich. Links und rechts führten Showtreppen nach unten, eine heikle Angelegenheit. Er habe die Stufen am Vortag ausprobiert, sagte der FPÖ-Chef, er wollte am Parteitag "nicht runterkugeln".
Das passierte nicht. Kickl wurde als Letzter des Führungsteams aufgerufen, erschien auf der obersten Treppe, blieb dort stehen, lächelte und salutierte dann wie Donald Trump.
Im ORF-Sommergespräch hatte Kickl noch kokett abgestritten, ein Fan des US-Präsidenten zu sein. An diesem Samstag war Trump in Salzburg allgegenwärtig, obwohl ihn der freiheitliche Dancing Star in seiner Rede nur einmal wirklich vortanzen ließ. Thematisch aber passte zwischen Kickl und Trump kein Blatt Papier.
Wie Trump in seiner Rede vor den Vereinten Nationen machte auch Kickl zwei Feindbilder aus: Migration, genannt „Völkerwanderung“, und Umweltschutz, genannt "Klimakommunismus". Die Pandemie kam als Zuckerguss obendrauf.
Es war kein Parteitag der große Zweifel säen wollte. "Gute Jahre nur mit uns", stand auf der Videowall. Davor hatte die Parteispitze Platz genommen, aufgefädelt wie beim letzten Abendmahl. Herbert Kickl und seine Apostel, 11 Männer, 1 Frau.
Alle Vermutungen, die FPÖ könnte ihrem Parteichef nicht mehr wirklich folgen, lösten sich in Luft auf. Nicht allein durch das Wahlergebnis am Ende, als Kickl mit 96,9 Prozent im Amt bestätigt wurde. Kritik, weil er das Kanzleramt leichtfertig aufgegeben hatte? Keine Spur, die Jünger zeigten Nachsicht.
Kickl selbst lieferte den argumentativen Unterbau dafür. "Die freiheitliche Seele darf niemals verkauft werden", rief der Parteichef in den Saal. "Für kein Regierungsamt der Welt, dafür bin ich nicht bereit." Okay, Schwamm drüber, dann vielleicht beim nächsten Mal.
Der Rest? Eine Huldigung! Grußworte von verbrüderten Parteien wurden eingespielt. Der Bogen reichte von Ungarns Viktor Orbán ("Die Wahrheit steht auf unserer Seite") über Frankreichs Marine Le Pen ("Koalition der Patrioten") bis zu Alice Weidel. "Wir schauen zu euch auf," sagte die Parteichefin der AfD. Italiens Matteo Salvini stand neben einem T-Shirt von Trump. Aufdruck: "Save Our Country!"
Dann erzählte Parlaments-Präsident Walter Rosenkranz, dass er im Hohen Haus die Gendersprache abschaffen möchte, die Kaffeesorte habe er schon gewechselt. Von seinem Vorgänger seien Vorräte der Sorte Monarch übriggeblieben. Nach dem Verbrauch der Reste sei er auf "Präsident" umgestiegen. Der Systemwandel ist nur mehr einen Cappuccino entfernt.
Schließlich trat Kickl ans Rednerpult und salutierte erneut wie Trump. Es folgte kein Aschermittwoch-Sprachgewitter voller Kalauer und Herabwürdigungen. Die etwas mehr als einstündige Ansprache hatte eher Längen, zündete nicht immer im Publikum, wirkte in der Wortwahl zuweilen matt. Aber vielleicht haben wir uns an Begriffe wie "Systemlinge" oder "dumm" auch schon zu stark gewöhnt.
Persönliche Beleidigungen des politischen Mitbewerbs hielten sich im Rahmen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nannte Kickl zum wiederholten Mal "Kim Jong Un vom Neusiedler See", seine Fehde mit Karoline Edtstadler zog er weiter. Die nunmehrige Landeshauptfrau von Salzburg war Staatssekretärin im Innenministerium. Hin und wieder sei er dabei dieser Karo begegnet, sagte der damalige Innenminister nun, "wenn sie vom Einkaufen zurückgekommen ist".
Von Hannibal hält Kickl mehr. Der habe 22 Schlachten gewonnen, obwohl er zahlenmäßig unterlegen gewesen sei. Davon erzählte der Ober-Blaue ein bisschen, später, wie Alexander der Große den Gordischen Knoten durchschlagen haben soll. Dazwischen streute er die Botschaft des ersten Korintherbriefs von Apostel Paulus ein: "Glaube, Hoffnung und Liebe".
Applaus, Kickl tritt ab, FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs legt die Finanzen der Partei offen. 6,7 Millionen Euro befanden sich mit Ende 2024 in der Kriegskasse. Für Wahlen scheinen die Freiheitlichen gerüstet, außer sie stolpern wieder einmal. Wie Fuchs beim Hinausgehen. Er verletzte sich am Fuß.
Ich wünsche einen wunderbaren Sonntag. Über den neuen Fernsehsender der SPÖ erzähle ich vielleicht demnächst mehr. Ab Mitte Oktober wird vom Parlamentsklub aus gesendet. Das Studio ist gebaut, vier Personen sind engagiert, "ein zweiter ORF wollen wir aber nicht werden", sagt die neue Kommunikationschefin Susanne Moser-Guntschnig.
Vor allem YouTube soll bespielt werden, die Formatentwicklung läuft. Sendungen wie "Fit mit Andi" oder "Die Barbara Babler Show" sind aber nicht geplant. Zumindest nicht für den Moment.
Bis in einer kleinen Weile.
PS: Falls Sie einwenden, dass manche Fotos nichts mit der Geschichte zu tun haben, dann darf ich mit aller Nachdrücklichkeit erwidern: Ja. Aber der Helmut Graf ist halt ein sauguter Fotograf.